In Köln fehlen Tausende Wohnungen. Die Gründe dafür sind vielfältig. Ein interview mit den Vorsitzenden der Wohnungsbau Initiative Köln, Stefan Rappen, Petra Edelbluth und Holger Coers.
Wohnungsnot in KölnWie geht es weiter beim Wohnungsbau?
Im elften Jahr ihres Bestehens: Was waren die größten Knackpunkte der WIK in den vergangenen Jahren?
Stefan Rappen: Unser Ziel war und ist es, Politik und Verwaltung in Köln in der Stadtentwicklung und der Schaffung von Wohnraum mit unserem Know-how zu unterstützen. Die Themen waren dabei meist die gleichen: Das kooperative Baulandmodell, die Beschleunigung der Planungs- und Genehmigungsprozesse, der langwierige Dialog mit Politik und Verwaltung über die Stärkung des Wohnungsbaus oder die Diskussion um den „Masterplan Grün“ oder den Köln-Katalog.
Die Wohnungswirtschaft kam aus einer komfortablen Situation bis Anfang der 2020er Jahre. Hat man die Gefahren dramatischer Einschnitte wie der Corona-Pandemie oder dem Krieg in der Ukraine unterschätzt?
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Holger Coers: Viele Rahmenbedingungen waren schon vor Corona nicht besser oder schlechter als heute, aber Corona und der Ukraine-Krieg haben die Gesamtsituation natürlich für viele Menschen spürbarer verändert. Zwischenzeitlich sind offiziell 4000 Ukrainer in Köln untergebracht worden. Nicht gezählt die, die privat unterkamen und nicht in der Statistik auftauchten. Das hat noch einmal gezeigt, dass es in Köln einen echten Mangel an Wohnraum gibt.
Petra Edelbluth: Dass die Zahl der Baufertigstellungen deutlich gesunken ist, liegt eher an Faktoren wie dem abrupten Stopp von Fördermaßnahmen durch die Bundesregierung, der Energiekrise, gestiegenen Baukosten, dem knappen Flächenangebot und deutlich gestiegenen Zinsen. Das hat den Kauf von Wohnungen und Häusern für viele Menschen vielerorts unerschwinglich gemacht.
Wie eng war die Zusammenarbeit innerhalb der WIK in den Anfangsjahren und wie ist sie jetzt?
Stefan Rappen: Wir haben in den letzten Jahren viel dafür getan, der WIK ein Gesicht zu geben. Intern haben sich Arbeitskreise gebildet, die sich mit den drängenden Themen wie der Stellplatzsatzung, den Kölner Perspektiven oder dem kooperativen Baulandmodell beschäftigt haben. Das wird jetzt fortgeführt. Der Dialog untereinander ist intensiv, dafür sorgen allein die zahlreichen Netzwerkveranstaltungen in der Immobilienwirtschaft.
Baudezernent Markus Greitemann sowie Stadtentwicklungsdezernent Andree Haack haben sich immer dafür ausgesprochen, dass Köln weiterwachsen soll. Sehen Sie angesichts der Flächenausweisungen diesen Anspruch bestätigt?
Holger Coers: Wir wissen aus vielen Gesprächen, dass sowohl Herr Greitemann als auch Herr Haack gesprächsbereit sind. Das nutzt nur herzlich wenig, wenn die Politik in Teilen schon fast dogmatisch verkündet, Köln sei zu Ende gebaut. Dabei sorgen neue Wohnquartiere nicht nur für eine bessere Ökobilanz als Bestandsimmobilien, neue Quartiere bedeuten in der Regel auch neue Schulen, neue Kindertagesstätten und neue Grünflächen. Dieser Zusammenhang wird auch in der Politik oft unterschätzt.
Stefan Rappen: Vertreter der Stadt haben schon selbst mehrfach öffentlich gesagt, dass die Ausweisung von Flächen weder im Gewerbe- noch im Wohnbereich ausreicht, um den Traum von der wachsenden Stadt zu realisieren. Mit der fehlenden Ausweisung von Flächen im Regionalplan hat Politik bisher eine Chance vertan, dieser Zielsetzung nahezukommen. Erst wenn es einen nachhaltigen kommunalen Konsens für eine wachsende Stadt gibt, besteht eine Aussicht, dass sich etwas ändert. Hier muss die Stadtgesellschaft ein klares Statement abgeben: Stillstand oder Wachstum!
Petra Edelbluth: Wir brauchen dringend mehr Wohnraum in Köln, um insbesondere junge Menschen und Familien in der Stadt zu halten bzw. diesen den Zuzug zu ermöglichen. Nur so gewährleisten wir eine wachsende Stadt, die sowohl attraktiver Unternehmensstandort als auch attraktiver Wohnort ist. Um diese Ziele zu erreichen, braucht es auch ein engeres Zusammenwirken mit anderen Akteuren der Wohnungswirtschaft wie beispielsweise Haus und Grund, dem BFW NRW, Köln AG und dem Mieterverein. Auch die Industrie- und Handelskammer hat ein großes Interesse daran, dass den Mitarbeitenden in der Wirtschaft bezahlbarer Wohnraum zur Verfügung steht.
Die Klimadebatte ist speziell in Städten mit aufgeheizten Sommern nicht mehr wegzudiskutieren. Wie kann man dafür sorgen, dass Wohnen und Gewerbe nicht gegen den Umweltschutz stehen?
Petra Edelbluth: Um Wohnen und Gewerbe im Einklang mit dem Umweltschutz zu gestalten, bedarf es eines ganzheitlichen Ansatzes, der ökologische, soziale und wirtschaftliche Interessen miteinander verbindet. Nachhaltige Stadtplanung, Energieeffizienz und umweltfreundliche Mobilität spielen dabei eine zentrale Rolle. Wenn diese Maßnahmen konsequent umgesetzt werden, können sich Wohnen, Gewerbe und Umweltschutz gegenseitig stärken, statt im Widerspruch zueinander zu stehen.
Intelligent und kostengünstig bauen
Holger Coers: Viele Menschen wissen nicht, dass zentrale Aspekte wie nachhaltige Stadtplanung, Nutzung erneuerbarer Energien, Starkregenereignisse oder Mobilitätskonzepte bereits in der Planung eines jeden neuen Wohnquartiers eine gravierende Rolle spielen. Damit erfüllen wir als Projektentwickler zum einen Auflagen der Kommune, zum anderen sorgen wir schon im Eigeninteresse dafür, dass wir ein attraktives Produkt zu verkaufen haben.
Kann man intelligent und gleichzeitig kostengünstig bauen?
Petra Edelbluth: Die Immobilienwirtschaft fordert, die Flut an Normen und Regelungen für den Wohnungsbau zu vereinfachen. Diese sich teilweise wiedersprechenden Regelungen oder reinen Komfortstandards machen das Bauen kompliziert und teuer. Die Vereinfachung würde sicherstellen, dass wichtige statische und brandschutztechnische Aspekte weiterhin berücksichtigt werden, während die Baukosten gesenkt werden und der bürokratische Aufwand reduziert wird. Dabei drängt sich allerdings auch der Eindruck auf, dass Richtlinien mittlerweile vor allem den Absatz von Produkten der Baustoffindustrie sichern sollen.
Stefan Rappen: Unabhängig von der Art und Weise wie gebaut wird, kann auch der Staat viel dafür tun, den Wohnungsbau zu stärken. So könnte die Abzugsfähigkeit von Zinsen beim Eigentumserwerb beschlossen oder die Grunderwerbssteuer gesenkt werden. Damit würde der Staat insbesondere die Mittelschicht unterstützen. Im lokalen Raum können Behörden durch die Beschleunigung von Genehmigungsprozessen viel dafür tun, Bauen zu erleichtern.
Transparente Planverfahren bei der Stadt
Was erwarten Sie speziell von der Kölner Politik?
Holger Coers: Wir wünschen uns außerdem eine transparente Priorisierung von Planverfahren, auch um für Projektentwickler eine zeitgerechte Disposition bei neuen Vorhaben zu ermöglichen. Eine verbesserte Transparenz beim Verkauf von städtischen Grundstücken, sowohl in Bezug auf die Preisgestaltung als auch bezüglich der Auswahl möglicher Käufer, ist ebenfalls nötig.
Petra Edelbluth: Damit ein Dialog zwischen Politik und WIK funktioniert, braucht es mehr Transparenz und verlässliche Entscheidungen in der Gesamtheit der Abstimmungsprozesse. Zusagen zu Beginn müssen auch am Ende des Prozesses noch Bestand haben. Kölner Politik muss sich auch intensiver als bisher mit den aktuellen wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhängen in der Wohnungswirtschaft auseinandersetzen, damit Fehlplanungen vermieden und Kurskorrekturen zügig umgesetzt werden können, wie etwa die Forderung nach kostentreibenden Auflagen und Vorgaben für Bauplanungen aufzugeben.
Fühlen Sie sich in der Kölner Politik ausreichend gehört?
Holger Coers: Sagen wir es mal so: Die soziale und wirtschaftliche Bedeutung des Wohnungsbaus wird in Köln von vielen unterschätzt. Ein weniger schönes Beispiel dafür ist das Programm zur Stärkung des Wohnungsbaus, für das offenbar derzeit kein breiter Konsens innerhalb der Parteien zu finden ist. Die ohnehin schmale Vorlage mit Maßnahmen zur Stärkung des Wohnungsbaus ist seit geraumer Zeit von der Agenda des Rates verschwunden. Letztlich geht es um die Kernfrage: Will die Stadt Köln stärker die Bestandsinteressen wahren oder möchte sie sich als wachsende Stadt in eine moderne Zukunft entwickeln?
Intensiver Dialog mit der Politik
Petra Edelbluth: Gehört werden wir – das ist eine positive Entwicklung in der Zusammenarbeit mit der Verwaltung – zunehmend in der Wohnungsbauleitstelle der Stadt. Werden dort die Kompetenzen und Zuständigkeiten noch weiter gestärkt, werden wir unserem Ziel einer besseren Abstimmung und Kommunikation in den Bauvorhaben deutlich näherkommen.
Stefan Rappen: Wir wünschen uns grundsätzlich, dass Politik und Verwaltung mit uns noch intensiver als bisher in den Dialog treten – das gilt nicht nur für den Klimaschutz, sondern für alle Faktoren rund um den Wohnungsbau. Wir können dazu beitragen, dass politische und fachliche Entscheidungsprozesse in der politischen Diskussion beschleunigt reduziert werden.