Olaf Scholz zeigte sich angriffslustig und kompetent, während Habeck zurückhaltend blieb, Merz staatsmännisch wirkte und Weidel wenigen Fragen auswich.
Der große Redaktions-CheckSo haben sich die vier Kanzlerkandidaten beim ersten „Quadrell“ geschlagen
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Lebhafte Diskussion beim RTL-„Quadrell“ am Sonntagabend: Olaf Scholz, Robert Habeck, Friedrich Merz und Alice Weidel (von links). dpa
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Es war eine Premiere im Bundestagswahlkampf: Zum ersten Mal trafen am Sonntagabend vier Kanzlerkandidaten in einem direkten Schlagabtausch live im Fernsehen aufeinander. In 120 Minuten erlebten die Zuschauer bei ntv und RTL Robert Habeck (Grüne), Friedrich Merz (CDU), Olaf Scholz (SPD) und Alice Weidel (AfD) im Vergleich. Die Moderatoren Günther Jauch und Pinar Atalay befragten sie zu den Themen Migration, Wirtschaft und Soziales. Besonders in den Schnellfragerunden gab es Überraschungen. Die Erkenntnisse:
Scholz gibt noch nicht auf
Der Kanzler im Umfragetief mit seiner SPD warf alles in die Waagschale. Olaf Scholz war nicht wie sonst zurückgenommen, sondern angriffslustig und sicher in den Themen. Er sicherte sich die längste Redezeit, attackierte insbesondere Alice Weidel scharf und konnte bei den Themen Rente und Finanzen punkten. Sein humorvoll platzierter Schlüsselsatz des Abends: „Die Sozialdemokraten haben das preiswerteste Programm.“ Als Weidel unterstellte, seine Regierung mache Politik gegen die Bevölkerung, schien Scholz um Beherrschung zu ringen. Der Kanzler in Aufruhr – das hat man bisher selten erlebt.
Habeck bleibt in der Defensive
Der grüne Kanzlerkandidat ließ die Chance verstreichen, eigene Themen wie Klimaschutz und Energiewende zu setzen. Als es um Steuerentlastungen ging, sagte Habeck, er wolle „sich nicht in Details verzetteln“. Einen guten Punkt machte er mit dem Hinweis, dass die Debatte doch „schräg sei“. Es müssten sich diejenigen in der Runde rechtfertigen, die Reiche stärker besteuern wollen (Grüne und SPD) anstatt diejenigen, die das nicht tun wollten (CDU und AfD).
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Habeck wirkte zunächst am lockersten, allerdings auch am wenigsten kämpferisch. Mehrfach gefielen ihm die Fragen nicht, das wirkte unsouverän. Etwa, als Atalay wissen wollte, ob eine Koalition mit den Grünen auch ohne ihn denkbar wäre, wenn die Union ihn „schwierig“ fände. Habeck wirkte eingeschnappt. „Was ist denn das für eine komische Frage?“
Weidel verweigert Antworten
Die AfD-Kandidatin versuchte immer wieder die Botschaft zu platzieren, dass Friedrich Merz mit SPD oder Grünen als Koalitionspartner sowieso keinen Politikwechsel hinkriegen werde. Bei unbequemen Fragen folgte Weidel der bekannten Strategie, einfach nicht zu antworten. Als Scholz und Merz ihre Partei als „rechtsradikal“ bezeichneten, kritisierte sie das als „unverschämtes Framing“. Als sie von Jauch gefragt wurde, ob sie die NS-Vergangenheit wie ihr Ehrenvorsitzender Alexander Gauland als „Vogelschiss“ bezeichnen würde, beantwortete sie die Frage nicht. Das müsse er Gauland fragen.
Auf die Frage, wie sie die mehr als 100 Milliarden Euro finanzieren werde, die die von der AfD geplanten Entlastungen in den Bundeshaushalt reißen würden, nannte Weidel die Streichung von Subventionen und Bürgergeld-Zahlungen an Ausländer. „Da käme was zusammen.“ Durchrechnen wollte sie das vor laufenden Kameras nicht.
Merz gibt den Staatsmann
Die Erwartung war wohl, dass Friedrich Merz besonders hitzig auftreten würde. Doch das Gegenteil war der Fall. Über die gesamte erste Sendezeit lag er beim Redeanteil deutlich zurück. Zur Migration fasste er sich kurz, den Schwerpunkt wollte er erkennbar auf andere Themen legen. Sein schärfster Moment: Als er Weidel direkt ansprach und ihr vorwarf, den Thüringer Parteichef und AfD-Rechtsaußen Björn Höcke zu adeln, indem sie ihn jüngst als Kabinettsmitglied in Erwägung zog. „Das zeigt, welches Geistes Kind Sie sind.“
Als Weidel bedauerte, dass Deutschland sich das Misstrauen Russlands zugezogen habe und nicht mehr als neutraler Vermittler infrage komme, reagierte Merz mit einem klaren Bekenntnis. „Wir sind nicht neutral. Wir stehen nicht dazwischen, wir sind auf der Seite der Ukraine.“ Er nutzte die Gelegenheit, sich mit dem Bekenntnis zum von Russland angegriffenen Land entschieden von der AfD abzugrenzen.
Die überraschendsten Momente
Neben den Differenzen bei den großen Themen förderte das „Quadrell“ noch einige Positionen ans Licht, die noch nicht so bekannt waren. In einer Schnellfragerunde mit kurzen Antworten zum Beispiel die Klarheit, dass Alice Weidel und Friedrich Merz ein Handyverbot an Schulen (Merz nur an Grundschulen) befürworten, Habeck und Scholz aber nicht. Nach der Beantwortung der Frage, ob Opposition oder Dschungel-Camp schlimmer sei, wissen wir nun auch, dass der amtierende Kanzler bei der RTL-Sendung schon einmal eingeschaltet hat. Das hätte man Olaf Scholz vielleicht am wenigsten zugetraut. Alle waren sich aber einig, dass sie sich lieber in der Opposition als im Camp aufhalten würden. Habeck schüttelte nur den Kopf über die Frage.
Die Quiz-Frage zum Schluss
Günther Jauch wechselte gegen Ende der Sendung kurz in den „Wer wird Millionär“-Modus. Die vier Kanzlerkandidaten sollten raten, wie viel Prozent der Beamten bis zum Renteneintrittsalter arbeiten: 20, 40, 60 oder 80 Prozent. Die richtige Antwort ist 20 Prozent – und Scholz lag als einziger richtig.