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Rundschau-Debatte des TagesWann stoppt die Abwärtsspirale im Bau?

Lesezeit 6 Minuten
Die Corona-Pandemie und der Krieg in der Ukraine haben die Lage beim Wohnungsbau weiter angeheizt.

Die Corona-Pandemie und der Krieg in der Ukraine haben die Lage beim Wohnungsbau weiter angeheizt.

Beim Wohnungsbau geht es seit der Zinswende vor zwei Jahren bergab. Doch manche sehen einen ersten Silberstreif am Horizont. Für Zuversicht sorgt auch ein Blick in die USA.

Beim Bau ist die Lage vor zwei Jahren quasi über Nacht gekippt: Aus einem jahrelangen Hype mit immer höheren Immobilienpreisen wurde plötzlich eine Krise, die in eine Pleitewelle mündete. Wie konnte das passieren, und wann wird es wieder besser? Die wichtigsten Fragen und Antworten:

Wie heftig ist die aktuelle Krise tatsächlich?

Den jüngsten Tiefstand vermeldete das Münchner Ifo-Institut kürzlich: Das Geschäftsklima im Wohnungsbau stürzte auf minus 61,9 Punkte. Mehr als jedes zweite Bauunternehmen kämpft mit der Krise und hat nicht genug Aufträge. „Und der Wohnungsbau sieht derzeit nirgendwo einen Hoffnungsschimmer“, sagte der Leiter der Ifo-Umfragen, Klaus Wohlrabe. Es wird immer weniger genehmigt und immer mehr storniert. Zwar versuchen Unternehmen, billiger zu bauen und so mehr Aufträge an Land zu ziehen. Einstige Immobilien-Riesen wie Vonovia wiederum haben ihre Bautätigkeit eingefroren.

Der Zentralverband des deutschen Baugewerbes (ZDB) warnt bereits vor einem noch drastischeren Einbruch beim Wohnungsbau. „Wenn sich an den Rahmenbedingungen nichts Grundsätzliches ändert, könnte die Anzahl neuer Wohnungen schon 2025 unter 200000 fallen“, sagte ZDB-Hauptgeschäftsführer Felix Pakleppa im Gespräch mit unserer Redaktion. In diesem Jahr gehe die Branche von rund 235000 fertiggestellten Wohnungen aus, das wären rund 25000 weniger als im Vorjahr. Das Ziel der Bundesregierung beim Amtsantritt waren 400000 neue Wohnungen pro Jahr.

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Woran liegen die Probleme beim Wohnungsbau?

Rund 15 Jahre lang sind die Immobilienpreise immer weiter in teils astronomische Höhen geklettert, weil Käufer dank niedrigster Zinsen an billige Kredite kamen. Als infolge des Ukraine-Krieges und der explodierten Energiekosten die Inflation davon galoppierte, drehten die Zentralbanken kräftig an der Zinsschraube. Das katapultierte auch die Bauzinsen in die Höhe. Schon vorher hatte die Corona-Pandemie Lieferketten reißen lassen, aber auch aus anderen Gründen stiegen die Rohstoffpreise enorm. Stahlbeton ist fast doppelt so teuer wie vor drei Jahren, aber auch die Preise für Holz, Zement oder gebrannten Gips zogen drastisch an. Eine dritte Ursache ist die restriktive Ausweisung von Bauland. In den zurückliegenden neun Jahren sei Bauland deswegen um 85 Prozent teurer geworden, heißt es in einer aktuellen Analyse für die Friedrich-Naumann-Stiftung.

Die Branche selbst sieht in „sich ständig verändernden und verschärfenden Bauvorschriften“ eine vierte Ursache für die Krise, wie es in ihrem Zentralorgan „Baugewerbe“ heißt. Als eine Art Brandbeschleuniger wirkt sich zudem der Fachkräftemangel in den Planungsbüros und auf den Baustellen aus.

Was unternimmt die Politik in der gegenwärtigen Situation?

Gegen hohe Zinsen und Rohstoffpreise ist die Politik weitgehend machtlos. Forderungen etwa vom Wirtschaftsflügel der Union, Baumaterialien und -Leistungen geringer zu besteuern, lehnt die Ampel unter Verweis auf die schon jetzt riesigen Haushaltslöcher ab.

Immerhin wurden im kürzlich verabschiedeten Wachstumschancengesetz die Abschreibungsmöglichkeiten vereinfacht und ausgeweitet. Die sogenannte degressive Abschreibung werde den Anreiz bei Kapitalanlegern erhöhen, in den Wohnungsbau zu investieren, sagte ZDB-Chef Pakleppa. Dank dieses Instruments wird der Abschreibungsbetrag von Firmen anhand eines festen Prozentsatzes taxiert. Nur im ersten Jahr sind die Anschaffungskosten Grundlage für die Berechnung, in den Folgejahren dann nur noch der Restbuchwert. Der Betrag sinkt also mit jedem Jahr.

Der ohnehin eher schmale Etat von Bauministerin Klara Geywitz (SPD) schrumpfte allerdings in diesem Jahr um 600 Millionen auf 6,73 Milliarden Euro zusammen, und ein Drittel geht für Wohngeld drauf. Den Neubau fördert das Ministerium etwa durch das Baukindergeld im Volumen von 720 Millionen Euro, Prämien für den Wohnungsbau wurden auf 200 Millionen Euro aufgestockt. Für eine Trend-Umkehr ist das indes viel zu wenig, zumal die meisten Auftraggeber keine großen Wohnungsbaugesellschaften, sondern Privatleute sind.

Welche weiteren Ideen gibt es?

Bundeskanzler Olaf Scholz überraschte vor wenigen Tagen mit dem Vorstoß, ganze Stadtviertel aus dem Boden zu stampfen. „Wir brauchen in Deutschland noch 20 neue Stadtteile in den großen Städten auf der grünen Wiese“, sagte er kurz vor Ostern in Berlin. „Man muss sich von bestimmten Reserviertheiten in dieser Frage lösen.“ Für eine „Verdichtung“ in den Städten, also mehr Hochhäuser, wirbt Scholz schon eine Weile. Baugewerbe-Chef Felix Pakleppa sieht das ähnlich, betont aber noch eine weitere Notwendigkeit: „Genauso wichtig ist die Frage, was wir mit verödenden Ortskernen machen. Wir sehen im ländlichen Raum überall, dass dort vielerorts Leerstand herrscht, die Baugebiete aber trotzdem alle außerhalb liegen. Das kann so nicht bleiben.“

Der Kanzler will zudem die Bürokratie abbauen. „Wir müssen uns eingestehen, dass wir über die Jahre hinweg ein nicht administrierbares Recht geschaffen haben“, räumte Scholz ein. So brauche es viel zu viele Gutachten, bevor Neubauten entstehen könnten. Allerdings kommt Scholz' „Deutschlandpakt gegen Bürokratie und langatmige Genehmigungsprozesse“ nicht recht voran. Erst in einem halben Jahr wollen sich Bund und Länder dazu treffen.

Schneller ist das eine, billiger das andere. Kostensenkungen von bis zu 20 Prozent sollen nach dem Wunsch von Bauministerin Geywitz durch sogenanntes serielles Bauen ermöglicht werden, also mehr vom Gleichen statt individuelle Häuser. Manch einer spricht sich auch für die „Rückkehr der Platte“ aus, also Hochhäuser aus Fertigbauteilen wie in der DDR.

Wann ist die Krise endlich vorbei?

Die Branche selbst bleibt pessimistisch. Ein paar Anzeichen auf eine Belebung der Baukrise gibt es aber schon. „Die Baupreise gehen zurück, die Zinsen sinken und die Anzahl der Hypotheken-Darlehen wird wieder deutlich steigen“, erklärte Bauministerin Geywitz unlängst im Bundestag.

Auch die Wirtschaftsforschungsinstitute, die ihre gemeinsame Konjunkturprognose gerade deutlich nach unten korrigiert haben, sehen für die Baubranche nicht mehr ganz so schwarz, sondern halten einen Aufwind in der zweiten Jahreshälfte für möglich.

Grund für zumindest verhaltenen Optimismus gibt ein Blick in die USA: Dort zeigen inzwischen fast alle Indikatoren nach oben. Nicht nur die Zahl der Genehmigungen legte im Februar überraschend stark zu, auch die Zahl neuer Baustellen wuchs kräftiger als erwartet. Als einer der wichtigsten Gründe werden die sinkenden Zinsen ausgemacht. Und die sind auch hierzulande wohl bald zu erwarten.


Wohnungsnot

9,5Millionen Menschen leben in Deutschland in überfüllten Wohnungen, wie aus einer Antwort des Statistischen Bundesamtes auf eine Anfrage der Bundestagsabgeordneten Sahra Wagenknecht (BSW) hervorgeht, aus der das Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) zitierte. Die Wohnungsnot betrifft damit 11,3 Prozent der Bevölkerung. Als überbelegt definiert das Statistische Bundesamt eine Wohnung, wenn der Haushalt im Verhältnis zur Zahl seiner Mitglieder zu wenige Zimmer hat. Im Vergleich zum Vorjahr 2022 hat sich die Lage den Angaben nach 2023 leicht verschlechtert. 2022 seien noch 11,2 Prozent der Menschen betroffen gewesen, hieß es. 2021 seien es 10,6 Prozent gewesen. (afp)

Was meinen Sie? Welche Maßnahmen wären gegen die Krise beim Bau nötig? Bitte schreiben Sie uns:

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