AboAbonnieren

Rundschau-DebatteKommt vor der Wahl noch Hilfe für die Autobranche?

Lesezeit 5 Minuten
Wolfsburg: Ein Volkswagen Tiguan (l) und ein Volkswagen ID.7 (r) werden bei einem Fototermin in einem der beiden Autotürme der Volkswagen Autostadt aus Boxen gehoben. 

Ein Volkswagen Tiguan (l) und ein Volkswagen ID.7 (r) in einem der beiden Autotürme der Volkswagen Autostadt

Trotz der Regierungskrise in Deutschland plant Noch-Kanzler Scholz Wirtschaftsmaßnahmen zur Unterstützung der schwächelnden Autoindustrie. Obwohl Einigkeit darüber besteht, ist ihre Umsetzung weiterhin unsicher.

Am Abend, an dem die Ampel krachend auseinanderflog, hätte es im Koalitionsausschuss eigentlich auch um ein 400 Millionen Euro schweres Paket zur Unterstützung der schwächelnden Autoindustrie gehen sollen. Es kam bekanntlich anders. Aber auch nach dem Regierungs-Crash betonte Noch-Kanzler Olaf Scholz mehrfach, dringliche Beschlüsse zur Stärkung der Wirtschaft und zur Unterstützung der deutschen Autohersteller noch vor der Bundestagswahl am 23. Februar angehen zu wollen. Kann die Autobranche noch auf schnelle Maßnahmen hoffen? Ein Überblick:

Das Scholz-Papier

Das Dokument mit dem Titel „Agenda für Wirtschaftswachstum und Arbeitsplätze“, das der Kanzler am 6. November in den Verhandlungen präsentiert hatte, knüpft zur Stärkung der Industrie an die Forderungen an, die vor einigen Wochen schon der SPD-Fraktionsvorstand aufgestellt hatte. Es geht zum einen um die Netzentgelte auf den Strompreis, zum anderen um die Förderung der Elektromobilität.

Konkret will der Kanzler mit einem Bundeszuschuss von 1,3 Milliarden Euro die Übertragungsnetzentgelte auf dem aktuellen Niveau einfrieren. Zudem soll die Strompreiskompensation, mit der energieintensive Unternehmen die Kosten für CO₂-Zertifikate ersetzt bekommen, auf weitere Branchen wie die Glas- und die Batteriezellenproduktion ausgeweitet werden. Auch der Kreis der Unternehmen, die nur reduzierte Netzentgelte zahlen müssen, soll erweitert werden.

Einige der Vorhaben befinden sich derzeit im parlamentarischen Verfahren. So soll etwa die derzeit noch bis Ende 2025 geltende Reduzierung der Stromsteuer im produzierenden Gewerbe auf den EU-Mindestsatz von 0,50 Euro pro Megawattstunde komplett entfristet werden. Hierfür gebe es nach Regierungsangaben zumindest schon die Zustimmung des Finanzausschusses des Bundestags. Ob und wann diese Entwürfe im Plenum noch auf den Tisch kommen, ist allerdings unklar. Tagesordnungen für die kommenden Sitzungswochen liegen noch nicht vor.

Die E-Auto-Förderung

Derzeit sind E-Autos für einen Zeitraum von – theoretisch – bis zu zehn Jahren von der Kfz-Steuer befreit. Diese Regelung gilt bislang allerdings nur noch für die Anschaffung eines Stromers bis Ende 2025; die Steuerbefreiung wird nur noch bis Ende 2030 gewährt. Beide Fristen sollten laut dem Agenda-Papier um jeweils fünf Jahre verlängert werden – wer sich also im kommenden Jahr ein Elektroauto kauft, könnte die zehnjährige Steuerbefreiung fast komplett ausnutzen. Auch hier ist unklar, ob der Vorschlag noch vor der Wahl auf den Weg gebracht wird. Die Bundesregierung weist auf Nachfrage darauf hin, dass das Scholz-Papier „nicht Grundlage des Regierungshandelns“ sei.

Die Kaufprämie

Der Ruf nach einer Neuauflage eines staatlichen Zuschusses beim E-Auto-Kauf war zuletzt von vielen Seiten zu hören. SPD-Politiker brachten eine Art Abwrackprämie ins Spiel, Europaparlamentarier der CDU einen Leasingzuschuss für Geringverdiener, wie er etwa in Frankreich gezahlt wird. Auch CSU-Chef Markus Söder sprach sich für eine Prämie aus – unter der Voraussetzung, dass diese vor allem den deutschen Herstellern zugutekomme, was EU-rechtlich allerdings nur schwer umzusetzen wäre.

Der CDU-Vorsitzende und Unions-Kanzlerkandidat Friedrich Merz hingegen betonte mehrfach, nichts von einer Kaufprämie zu halten. Besonders realistisch ist ein neues Förderkonzept angesichts des knappen Zeitfensters bis zur Wahl ohnehin nicht. Im Scholz-Papier wird eine solche Prämie nicht explizit erwähnt, und es werde derzeit auch nicht an einer solchen gearbeitet, teilte ein Regierungssprecher auf Anfrage mit.

Die CO₂-Strafen

Im kommenden Jahr sinken die EU-Grenzwerte, die Autobauer beim CO₂-Ausstoß ihrer Neufahrzeugflotten einhalten müssen, deutlich – und da die E-Auto-Verkaufszahlen nicht ausreichen, um die Emissionen der Gesamtflotten zu drücken, drohen den Herstellern hohe Strafzahlungen. Die EU will dieses Konzept planmäßig 2026 einer Revision unterziehen; der Branchenverband VDA und die Union fordern seit Wochen, diese auf 2025 vorzuziehen.

Das Ziel ist klar: Die Grenzwertregelung soll aufgeweicht oder zumindest herausgeschoben werden. Auch Scholz und Wirtschaftsminister Robert Habeck sprachen sich zuletzt für „Flexibilisierungen“ der Regelung aus; Scholz kündigte an, bei der EU auf eine Aussetzung der Strafen hinwirken zu wollen. In diesem Punkt sind sich die Rest-Ampel und die Union also durchaus einig – was im parlamentarischen Geschäft aber kaum eine Rolle spielen wird, denn eine Entscheidung über die Grenzwertregel wird in Brüssel getroffen, nicht in Berlin.

Und was sagt die Opposition?

Zwar hatte Merz in den vergangenen Monaten der strauchelnden Ampelkoalition mehrfach öffentlichkeitswirksam die Hilfe der Union angeboten. In der nun angebrochenen Wahlkampfphase klingt er weit zurückhaltender: „Es geht noch ein bisschen, aber sehr viel wird in dieser Wahlperiode nicht mehr passieren“, sagte der CDU-Politiker in dieser Woche im Deutschlandfunk. Zu den Entlastungsplänen bei den Stromkosten etwa, bei denen Wirtschaftsminister Habeck noch vor wenigen Tagen eine rasche Einigung mit der Opposition anmahnte, sagte Merz, die Union wolle sich die „vorurteilsfrei“ anschauen – „aber ob das tatsächlich möglich ist, daran habe ich Zweifel“.

Ähnlich äußerte sich CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann. „Es bringt nichts, einen Mosaikstein zu verabschieden, wenn eigentlich ein umfassender Kurswechsel nötig ist“, sagte er im Gespräch mit unserer Redaktion. Hinter vorgehaltener Hand formulierte ein anderes CDU-Schwergewicht es indes deutlicher: „Wir werden uns nicht mehr mit Scholz und Habeck an einen Tisch setzen.“

Rechnerisch könnte nach wie vor die Ex-Regierungspartei FDP als Zünglein an der Waage fungieren, zumal bei Themen, die noch gemeinsam mit SPD und Grünen angestoßen worden waren. Aber auch die Liberalen üben sich in vornehmer Zurückhaltung: „Die FDP wird Vorschläge der demokratischen Mitte danach bewerten, ob sie unserem Land und der Wirtschaft dienen“, teilt Fraktionsvize Lukas Köhler auf Anfrage mit. Entscheidend sei, „dass die Maßnahmen die Wirtschaftswende einleiten und solide finanziert“ seien – etwa die Stromsteuersenkung, die „beispielsweise durch den Abbau ineffizienter Subventionen“ aufgefangen werden müsse.

„Ein Vorschlag, der diesen Ansprüchen genügt, liegt bisher nicht auf dem Tisch“, sagt Köhler. Und: Bis zur Wahl werde „die FDP keine politischen Schnellschüsse mitmachen und durch große Ausgaben den Handlungsspielraum der nächsten Regierung einschränken“.