Die Conference of the Parties (COP) könnte als sinnloser „Greenwashing“-Gipfel in die Geschichte eingehen oder einen echten Durchbruch bringen. Ein Überblick
Fragen und Antworten zum COP28Ist der Klimagipfel in Dubai Fortschritt oder Augenwischerei?
Der an diesem Donnerstag in Dubai beginnende Klimagipfel soll endlich den Durchbruch im Kampf gegen die Erderwärmung bringen. Die Europäer wollen durchsetzen, dass sich die Staatengemeinschaft ausgerechnet am Persischen Golf auf den Ausstieg aus Kohle, Öl und Gas einigt. „Ich glaube, die Chancen, dass dies klappt, sind gestiegen“, sagte Deutschlands Klimaschutz-Sonderbeauftragte Jennifer Morgan kürzlich im Gespräch mit unserer Redaktion.
Die Conference of the Parties (COP) kann aber auch als sinnloser „Greenwashing“-Gipfel in die Geschichte eingehen – also als gigantischer Versuch der globalen Gas- und Öl-Lobbyisten, sich als umweltfreundlich darzustellen, ohne ernsthaft etwas dafür zu tun. Zu ihnen gehört auch Gastgeber Sultan Ahmed al-Dschaber, Boss des größten Energiekonzerns der Vereinigten Arabischen Emirate. Sie singen das Hohelied der „neuen Technologien“ wie Direct Air Capture (DAC), mit denen der Atmosphäre CO2 entzogen werden kann. Vereinfacht gesagt: Sie wollen mit CO2- Staubsaugern das Petro-Business retten.
Was sagen die Temperaturen über den Stand des Klimawandels?
Laut dem aktuellen Bericht des UN-Umweltprogramms steuert die Welt bis Ende des Jahrhunderts auf eine Erwärmung um 2,5 bis 2,9 Grad zu. Und das auch nur dann, wenn wirklich alle bisher zugesagten Maßnahmen zur CO2-Reduzierung umgesetzt werden. In Deutschland ist es laut einem Dienstag vorgestellten Bericht des Umweltbundesamtes schon heute durchschnittlich 1,7 Grad wärmer als zu Beginn der industriellen Revolution. In diesem Oktober war es sogar 3,7 Grad wärmer als vor 150 Jahren. Und die Erderwärmung beschleunigt sich. Nach Berechnungen des Umweltbundesamtes verliert Deutschland schon jetzt durch die gestiegenen Temperaturen jährlich 2,5 Kubikkilometer Wasser. Wälder und Feuchtgebiete leiden. Die Kosten des Extremwetters seit 2018: 80 Milliarden Euro pro Jahr.
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Ist das Paris-Ziel, die Erderwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen, erledigt?
Das Paris-Ziel sei „überhaupt nicht mehr zu erreichen“, sagt der renommierte Hamburger Klimaforscher Mojib Latif, Präsident der Deutschen Gesellschaft des Club of Rome. Weltweit liegen die Temperaturen schon 1,2 Grad höher. Die 1,5 Grad als quasi magische Grenze seien problematisch, weil sie Panik erzeuge, sagt Laitf. Dabei gehe die Welt auch bei einem deutlicheren Temperaturanstieg nicht unter. Aber: Die schon jetzt dokumentierte Häufung an Dürren, Hitzewellen, Überflutungen und Stürmen werde weiter zunehmen, „so sicher wie das Amen in der Kirche“.
Was kommt im besten Fall bei der COP28 in Dubai heraus?
Die EU reist mit klaren Forderungen in die Emirate: Eine globale Verdreifachung der Erneuerbaren Energien binnen sechs Jahren und vor allem: ein Ausstieg aus den fossilen Energien im Stromsektor „im kommenden Jahrzehnt“ sowie „keine neue Kohle“. Jennifer Morgan, früher einmal Chefin von Greenpeace International, hält bedeutende Fortschritte in Dubai für möglich. „Klar wäre es einigen ölexportierenden Staaten lieber, weiterzumachen wie bisher“, sagte sie. Aber durch die Klimakrise habe für erste Staaten „der Überlebenskampf“ begonnen. „Deswegen ist der Wendepunkt erreicht. Die Dynamik ist nicht mehr zu stoppen.“
Um den Ausstieg aus Kohle, Öl und Gas zu forcieren, müsste aber der Druck auf zögerliche Staaten erhöht werden, da sind sich alle Experten einig. Klimaökonom Ottmar Edenhofer vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung fordert, die gigantischen Klima-Hilfen nur noch auszuzahlen, wenn die Empfängerländer eine CO2-Bepreisung einführen. Auch der Chef der Weltwetterorganisation (WMO), Petteri Taalas, verlangte vor dem Auftakt des Klimagipfels, klimaschädliche Produkte weltweit zu verteuern, um China, Indien und die USA unter Druck zu setzen.
Sind das auch realistische Erwartungen an den Klimagipfel?
Die Voraussetzungen könnten schwieriger nicht sein. Der Ukraine-Krieg und der Nahost-Krieg spalten die Weltgemeinschaft. Und ohne die USA läuft eigentlich nichts, denn das Land ist der größte Exporteur fossiler Brennstoffe. Aber Präsident Joe Biden traut sich nicht, das zu ändern. Er sagte seine Reise nach Dubai ab, weil er sich ganz auf den Nahost-Konflikt konzentrieren müsse.
Außerdem ist COP-Präsident al-Dschaber zugleich Industrieminister der Emirate und Chef der staatlichen Ölgesellschaft. Sein Staat erschließt derzeit gigantische neue Gasfelder, um sie noch jahrzehntelang auszubeuten. „Es ist im höchsten Maße problematisch, dass ein COP-Präsident so eng mit der fossilen Industrie verflochten ist“, sagt die Energieökonomin Claudia Kemfert vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) im Gespräch mit unserer Redaktion. Die COP werde deswegen keine echte, sondern „eine Greenwashing-Klima-Konferenz“. Statt einen Durchbruch erwartet Kemfert nur den kleinsten gemeinsamen Nenner, und der werde diesmal „so klein wie nie“.
Empört ist auch Greenpeace-Deutschland-Chef Martin Kaiser. Vertreter der Öl- und Gasindustrie hätten schon im Vorfeld klar gemacht, dass sie auch über 2050 hinaus Öl und Gas fördern wollen. „Wenn es nicht gelingt, den großen Emittenten von Treibhausgasen wie China und den USA etwas entgegenzusetzen, wird das eine einzige Greenwashing-Veranstaltung werden.“ Die Verfeuerung von Öl und Gas über das Jahr 2050 hinaus aber wäre eine Katastrophe für den Planeten, sagt er.
Was ist von den deutschen Teilnehmern zu erwarten?
Während US-Präsident Biden fernbleibt – ebenso wie krankheitsbedingt auch Papst Franziskus, der eigentlich als erstes katholisches Kirchenoberhaupt an der Weltklimakonferenz teilnehmen wollte –, fliegen aus Deutschland neben Kanzler Olaf Scholz die Ministerinnen Annalena Baerbock (Außen), Svenja Schulze (Entwicklung) und Steffi Lemke (Umwelt) sowie Klimaschutzminister Robert Habeck und Landwirtschaftsminister Cem Özdemir an den Persischen Golf, zudem Staatsministerin Morgan und mehr als 250 weitere Regierungsmitarbeiter. Mit Blick auf die CO2-Bilanz der Reisen und die womöglich dürftigen Ergebnisse sorgte das bereits vor Abflug für scharfe Kritik der CDU.
Aber selbst Gipfel-Kritikerin Kemfert sagt: „Diese Klimakonferenz ist vermutlich vergeudet. Dennoch ist es wichtig, dass sie stattfindet. Es müssen alle Anstrengungen unternommen werden, um globalen Klimaschutz voranzubringen.“ Und Greenpeace-Chef Kaiser drängt Scholz, sich in Dubai mit einer „Koalition der progressiven Länder“ den Öl- und Gas-Ländern entgegenzustellen und für konkrete Beschlüsse zu kämpfen.