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Besuch in BerlinScholz und Erdogan wollen Klartext reden

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Nicht unbedingt eine Männerfreundschaft: Olaf Scholz (links) und Recep Tayyip Erdogan

Nicht unbedingt eine Männerfreundschaft: Olaf Scholz (links) und Recep Tayyip Erdogan

Er werde in Berlin einiges richtigstellen, kündigte Erdogan mit Blick auf die deutsche Haltung zur Hamas an. Beobachter erwarten durchaus konfrontative Gespräche.

Nicht nur Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) will beim anstehenden Deutschland-Besuch von Recep Tayyip Erdogan am Freitag Klartext reden – auch der türkische Präsident hat das vor. Er werde in Berlin einiges richtigstellen, kündigte Erdogan mit Blick auf die deutsche Haltung zur Hamas an. Der Westen wolle, dass die Türkei die Palästinensergruppe als Terrororganisation einstufe, doch das werde er nicht mitmachen.

Experten erwarten deshalb eine „konfrontative Begegnung“. Beide Seiten wollen aber verhindern, dass der Streit über den Gaza-Krieg die deutsch-türkischen Beziehungen in eine neue Krise stürzt. Die Türkei schickt deshalb vor dem Erdogan-Besuch auch ein versöhnliches Signal an den Westen.

Erdogan hat die westlichen Partner mit seiner Parteinahme für die Hamas im Krieg gegen Israel verärgert. Der Staatschef wirft Israel vor, Kriegsverbrechen in Gaza zu begehen. Die Hamas ist für Erdogan dagegen „eine politische Partei, die eine Wahl gewonnen hat“, wie der Präsident vor einigen Tagen über den Sieg der Organisation im Gazastreifen im Jahr 2006 sagte.

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Die Regierung in Ankara hat enge Kontakte zur Hamas-Führung, deren Mitglieder eine Zeit lang in der Türkei lebten. Die EU und Israel seien sich in ihrer Einschätzung der Hamas einig, sagte Erdogan jetzt. „Aber wir denken nicht wie sie“, fügte er hinzu. „Nein, Freunde, das ist keine Terrororganisation.“

Erste Visite seit drei Jahren

Scholz weist solche Äußerungen als „absurd“ zurück. Erdogans erste Visite in Deutschland seit drei Jahren ist wegen des Gaza-Konflikts noch heikler als vergangene Besuche, bei denen es häufig Krach gab. Einen gemeinsamen Nenner werden beide in Berlin wohl kaum finden können. Erdogan werde auch auf die türkische Wählerschaft im Ausland blicken, nicht nur in Deutschland, sagte Religionswissenschaftler Hüseyin Cicek von der Universität Wien unserer Redaktion. Der Präsident wolle türkisch-islamischen Verbänden, die ihm gegenüber loyal seien, den Rücken stärken.

Selbst ohne den Gaza-Krieg stünden Scholz und Erdogan vor einem Berg ungelöster Probleme. Erdogan werde wohl seinen Vorwurf erneuern, dass Deutschland und die EU nicht genug gegen Terrorgruppen wie die kurdische PKK unternähmen, meint Cicek. „Das sind Gründe dafür, dass es eine konfrontative Begegnung werden kann.“

Auch Erdogans Widerstand gegen den Nato-Beitritt von Schweden, die Differenzen beim Ukraine-Krieg, bei dem die Türkei westliche Sanktionen gegen Russland ablehnt, der Anstieg türkischer Asylbewerberzahlen in Deutschland und türkische Beschwerden über Erschwernisse von Reisen in die EU gehören zu den Streitthemen.

Zumindest im Nato-Streit stellt Ankara vor dem Besuch eine Lösung in Aussicht. Am Donnerstag soll sich der Auswärtige Ausschuss des türkischen Parlaments mit Schwedens Aufnahmeantrag befassen. Damit rückt die Ratifizierung einen Schritt näher, auch wenn es keinen Termin für eine Schlussabstimmung gibt.

Erdogan hat ohnehin derzeit kein Interesse an einem tiefen Zerwürfnis mit Deutschland. Die Türkei hat Probleme in ihrer Beziehung zu den USA und braucht Stabilität im Verhältnis zu Europa. Staatsmedien hoben vor dem Besuch das Ziel der Regierung hervor, den Handel weiter auszubauen; die Bundesrepublik ist der größte Abnehmer türkischer Exporte. „So ganz ohne Trumpfkarten ist Scholz nicht“, sagt Cicek.

Auch Deutschland will keinen Bruch mit der Türkei. Bei aller Kritik an Erdogans Position im Gaza-Krieg hofft die Bundesregierung auf seine Hilfe bei der Freilassung westlicher Hamas-Geiseln. Die EU braucht zudem weiterhin die Mitarbeit der Türkei bei der Bewältigung des Flüchtlingsproblems in Europa.

Diese gemeinsamen Interessen dürften also eine große Kollision in Berlin verhindern: Scholz und Erdogan „werden sich davor hüten, alle Leichen aus dem Keller zu holen und dem jeweils anderen zu präsentieren“, erwartet Experte Cicek.