AboAbonnieren

Interview

Annette Frier zur neuen Comedy
„Man muss mehr aufpassen, und das ist gut“

Lesezeit 8 Minuten
Steht mittlerweile seit 30 Jahren vor der Kamera: Schauspielerin Annette Frier.

Steht mittlerweile seit 30 Jahren vor der Kamera: Schauspielerin Annette Frier.

Annette Frier spricht im Interview über Veränderungen im Comedy-Geschäft, das Älterwerden und das Lustige im Tragischen

Annette Frier wurde mit der „Wochenshow“ berühmt. Jetzt spielt sie in zwei neuen Filmen: „Merz gegen Merz – Geheimnisse“ und „So weit kommts noch!“. Mit Sara Streiter spricht sie über den Altersunterschied von Paaren, das Gute am Neid – und sie erklärt, warum ein Witz im Comedy-Business allein heute nicht mehr reicht.

Frau Frier, im September kommen gleich zwei neue Filme mit Ihnen ins Fernsehen. Fiebern Sie noch richtig darauf hin oder ist das mittlerweile etwas ganz Normales?

Es hat sich tatsächlich alles so ein bisschen verändert. Eine lineare Ausstrahlung ist nicht mehr das, was es einmal war. Wie zum Beispiel 2008, als wir „Danni Lowinski“ gedreht und auf eine Quote geguckt haben – in der Hoffnung, dass man eine zweite Staffel machen kann. Das ist gänzlich vorüber. Wer schaut denn noch linear? Die Einzige in meinem Umfeld ist wohl meine Mutter (lacht). Daher nehme ich die Möglichkeiten zur Entspannung wahr und es gibt außer Vorfreude keinen Grund zur Aufregung.

Im ersten Teil von „Merz gegen Merz“ verliebt sich Anne in den deutlich jüngeren Jonas. Was hat Sie daran gereizt, die Rolle einer älteren Partnerin zu spielen?

In erster Linie ist es schön, dass die Klischees mal umgedreht werden. Zum Beispiel redet keiner darüber, dass Christoph Maria Herbst älter ist als ich (lacht). Es macht mir einfach großen Spaß, auf so etwas hinzuweisen, weil wir uns da gesellschaftlich immer noch in ganz schön alten Mustern bewegen. Und auch der Geschichte tut es gut.

Haben Sie manchmal Angst davor, älter zu werden?

„Ich bin nicht alt genug, um alt zu sein, ich bin aber auch nicht mehr jung“, dieser Satz trifft meine Lebenssituation exakt. Dabei denke ich so oft: Ich habe ja gerade erst mit allem losgelegt, hey stopp, ich bin Berufsanfängerin! Die Zeit macht vor nichts halt, also auch nicht vor mir, und diese Tatsache muss ich mir – bildlich gesprochen – immer mal wieder in mein persönliches Regal einräumen. Wer keinen Respekt davor hat, älter zu werden, der weiß vermutlich nicht, was das wirklich bedeutet. Über mich kann man beispielsweise nicht mehr sagen: Sie ist viel zu jung gestorben.

Das mit dem Älterwerden nehmen Sie also mit Humor und Stolz?

Natürlich! Wir haben doch richtig Schwein gehabt! Allein die Möglichkeit, hier auf dem Planeten zu sein, ist so irrsinnig unwahrscheinlich und muss ja schon mal anerkannt werden. Dann auch noch die Gnade der Geburt, in Mitteleuropa zur Welt gekommen zu sein und nicht in unmenschlichen Verhältnissen. Das sind schon mal zwei Dinge, für die ich mich jeden Morgen beim Universum bedanken kann. Und dass beim Blick in den Spiegel manches nicht mehr so geil aussieht wie vor fünf Jahren – das verkrafte ich, ich kanns nicht anders sagen.

Was würden Sie Menschen raten, die sich ständig darüber ärgern, schon wieder ein Jahr älter zu sein, oder sich für ihr Alter schämen?

Ich bin kein guter Ratgeber, das wird auch in diesem Leben nichts mehr. Ich würde denen daher gar nichts sagen, aber wenn doch: Sei froh und dreh die Sache um. Als meine Kinder ganz klein waren und wir aus dem Krankenhaus nach Hause gekommen sind, da habe ich eine große Überforderung verspürt. Mit zwei frischgeborenen Zwillingen. Ich habe gedacht, das schaffe ich nie. Und dann habe ich mir kurzerhand die schlimmsten Szenarien ausgemalt.

Was für Szenarien?

Kein Witz: Ich hätte keine Milch, mein Mann wäre im Krieg oder gleich könnte Bombenalarm sein. Und nach etwa einer Minute ging es mir dann besser (lacht). Also hier doch mein Ratschlag: Relativierung. Diese Methode ist zugegeben etwas brachial, funktioniert allerdings umgehend.

Sie haben auf Instagram geschrieben: Kein Mensch will neidisch sein und trotzdem ist die ganze Welt voll davon. Wann sind Sie denn neidisch, Frau Frier?

Neid hat ja meist etwas mit der persönlichen Stimmung zu tun und wenig mit anderen Menschen. Man denkt zwar immer, man wäre auf andere Menschen neidisch, darunter liegt aber, dass man mit einer eigenen Situation unzufrieden ist. Und der Neid ist deswegen so brandgefährlich, weil er richtig schneidend ist. Dazu ist er noch von Scham begleitet und befindet sich in einer Tabuzone – über Neid wird ja auch nicht gesprochen.

Wie gehen Sie damit um, wenn Sie merken, dass Sie Ihrem Gegenüber gerade nicht das gegönnt haben, was Sie vielleicht sollten?

Dann halte ich im besten Fall kurz inne und stelle mir die Frage, ob ich überhaupt das Leben des anderen haben möchte. Ein Beispiel: Wenn ich neidisch bin, weil eine Kollegin eine tolle Rolle bekommen hat, dann hinterfrage ich, worauf ich genau neidisch bin. Oft komme ich dann zu dem Ergebnis, dass ich gar nicht die andere Person sein will. Obacht, schon wieder Ratgebermodus, aber das Beste, was man von Neid lernen kann, ist, dass man sich überlegen kann, welchen Teil man im eigenen Leben verändern möchte.

Also kann man aus Neid auch etwas für sich lernen?

Ja, ich glaube schon. Oft wollen wir uns damit selber etwas sagen. Meistens ist Neid ja nur ein vorübergehendes Gefühl. Wie ein gebratenes Hähnchen, das vorbeifliegt und das ich zwar gerne haben würde, aber nach fünf Minuten wieder vergesse. Und wenn es wirklich eine Sache ist, die ich gerne können würde, – hm, zum Beispiel Klavierspielen – tja, dann muss ich mich wohl hinsetzen und was dafür tun. Das ist doch wiederum eine Chance, die in meiner Hand liegt.

In „So weit kommts noch!“ geht es um eine Frau, die ihrem Mann ein Kleidungsstück zum Geburtstag schenken möchte. Darin findet sie einen Hilferuf aus Bangladesch. Das Thema scheint mir ernst, wie passt es also zu einer Komödie?

Um es mit Tschechow zu sagen: In einer guten Komödie steckt immer viel Drama und andersrum. Besser kann man es nicht beschreiben. Je größer der Konflikt, desto mehr Möglichkeiten gibt es, komisches Potenzial zu entdecken. Das erhöht wiederum die Wahrscheinlichkeit, dass es auch ein guter Film wird. Wenn nämlich alles grundsätzlich witzig ist, dann weiß ich nach zehn Minuten gar nicht mehr, worüber ich noch lachen soll. Ich spüre die Absicht und bin schon verstimmt.

Haben Sie nach den Dreharbeiten über Ihren eigenen Kleidungskonsum nachgedacht?

Da denken wir doch alle drüber nach! Es gibt Menschen, die machen eine Kreuzfahrt und haben die ganze Zeit den Gedanken, dass ein Wanderurlaub eigentlich vernünftiger wäre. Diese Widersprüche sind die Überschrift unserer Zeit. Und da wir uns jederzeit weltweites Wissen aneignen können, gibt es eigentlich auch keine Ausreden mehr. Das ist echt hart für die Menschheit. Eigentlich wissen wir alles besser und trotzdem leben wir in unglaublichen Widersprüchen. Und als Schauspielerin ist es meine Aufgabe, diese Widersprüchlichkeit im wahrsten Sinne des Wortes darzustellen.

Ich würde gerne noch einmal über das Comedy-Business sprechen. Wie ist das im Fernsehen, wenn man eine lockere Zunge hat? Muss man da heutzutage mehr aufpassen als noch vor zehn Jahren?

Ja, heute muss man mehr aufpassen und das finde ich auch gut. Früher war das Motto: Hauptsache witzig. Und jetzt: Witzig ist gut, gerne mit Botschaft. Das finde ich gerade deshalb folgerichtig, weil wir uns ja grundsätzlich – wie gerade besprochen – weiterentwickeln möchten. Und das betrifft natürlich auch die Comedy-Branche. Wie in jeder guten Bewegung gibt es auch hier ein paar Stilblüten, die, vorsichtig formuliert, etwas hysterisch sind. Und da darf jeder für sich eine Grenze ziehen, wo er oder sie sagt: Nein, diesen Witz lasse ich mir jetzt nicht verderben, weil er nicht diskriminierend und rassistisch ist und mir gut gefällt. Bei dem Ganzen dürfen wir auch nicht vergessen, dass es die Aufgabe der Komödie ist, sich in Grenzbereichen aufzuhalten. Eigentlich ist es eine Aufforderung, ein bisschen mehr zu denken, und viele Witze werden dadurch auch besser.

Das klingt für mich, als wären die Anforderungen gestiegen, wenn ein Witz gleichzeitig lustig sein und eine Botschaft enthalten soll.

Ja, bei dem Wort „Botschaft“ hab ich selbst schon hier und da einen Würgereiz verspürt oder mich geduckt. Das Tolle am Lachen ist ja eigentlich, dass es auch ohne Botschaft auskommt. Es stimmt trotzdem beides. „Hauptsache lustig, vollkommen egal, auf welchem Rücken wir das hier austragen“, geht jedenfalls gar nicht mehr. Und das unterschreibe ich mit Füller und Tinte. Wenn uns dann nichts mehr einfällt, können wir immer noch demonstrieren gehen – aber ich glaube, so schlimm ist es gar nicht. Wie gesagt: Auch hier wird viel gelogen.

Ist Ihnen schon einmal etwas herausgerutscht, bei dem Sie sich kurz darauf wünschten, Sie hätten es nicht gesagt?

Willkommen in meinem Leben. Das passiert mir ständig. Mir rutscht vielfach etwas heraus, wo ich danach sage: „Oh, das hätte ich jetzt aber besser nicht gesagt“. Na und? Die Welt dreht sich glücklicherweise weiter.

„Merz gegen Merz – Geheimnisse“: 12.9., 20.15 Uhr, ZDF. „So weit kommts noch!“: 29.9., 20.15 Uhr, ZDF.