Vögel, EichhörnchenVerletzt, verlassen, verängstigt – was tun mit einem Tier in Not?
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Köln – Eigentlich lässt Lucky sich gerne streicheln. Auch von Fremden. Der kleine Hund mit dem schwarz-braunen Fell ist sehr zutraulich. Doch sobald Holger Schnell den weißen Apparat auspackt, flüchtet Lucky hinter die Beine seines Frauchens. „Ja, die meisten Hunde können das Chip-Gerät nicht leiden“, sagt der Feuerwehrmann. Dabei ist das Gerät eines seiner wichtigsten Arbeitsutensilien, denn damit kann man Hunde identifizieren. Seit fast 25 Jahren arbeitet Oberbrandmeister Schnell auf dem Tiertransport-Wagen der Kölner Feuerwehr. Seine Aufgabe: „Wir befreien Tiere, die in eine Notlage geraten sind.“ Doch nicht jedes Tier bräuchte die Hilfe der Feuerwehr. „Oft reicht auch gesunder Menschenverstand“, sagt der 53-Jährige. Hier erklären wir, wie Sie richtig reagieren, wenn Sie ein verletztes oder verlassenes Tier gefunden haben.
Verlassene Hunde
Ein Spaziergang im Park, eine gelöste Leine, ein wildes Kaninchen – und zack ist der Hund ausgebüchst. Hunde und Katzen gehören zu den häufigsten Fundtieren in Köln, sagt Holger Schnell. Wenn er und seine Kollegen wegen eines umherstreunenden Hundes ausrücken, fangen sie das Tier ein. Dann kommt das weiße Chip-Gerät zum Einsatz. „Die meisten Hunde sind heutzutage gechippt. Viele sind aber nicht registriert“, sagt Schnell. Denn um die Registrierung bei Unternehmen wie Tasso muss der Besitzer sich selbst kümmern.
Ist das Tier registriert, wie Lucky, leuchtet auf dem Gerät eine Nummer auf. Die kann Schnell telefonisch bei Tasso angeben und die können dem Feuerwehrmann die Daten der Besitzer herausgeben – wenn der Besitzer dem zugestimmt hat. Haben die Besitzer die Herausgabe auch an Behörden verweigert, müssen die Feuerwehrleute den Hund ins nächstgelegene Tierheim bringen, Tasso versucht dann den Besitzer zu erreichen. „Das ist totaler Stress für das Tier – und auf den Besitzer kommen Kosten zu“, sagt Schnell. Denn grob gesagt gilt: Wenn ein Tier einmal in dem roten Tiertransporter der Feuerwehr sitzt, muss der Besitzer zahlen.
Oft sei der Anruf bei der Feuerwehr aber auch gar nicht nötig, meint Schnell. „Vor allem Hundehalter können oft auch gut mit fremden Tieren umgehen. Sie können den Hund einfach anleinen und damit zum nächstgelegenen Tierarzt gehen.“ Denn auch jeder Veterinär besitze ein Chip-Gerät. So könne der Besitzer oft ganz unkompliziert ausfindig gemacht werden. Tierarztpraxen haben an der Hausfassade ein rotes Schild mit einem weißen V darin angebracht. Und oft sind scheinbar verlassene Hunde auch gar nicht verlassen. Schnell erzählt von einem Hund, der vor einem Reisebüro angebunden war, ein besorgter Bürger dachte, er sei ausgesetzt worden. „Als wir dann vor Ort waren, stellte sich heraus, dass der Besitzer einfach nur für eine halbe Stunde im Reisebüro war.“ Unter „Blinder Alarm“ vermerken die Feuerwehreute solche Fälle später dann. Und davon gebe es einige, sagt Schnell.
Verängstigte Katzen
Auch wegen entlaufener Katzen werden die Feuerwehrleute oft gerufen. Doch sehr viele seien einfach nur Freigänger. Rund 10.000 Katzen gehörten in Köln dazu. „Eine verlassene Katze erkennt man an ihrem Aussehen: Sie ist abgemagert, verfilzt und verlaust“, sagt Schnell. Erst in diesem Fall ist Hilfe angebracht. Ein anderer Klassiker: Verängstige Katze im Baum, die sich nicht mehr heruntertraut. Die Katze dann aber mithilfe der Drehleiter der Feuerwehr aus dem Baum zu retten, sei kontraproduktiv: „Die Katze bekommt Angst und klettert noch höher in den Baum hinein.“ Generell gelte: Eine Katze, die nach oben kommt, kommt auch wieder runter. „Irgendwann trauen die sich“, weiß Schnell. Sein Tipp: Ruhe bewahren.
Nur wenn eine Katze nach 24 Stunden nicht heruntergekommen sei, offenkundig verletzt sei oder ein anderes Problem habe, solle man den Tiertransport rufen. „Manchmal verhaken die Tiere sich zwischen zwei Ästen und kommen weder vor noch zurück. Oder sie versuchen, durch ein gekipptes Fenster herauszuklettern – und sitzen da fest. In solchen Fällen sollte man uns in jedem Fall rufen.“
Das gelte auch bei Verkehrsunfällen, in die Tiere involviert sind und verletzt wurden. „Aber auch hier wäre mein Rat: Wenn man weiß, dass ein Tierarzt in der Nähe ist, sollte man das verwundete Tier auf schnellstem Wege dorthin bringen.“ Denn der Tiertransport der Kölner Feuerwehr ist auf der Wache 8 in Ostheim stationiert – bei einem Unfall in Ehrenfeld muss der Wagen erstmal durch die halbe Stadt fahren. „Wenn wir dann vor Ort sind, machen wir auch nur eine Erstversorgung und bringen das Tier danach schnell zum nächsten Arzt.“ Denn auf dem Wagen sitzen weder Tierärzte noch –pfleger, sondern geschulte Feuerwehrleute.
Erschöpfte Vögel
Häufig werden Holger Schnell und seine Kollegen auch gerufen, wenn Spaziergänger verletzte oder erschöpfte Vögel am Wegesrand gefunden haben. „Wenn ein Greifvogel ein Problem hat, erkennt man das daran, dass er am Boden sitzt und nicht flüchten kann.“ Die Feuerwehr fängt das Tier dann – oft indem sie ein Handtuch über das Tier wirft– und es dann, durch einen Falkner-Handschuh geschützt, hochhebt. Verletzte Greifvögel, die rund um Köln gefunden werden, bekommen in der Auffangstation Gut Leidenhausen Hilfe. Hier werden sie aufgepäppelt und später wieder ausgewildert.
Auch aus anderen Notlagen befreien die Feuerwehrleute Vögel. So verhalf Schnell zuletzt einem Schwan, der sich in einem zu engen Innenhof verirrt hatte und nicht mehr starten konnte, zurück in die Freiheit. Trotzdem sagt er: „Wir können nicht jedem Tier helfen.“ So hart das auch klinge: Verletzte Tauben oder Enten seien in der Natur auch Teil der Nahrungskette. Ähnlich sieht es auch Birgit Königs vom Naturschutzbund (Nabu) NRW: „Natürlich sollte man jedem Tier, das Hilfe braucht, helfen. Wenn wir aber alle Tiere retten, dann hätte auch die Fuchsmutter irgendwann keine Nahrung mehr für ihre Jungen.“ Das sei einfach der Lauf der Natur.
Flügge Vögel
Auch bei jungen Vögeln müsse man vorsichtig sein. Jedes Frühjahr meldeten sich hilfsbereite Menschen beim Nabu, die ein Küken gerettet hätten – das meist gar keine Rettung brauchte. „Wenn Vögel flügge werden, sitzen sie oft hilflos am Boden. Die Eltern kümmern sich aber um sie.“ Wer einen jungen Vogel im Garten findet, sollte sich zurückziehen und die Lage beobachten. „Es kann auch schon mal eine Stunde dauern, bis die Eltern zurückkommen. Vor allem, wenn Menschen in der Nähe sind, sind die Elterntiere sehr zurückhaltend.“ Nur wenn die Jungvögel wirklich verlassen sind , kann man sie zum „Aufpäppeln“ aufnehmen, um sie dann nach kurzer Zeit wieder in die Natur zu entlassen. Noch völlig unbefiederte und unverletzte Jungvögel sollte man dagegen, wenn möglich, umgehend ins Nest zurücklegen. Vogeleltern nähmen die Jungen ohne zu zögern wieder an.
Junge Säugetiere hingegen dürfe man keinesfalls anfassen, warnt Birgit Königs. „Die Eltern nehmen das Tier dann nicht mehr an.“ Einsame Eichhörnchen-Kinder würden aber oft von der Mutter wieder eingesammelt. Wenn das nicht der Fall ist, kann man das Kleine in eine verschließbare Box packen, die mit Tüchern und einer Wärmflasche ausgestattet ist. Dann sollte man sich schnell an eine der Eichhörnchen-Auffangstationen wenden. Auffangstationen für verschiedene Tiere findet man durch eine Recherche im Internet. Auch Tierschutzorganisationen wie der Nabu oder der BUND können oft Kontakte vermitteln.
Denn es müsse klar sein, betont Birgt Königs: „Wenn man ein verletztes oder verlassenes Tier mitnimmt, trägt man die Verantwortung dafür.“ Und zwar auch dafür, dass es weiterhin gut versorgt und später wieder ausgewildert wird. „Wilde Tiere gehören in die Natur, das sind keine Haustiere.“ Oft reiche es aber schon, die Lage zu beobachten und nur minimal einzugreifen. „Wenn man zum Beispiel im Frühjahr tagsüber einen Igel sieht, ist das ein Zeichen dafür, dass etwas nicht stimmt.“ Königs rät, dem Igel etwas Katzenfutter hinzustellen. „Wenn der Igel jeden Tag kommt und danach wieder geht, dann hat er nach dem Winter einfach nur Hunger.“
Verletztes Rehkitz
Ganz anders gestaltet sich die Situation bei größeren Wildtieren. „Wer ein verletztes Rehkitz findet und mitnimmt, macht sich der Wilderei schuldig“, warnt Birgit Königs. Deswegen gilt hier auf jeden Fall: Die Feuerwehr rufen. Holger Schnell erklärt: „Wenn ein größeres Wildtier nicht mehr selbst flüchten kann, müssen wir den Förster informieren. Der erlöst das Tier dann in den meisten Fällen von seinem Leid.“
Doch das muss nicht immer so sein: Zuletzt war ein unglückliches Kitz in einen Kanal im Kölner Norden gefallen und kam von selbst nicht mehr heraus. Verletzt war es nicht. „Der Förster hat sich dann die Wathose angezogen, ist in den Kanal gestiegen und hat das Kitz befreit.“ Ein Happy End für das Kitz. In solchen Momenten, sagt Holger Schnell, in denen man den Tieren helfen konnte, liebe er seinen Job besonders.