Köln – Vielen fällt es derzeit schwer, morgens zur Arbeit zu fahren oder im Homeoffice den Rechner hochzufahren. Weil einem alles andere als der Krieg in der Ukraine irgendwie nichtssagend erscheint. Und man nicht mehr tatenlos zuschauen kann und helfen möchte. Am Bahnhof Geflüchtete empfangen, sie in der eigenen Wohnung beherbergen oder in einer Erstaufnahmeeinrichtung mit anpacken. Kann der Arbeitgeber, beziehungsweise die Arbeitgeberin einen für diese Hilfseinsätze freistellen? Gemeinsam mit der Kölner Rechtsanwältin Nathalie Oberthür klären wir Fragen zum Arbeitsrecht in Krisenzeiten.
Was genau ist eine Freistellung – und hat man einen gesetzlichen Anspruch darauf?
Bei einer Freistellung verzichtet der Arbeitgeber oder die Arbeitgeberin ausdrücklich auf die Arbeitsleistung des Arbeitnehmenden. Im Fall eines Erholungsurlaubs, krankheitsbedingten Arbeitsausfalls, Altersteilzeit oder als Ausgleich für eine Betriebsratstätigkeit erfolgt die Freistellung entgeltlich. Im Gegensatz dazu gibt es keinen allgemeinen Anspruch auf unbezahlte Freistellung. Denn mit seinem Arbeitsvertrag hat sich der Arbeitnehmende verpflichtet, seine Arbeitsleistung zu erbringen. Daher kann er dem Grundsatz nach nicht verlangen, von dieser Pflicht entbunden zu werden. Die unbezahlte Freistellung liegt also allein im Ermessen der Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber; und kann ausschließlich im Einvernehmen mit ihnen genommen werden.
Ausnahmen können sich auch aus der Fürsorgepflicht der Arbeitgeber bei familiären Problem-Situationen ergeben, etwa wenn ein Familienmitglied plötzlich erkrankt ist.
An wen wende ich mich in der Firma am besten mit meinem Anliegen?
Prinzipiell schadet es sicher nicht, dem Arbeitgeber von seinem hehren Vorhaben zu erzählen. Die Arbeitsrechtlerin Nathalie Oberthür rät, sich direkt an den Vorgesetzten, die Vorgesetzte oder die Personalabteilung zu wenden. Auch könne sinnvoll sein, gleich beide anzufragen.
Gibt es eine Ausnahmeregelung für die Freistellung für Hilfseinsätze in Sondersituationen wie Krieg oder Naturkatastrophen?
„Grundsätzlich besteht kein gesetzlicher Anspruch darauf, aber es ist möglich, jedoch ausschließlich im Einvernehmen mit dem Arbeitgeber“, sagt Nathalie Oberthür, „es ist dann auch die Frage der getroffenen Vereinbarung, ob der Lohn weitergezahlt wird oder nicht.“ Bei einer persönlichen Notlage allerdings kann es einen Anspruch auf bezahlte Arbeitsbefreiung geben, etwa dann, wenn ein Mitarbeiter oder eine Mitarbeiterin enge Familienangehörige aus dem Kriegsgebiet abholen muss.
Für maximal wie lange könnte ich mich freistellen lassen?
Eine zeitliche Deckelung gibt es laut Oberthür nicht. Solange die unbezahlte Freistellung einen Monat nicht überschreitet, gibt es auch kein Risiko aus der Sozialversicherung herauszufallen. In den meisten Fällen handele es dabei aber um drei bis fünf Tage.
Gibt es andere Möglichkeiten wie Sonder- oder Bildungsurlaub?
„Auch ein Sonderurlaub bedarf der Zustimmung des Arbeitgebers und die Bestimmungen zum Bildungsurlaub sind Ländersache, womit es unterschiedliche Regelungen gibt“, sagt Oberthür. In der Regel setzen sie aber, wie der Name schon sagt, voraus, dass man sich in dieser Zeit privat, beruflich oder karitativ bildet. Der reguläre Urlaub oder Zeitkonten könnten aber jederzeit eingesetzt werden.
Macht es einen Unterschied, ob ich mich privat engagiere oder ob ich das für eine Hilfsorganisation wie Ärzte ohne Grenzen tue?
„Nein, einzig die Hilfskräfte der Freiwilligen Feuerwehr und des Technischen Hilfswerks (THW) haben einen Anspruch auf bezahlte Freistellung, weil sie eine wichtige Grundversorgung für die Allgemeinheit sicherstellen“, sagt Oberthür. Paragraph 12 Absatz 2 des Gesetzes über den Feuerschutz und die Hilfeleistung (FSHG) Nordrhein-Westfalen zum Beispiel besagt: Den ehrenamtlichen Angehörigen der Feuerwehr dürfen aus dem Dienst keine Nachteile im Arbeitsverhältnis entstehen. Während der Dauer der Einsätze, Übungen und Lehrgänge auf Anforderung der Gemeinde entfällt für die Ehrenamtlichen die Pflicht zur Arbeits- oder Dienstleistung. Die Arbeitgeber sind verpflichtet, für diese Zeit den Lohn einschließlich aller Nebenleistungen und Zulagen fortzuzahlen. Private Arbeitgeber können dieses Geld von der Gemeinde zurückfordern.
Das Recht auf Freistellungen für alle Mitarbeitende, die sich für das Gemeinwohl engagieren, wird hierzulande schon lange diskutiert. So möchte etwa die SPD Ehrenamtliche von Hilfsdiensten wie dem Deutschen Roten Kreuz oder den Maltesern bei der Freistellung für die Ausbildung und den Einsatz mit der Freiwilligen Feuerwehr und dem THW gleichstellen. Bisher müssen die Ehrenamtlichen dafür meist Urlaub nehmen, weil der Arbeitgeber rechtlich nur dazu verpflichtet ist, sie zwei Tage freistellen, die meisten Weiterbildungen allerdings deutlich länger dauern. Oft sind die Helferinnen und Helfer auch für Einsätze nicht freigestellt.
Darf ich für meinen ehrenamtlichen Einsatz den Firmenwagen benutzen oder andere Gerätschaften des Arbeitgebers?
„Den Firmenwagen ja, wenn die Privatnutzung gestattet und nicht inhaltlich eingeschränkt ist. Ist die Privatnutzung nicht vorgesehen, dürfte der Firmenwagen nur genutzt werden, wenn die jeweilige Hilfsaktion vom Arbeitgeber organisiert ist“, sagt Oberthür. Geräte und Materialien, die im Eigentum des Arbeitgebers stehen, dürften nur mit dessen Einverständnis genutzt werden.
Dürfte meine Kollegin mir ihren Urlaub abgeben, wenn ich keinen mehr habe, aber unbedingt ein paar Tage helfen möchte?
Das sei grundsätzlich möglich, sagt Oberthür, aber „auch dies bedarf der Zustimmung des Arbeitgebers.“ Und: Durch die Urlaubsspende dürfe der gesetzliche Mindesturlaub von jährlich 20 Tagen bei einer Fünf-Tage-Woche nicht unterschritten werden.