Köln – Diese Woche ist es soweit: Deutschland erhält die erste Lieferung des Corona-Vakzins Novavax, das nicht ganz korrekt als Totimpfstoff bezeichnet wird. 1,4 Millionen Dosen gibt es zunächst, 16,3 Millionen hat das Gesundheitsministerium für das gesamte Jahr geordert. Experten hoffen, damit Impfskeptiker für eine Immunisierung zu gewinnen. Die Aussichten auf Erfolg sind nicht schlecht: In Rheinland-Pfalz, dem ersten Bundesland, das die Registrierung für den Impfstoff angeboten hat, haben sich innerhalb von nur vier Tagen mehr als 9000 Menschen angemeldet. Wie funktioniert das Vakzin? Wie wirksam ist es? Und kann ich mich schon für eine Impfung anmelden? Gemeinsam mit der Kölner Infektiologin Professor Clara Lehmann von der Uniklinik Köln beantworten wir Fragen rund um Novavax.
Was genau ist Novavax und warum heißt das Vakzin auch Totimpfstoff?
Nuvaxovid, auch Novavax genannt, ist ein proteinbasierter Impfstoff. „Das Vakzin enthält keine Erreger oder Erreger-Bestandteile, die sich selber vermehren oder eine Erkrankung auslösen können. Weil das Vakzin keine echten Viren-Bestandteile enthält, sondern im Labor gezüchtete, wird er nicht ganz korrekt als Totimpfstoff bezeichnet“, sagt Clara Lehmann.
Wie wirkt Novavax im Vergleich zu mRNA- und Vektor-Impfstoffen?
Infektiologin und Internistin Prof. Dr. Clara Lehmann ist Leiterin des Infektionsschutzzentrums (ISZ) und der Post-Covid-Ambulanz an der Uniklinik Köln.
„Sobald die kleinen, im Labor hergestellten Partikel des Corona-Virus, so sogenannte Spike-Proteine, durch die Impfung in den Körper gelangen, werden sie als fremd identifiziert und stimulieren das Immunsystem zur Bildung von Antikörpern. So entsteht eine schützende Immunantwort“, erklärt Lehmann. Im Unterschied zu mRNA- und Vektorimpfstoffen, die den Körper anregen, unschädliche Kopien des Spike-Proteins selbst zu produzieren, werde bei Novavax direkt mit Bestandteilen der Virus-Hülle, also des Spike-Proteins, geimpft. Zur Verstärkung der Immunreaktion enthalte der Eiweißimpfstoff außerdem ein so genanntes Adjuvans, also einen Wirkverstärker.
Wie wirksam ist der Impfstoff im Vergleich zu Biontech & Co.?
Nach Angaben des US-Pharmaunternehmens Novavax biete der neue Impfstoff einen guten Schutz gegen das Corona-Virus mit einer Wirksamkeit von rund 90 Prozent. Die Angaben beruhen auf einer Studie mit rund 30.000 Teilnehmerinnen und Teilnehmern aus Mexiko und den USA. Dabei erhielten zwei Drittel der Probanden zwei Impfstoffdosen im Abstand von drei Wochen. Der Rest erhielt Placebos. Anschließend infizierten sich 77 Studienteilnehmer mit dem Corona-Virus. Bei 14 der Infizierten traten keine schweren Krankheitssymptome auf, sie waren geimpft. Die übrigen 63 Infizierten waren nicht geimpft – von diesen hatten 14 Teilnehmer schwere Symptome.
Wie gut wirkt Novavax gegen Omikron?
„Es ist noch unklar, wie stark der Schutz gegen Omikron ist“, sagt Lehmann. Die Schutzwirkung gegen Omikron würde derzeit getestet, der Impfstoff gegebenenfalls entsprechend überarbeitet. Einen ersten Hinweis gibt es aus den Zulassungsstudien für 12- bis 17-Jährige. Laut Pressemtteilung von Novavax hätten Laboruntersuchungen ergeben, dass das Blut von in der Zulassungsstudie geimpften Jugendlichen auch Antikörper gegen Omikron enthalte. Die Daten wurden allerdings noch nicht veröffentlicht, eine unabhängige Beurteilung steht hier noch aus.
Wie wird Novavax verimpft, also in welchem Zeitraum und an wen?
Das empfohlene Impfschema sieht laut Lehmann zwei Dosen im Abstand von drei Wochen vor. Der volle Impfschutz soll sieben Tage nach der zweiten Spritze eintreten. Novavax ist ab 18 Jahren zugelassen, für Kinder gibt es bislang noch keine Daten und damit auch keine Zulassung.
Wann und wo kann man sich in NRW mit Novavax impfen lassen?
Die Impfdosen werden entsprechend des Bevölkerungsanteils auf die Bundesländer verteilt, die selbst darüber entscheiden können, für wen sie Novavax zur Verfügung stellen. Innerhalb von Nordrhein-Westfalen wird der Impfstoff dann auf Grundlage des jeweiligen Bevölkerungsanteils der Kreise und kreisfreien Städte verteilt.
Da zunächst allerdings nur wenig Impfdosen zur Verfügung stehen, werden diese nach Priorisierungen verimpft. Das hatte das nordrhein-westfälische Gesundheitsministerium Anfang Februar festgelegt. So sollen 75 Prozent des Impfstoffs für Menschen bereitgehalten werden, die ab März von der berufsbezogenen Impfpflicht betroffen sind. 20 Prozent sind für Menschen vorgesehen, denen eine Unverträglichkeit der aktuell verimpften mRNA-Vakzine ärztlich attestiert wurde. Die restlichen fünf Prozent gehen an die Allgemeinbevölkerung. Werden die Mengen von den priorisierten Gruppen nicht abgerufen, können die Kreise Novavax auch anders verteilen. Verimpft wird das Novavax-Vakzin in den kommunalen Impfstellen oder bei mobilen Impfaktionen, in Köln beispielsweise im Gesundheitsamt und in der Impfstelle an der Lanxess Arena. Bei Hausärzten ist eine Novavax-Impfung nicht möglich.
Wer sich mit dem neuen Vakzin impfen lassen möchte, ob zu einer priorisierten Gruppe gehörend oder nicht, der solle laut NRW-Gesundheitsministerium darauf achten, was die Behörden der Kreise bekanntgeben. In Köln beginnen die Novavax-Impfungen laut Stadt frühestens am Mittwoch und dann auch nur für Menschen, die in Köln wohnen oder arbeiten. Sobald der genaue Zeitpunkt des Beginns der Impfungen feststeht, können Termine über das Buchungsportal der Stadt vereinbart werden. Jegliche Bescheinigungen über Priorisierung sowie Wohnort oder Arbeitsstelle müssen zur Impfung mitgebracht werden.
Welche Impfreaktionen sind bekannt?
„Impfreaktionen und -nebenwirkungen können prinzipiell bei allen Impfungen auftreten, unabhängig vom Erreger oder vom Impfstoff“, sagt Lehmann und zählt typische Impfreaktionen auf: Schmerzen, Rötung oder Schwellung an der Injektionsstelle, Müdigkeit, Kopf-, Muskel- und Gelenkschmerzen. Diese Impfreaktionen würden in der Regel nach ein paar Tagen verschwinden und sind, so Lehmann, „in der Regel kein Grund zur Besorgnis“.
Kann Novavax als Booster, beziehungsweise als Kreuzimpfung dienen?
Bislang wird in Deutschland nur mit den beiden mRNA-Impfstoffen von Biontech und Moderna geboostert. Ob und ab wann das mit Novavax möglich ist, ist bislang noch nicht bekannt. Erste Studien aber zeigen, dass Novavax als Auffrischungsvakzin nicht so effektiv ist wie die mRNA-Impfstoffe. Nach der Grundimmunisierung mit zwei Dosen Biontech steigt laut einer britischen Studie die Antikörper-Menge durch einen Novavax-Booster um das Fünffache. Was grob vergleichbar mit der Wirkung eines Johnson & Johnson- oder Astrazeneca-Boosters sei. Durch einen mRNA-Booster würde die Abwehr wesentlich stärker ausfallen. Bei Biontech konnten die Forscherinnen und Forscher eine Antikörper-Steigerung um das Achtfache und bei Moderna um das 11,5-fache nachweisen.
Warum schwören viele Impfskeptiker auf Totimpfstoffe?
Menschen, die der mRNA-Technologie kritisch genüberstehen, argumentieren, dass Totimpfstoffe wesentlich älter sind als die Technologie von mRNA- und Vektorimpfstoffen und entsprechend länger erprobt, etwa bei Grippe-Impfungen. Außerdem enthielten sie abgetötete Erreger oder Erreger-Bestandteile und damit keine, die sich selber vermehren oder eine Erkrankung auslösen können. „Aber auch mRNA- und Vektor-Impfstoffe enthalten keine vermehrungsfähigen Viren und können daher ebenso als Totimpfstoffe eingeordnet werden. Korrekt wäre deshalb die Bezeichnung proteinbasierter Impfstoff“, sagt Lehmann. Totimpfstoffe sind in der Medizin gängig und werden seit Jahrzehnten gegen Grippe, Kinderlähmung oder Tetanus eingesetzt. (mit tli)