„Ja hallo! Schön, Sie zu sehen, Herr... ähm“ – viele Menschen kennen diese Situation: Gesicht bekannt, Name vergessen.
Keine Sorge, Sie sind nicht allein mit diesem Problem und es gibt sogar eine ganz gute Erklärung dafür, warum wir uns ausgerechnet Namen so schlecht merken können.
Wir haben einen Neurologen und den Chefarzt einer Memory-Klinik befragt, woran das liegt und wie wir uns Namen besser merken können.
Köln – In Zeiten der Pandemie sind Begegnungen jenseits der Familie zwar rar gesät, aber auch jetzt treffen wir zum Beispiel beim Einkaufen auf Kollegen und Bekannte, die wir zwar sofort richtig zuordnen können (arbeitet in der Buchhaltung, ist ein Freund von sowieso), deren Name uns aber partout nicht einfallen will. Warum ist das eigentlich so?
Werden einem auf einer Party, beim neuen Job oder in einem Seminar zwei, drei, vier oder fünf Personen vorgestellt, sind deren Namen oft schnell vergessen. Dass wir uns drei, fünf oder sechs Namen hintereinander in so einer Situation nicht direkt einprägen können, liege am Kurzzeitgedächtnis, erklärt Neuropsychologe Josef Kessler von der Uniklinik Köln.
Gesichter sind für Menschen wichtiger
Und: Namen sind für unser Gedächtnis herausfordernder als andere Gegenstände. Was daran liegt, dass es zu Namen noch eine sozialpsychologische Komponente gibt: Sie können uns Freude bereiten, sie können einem aber auch schaden. „Namen sind im Gegensatz zu Gesichtern eine willkürliche Angelegenheit. Wir haben im Gehirn eine Region, die nur für die Gesichtserkennung zuständig ist. Für Namen gibt es das in dieser Form nicht“, erklärt Kessler.
Professor Richard Dodel ist Chefarzt an der Memory Clinic der Katholischen Kliniken in Essen. Er erklärt, dass unsere Merkfähigkeit bei Namen auch davon abhängt, wie das Gehirn diese Informationen abruft. Der linke Schläfenlappen repräsentiere das Namensgedächtnis. „Namen werden im Gehirn an einer ganz anderen Stelle abgespeichert als zum Beispiel die Erinnerung an unser heutiges Frühstück.“
Was wir uns merken können, hänge immer davon ab, wo und wie es gespeichert werde. „Wir müssen mit unserem Gedächtnis auch eine Ökonomie betreiben, wir können uns nicht alles merken. Unser Gehirn wählt danach aus, wie bedeutungsvoll und relevant eine Information für uns ist“, sagt Kessler. Das heißt auch: Ist ein Name für uns relevant und wichtig, vergessen wir ihn nicht.
Warum wir uns ausgerechnet Namen schlechter merken können als Gesichter, hat auch etwas mit der Evolution zu tun. Für die Menschen sind Gesichter aus evolutionsbiologischer Sicht die relevantere Information. „Namen kamen erst später hinzu – erst als die Sippen immer größer wurden, sind Namen aufgekommen. Erst dann haben wir sie gebraucht“, so Kessler. Die Menschheit musste unterscheiden lernen: Den Schmied vom Schneider und schließlich auch die Väter von den Söhnen und die Mütter von den Töchtern.
Neugeborene beispielsweise können das Gesicht ihrer Mutter und ihres Vaters sehr gut erkennen und sich einprägen. Namen hingegen seien für Säuglinge völlig unwichtig. Wichtig ist die Bindung zu den Eltern.
„Namen haben eine intermediäre Position zwischen Gesichtern und anderen Objekten“, erklärt Kessler. Heute sind Namen wegen ihres gesellschaftlichen Stellenwerts trotzdem wichtig. „Es kann eine Kränkung sein, wenn ich auf einen Namen nicht komme oder jemanden falsch begrüße. Es kann sozial geächtet werden, wenn ich ein schlechtes Namensgedächtnis habe.“
Gene spielen eine Rolle
Doch wer ein schlechtes Namensgedächtnis hat, kann vielleicht gar nicht so viel dafür, denn unsere Gene spielen eine Rolle. „Warum sich manche Menschen Namen sehr gut merken können und andere hingegen überhaupt nicht, ist wissenschaftlich nicht genau beantwortbar. Wir kommen mit einem bestimmten Begabungsmuster zur Welt – da gehört auch das Gedächtnis dazu. Es gibt sicherlich eine genetische Determinante, wie hoch die ist, kann keiner beziffern. Auch unsere Sozialisation spielt eine Rolle, was wir lernen oder ob ich mit vielen oder wenigen Sozialkontakten aufwachse“, erklärt Kessler.
Eselsbrücken bauen
„Meine Frau kann sich Namen zum Beispiel sehr gut merken und ich überhaupt nicht.“ Das ist nicht ungewöhnlich: Im Durchschnitt sind Frauen darin etwas besser als Männer. Sie sind empathischer, reden mehr, gehen mehr in Gruppen und da ist es wichtiger, sich Namen zu merken, erläutert Kessler. Mit zunehmendem Alter, lasse das Namensgedächtnis aber bei beiden Geschlechtern nach – weil Menschen im Alter insgesamt vergesslicher werden und kognitive Leistung abbauen.
Wer sich Namen besser merken können möchte, kann seinem Gehirn mit Gedächtnistraining auf die Sprünge helfen. Richard Dodel rät dazu, Eselsbrücken zu bauen, sich den Namen in einer bildlichen Situation vorzustellen oder ihn mit emotionalen Dingen in Verbindung zu bringen. „Wer sich Namen besser merken möchte, sollte sich zunächst vornehmen ihn sich einzuprägen, vielleicht öfters wiederholen und ihn als besonders wichtig ansehen“, sagt Kessler.Eine Methode für Gedächtnistraining ist, sich mit Hilfe von Orten an Namen zu erinnern. „Dazu verbinde ich einen bestimmten Platz oder einen Ort mit einem Namen, wandere im Geiste die Straßen und Plätze ab und versuche im Gedächtnis diese, dann mit einem Namen zu assoziieren. Das kann jeder lernen, es muss aber trainiert werden und ist etwas aufwendig.“