Intelligenz ist gut erforschtWas wissen wir eigentlich über die Dummheit?
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Über sehr intelligente Menschen weiß man viel. Wie aber sieht es mit der Kehrseite aus, der Dummheit?
Fachleute aus verschiedenen Disziplinen haben Erkenntnisse und Einschätzungen gesammelt.
Daraus ist ein Buch entstanden: „Die Psychologie der Dummheit".
Köln – Einfaltspinsel, Idiot, Trottel, Spinner, Depp, Schwachkopf oder einfach nur Arschloch: Dummheit äußert sich auf vielerlei Weise, in vielerlei Verkörperung. Sie ist kaum einheitlich zu definieren und trifft je nach Auslegung jeden. Vor allem aber ist ihr bislang noch nicht umfassend auf den Grund gegangen worden, befand der Psychologe und Wissenschaftsjournalist Jean-Françios Marmion. Das wollte er ändern und hat verschiedene Aspekte zum Thema Dummheit im Buch „Die Psychologie der Dummheit“ zusammengefasst. Sein Verlag behauptet, in dieser Form handele es sich um eine „Weltpremiere“.
29 Experten aus verschiedenen Disziplinen wie Psychologie, Philosophie, Soziologie oder Literatur analysieren Aspekte rund um die Dummheit oder werden von Marmion interviewt. So kommen kurze und kurzweilige Essays zustande, die sich mit den Gesprächen in ihrer Form abwechseln und das Lesen so angenehm gestalten. Unter den Fachleuten sind der Psychologe und Nobelpreisträger Daniel Kahneman sowie Neurowissenschaftler Antonio Damasio, aber auch in Deutschland weniger bekannte Professoren und Schriftsteller.
Dummheit wird wissenschaftlich und polemisch betrachtet
Thematisch arbeiten sich die Autoren Kapitel für Kapitel beispielsweise an einer Typologie der Dummköpfe ab, beschreiben Dummheit und Narzissmus oder gehen der Frage nach, ob wir dummes Zeug träumen. Mal eher polemisch, dann wieder sehr wissenschaftlich.
Auffällig wird dabei schnell, dass es keine einheitliche Definition von Dummheit gibt. Mal geht es eng gefasst permanent um Arschlöcher – wohl selten taucht dieses Wort so gehäuft in einem Sachbuch auf. Mal ist Dummheit die Abweichung vom Durchschnitt – in der Regel gemessen am Standpunkt des Überlegenen, wie der Gründer und Direktor der Zeitschriften „Le Cercle Psy“ und „Science Humaines“ darlegt.
Andererseits stellt Marmion schon in der Einleitung fest: „Wir alle sind Gelegenheitsdummköpfe, die mal eben schnell Unsinn anstellen, der aber nicht gleich das Ende der Welt bedeutet.“ Und der Psychologe Serge Ciccotti konstatiert, „dass Studien über dumme Menschen letztlich nur Studien über die Menschheit im Allgemeinen sind.“
Ertappt fühlen dürfte sich wohl ein jeder spätestens bei einer Sammlung an Heuristiken – also Strategien oder Wegen, um mit begrenztem Wissen und in begrenzter Zeit Entscheidungen zu treffen und Urteile zu fällen. Sei es, sich für Erfolge zu feiern und bei Fehlern die Schuld bei anderen zu suchen. Sei es, sich von positiven Formulierungen oder Klischeedenken leiten zu lassen. Oder sei es, allein aufgrund von Korrelationen Kausalitäten anzunehmen – etwa wenn vermehrt Störche gesichtet werden und die Zahl der Babys steigt.
„Intelligenz verhindert nicht, dass man ein richtiges Arschloch ist“
Viele Texte widmen sich dem Verhältnis zwischen der Dummheit und der – ebenso wenig einheitlich definierten und verstandenen – Intelligenz. „Intelligenz verhindert nicht, dass man ein richtiges Arschloch ist“, antwortet der Philosophie-Professor Aaron James in einem der Interviews. Weniger drastisch drückt es Psychologe Yves-Alexandre Thalmann aus, demzufolge idiotische Handlungen häufig von Menschen mit einem durchaus hohem Niveau an Intelligenz ausgeführt werden. Zugleich könne Idiotie Ursprung vieler Entdeckungen und Erfindungen sein. Neuropsychologe Sebastian Dieguez findet gar, es sei sehr viel Intelligenz gefragt, um ein dummes System am Laufen zu halten.
Die Beiträge sind meist für den Laien gut verständlich. Ab und zu springen die Autoren aber in ihren Gedanken derart, dass es schwer fällt zu folgen, womöglich ist dieser Umstand auch der Kürze der Texte geschuldet. Insgesamt aber können Leser Einblicke in ein breites thematisches Spektrum gewinnen, inklusive Literaturanalyse und Sprachwissenschaft. Dazu bemerkt Literatur-Professor Patrick Moreau, heute könne die Dummheit „recht brachial in die öffentliche Sphäre einbrechen, denn Internet und soziale Medien bieten eine wunderbare Echokammer.“ Als hätte er seiner Zeit voraus geblickt.
Der Kommunikationswissenschaftler François Jost widmet einen ganzen Beitrag der Schwachsinnigkeit in den sogenannten sozialen Netzwerken. Und Schriftsteller Jean-Claude Carrière erklärt, man solle über seine Dummheit Bescheid wissen. „Aber die schlimmste aller Dummheiten ist es, wenn man sich für intelligent hält.“
Mehrfach taucht in dem Sammelband übrigens der Name Donald Trump auf. (dpa)