Stress, DepressionenWie sich unsere Psyche auf Herzerkrankungen auswirken kann
Lesezeit 6 Minuten
In unserer Serie „Gesund durchs Jahr” widmen wir uns in jedem Monat einem anderen Themenbereich.
Im Monat November geht es um unser Herz.
In dieser Folge erklären zwei Experten der Uniklinik Köln, wie Herz und Psyche zusammenhängen.
Köln – Wir sind extrem erfolgreich in der Behandlung von akuten Herzinfarkten. Die Sterblichkeit, wenn Patienten das Krankenhaus erreichen, liegt mittlerweile bei unter zehn Prozent“, sagt der Herz-Experte Prof. Dr. Stephan Baldus, Direktor der Klinik für Kardiologie am Herzzentrum der Uniklinik Köln und Präsident der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie. Das ist die gute Nachricht. Die andere lautet: Herz-Kreislauf-Erkrankungen nehmen zu und die Zahl der Patienten mit chronischer Herzschwäche ist hoch. Das ist einerseits der alternden Gesellschaft geschuldet und dem stressigen Lebensstil. „Koronare Herzerkrankungen treten früher auf, wenn der Mensch unter chronischem Stress leidet oder eine chronische Depression hat. Am Herz-Kreislauf-System spüren Patienten besonders, dass psychische Probleme eine Rolle spielen“, so Prof. Christian Albus, Direktor der Klinik für Psychosomatik und Psychotherapie an der Uniklinik Köln
Die jüngste Studie der Sporthochschule Köln im Auftrag der Krankenversicherung DKV ist beunruhigend. „Aktuell fühlen sich 60 Prozent aller Befragten betont gestresst“, so Studienleiter Prof. Ingo Froböse. Eine Entwicklung, die forciert wurde in der Pandemie durch Homeoffice und Homeschooling. Hinzu kommt, dass zum Beispiel Fitnessstudios aufgrund der Pandemie rund 30 Prozent ihrer Mitglieder verloren haben. Das Resümee: Nur 14 Prozent aller Frauen und 9 Prozent aller Männer leben gesund.
Herzschwäche ist eine lebenslange, unheilbare Krankheit
Das tut am allerwenigsten dem Herzen gut. Prof. Baldus: „Wenn Herzmuskelzellen absterben, weil sie wie beim Infarkt nicht vernünftig mit Blut versorgt werden oder Entzündungen die Zellen zerstört haben, dann sind diese nicht wieder herzustellen. Es gibt keine Therapie für den Ersatz zugrunde gegangener Zellen, sondern wir können nur versuchen, es dem geschädigten Herzen so leicht wie möglich zu machen, indem wir Medikamente verabreichen, durch die die Prognose mittlerweile viel besser geworden ist. Aber Herzschwäche ist eine lebenslange, unheilbare Krankheit – wie Krebs.“
Herz & Psyche: Ein Fall für ZweiDienstag, 16. November, 19 Uhr,studio dumont, Breite Str. 71,
Die Experten:Prof. Dr. Stephan Baldus, Direktor des Herzzentrums Uniklinik Köln,Prof. Dr. Christian Albus, Direktor der Klinik für Psychosomatik und Psychotherapie Uniklinik Köln
Moderation:Marie-Anne Schlolaut
Hinweis: Die Veranstaltung findet im Hybrid-Format statt, d. h. Leserinnen und Leser können den Vortrag live im studio dumont erleben oder sich digital von zu Hause zuschalten.
Tickets: unter www.forumblau.de/akademie oder bei KölnTicket unter 0221/ 2801 zu folgenden Preisen: studio dumont: 15 Euro / Forum Blau-Preis: 13 Euro, digital: 10 Euro/ Forum Blau-Preis: 8 Euro
Die Ursachen einer Herzschwäche sind vielfältig. Psychischer und emotionaler Stress gehören dazu. Bei einem unter Stress gesetztem erkrankten Herzen lässt sich messen, wie schlecht es durchblutet ist. Ein gesundes Herz steckt solche Belastungen weg, wenn sich danach wieder Normalität einstellt. Wird das Herz jedoch langfristig gestresst, kombiniert mit hohem Blutdruck, kann sich die Durchblutung des Herzens extrem verschlechtern, so dass der Herzmuskel sich verdickt und seine Elastizität einbüßt. Die Folge: Kurzatmigkeit, Herzrhythmusstörungen, Schwindel- oder Ohnmachtsanfälle, ständige Müdigkeit. Christian Albus: „Bei 1000 untersuchten Herzpatienten war ein Viertel von ihnen psychisch belastet.“ Und: „Nach einem Infarkt haben rund die Hälfte der Patienten zumindest vorübergehend depressive Symptome, dauerhaft sind Depressionen ungefähr doppelt so häufig wie in der Allgemeinbevölkerung.“ Wobei, so der Direktor der Klinik für Psychosomatik, es so scheine, dass Frauen anfälliger für Depressionen seien als Männer. Es könne jedoch auch sein, „dass man bei Männern bisher nicht so genau hingeschaut hat“.
Psyche kann direkte Wirkungen auf die Funktion der Herzkranzgefäße haben
Neue Studien zeigen, dass Männer und Frauen unterschiedliche Symptome zeigen. Während Frauen eher typische depressive Symptome wie Niedergeschlagenheit zeigten, neigten Männer dazu, angespannt zu sein und die seelische Belastung mit erhöhtem Alkoholkonsum zu mindern.
Stress löst zudem eine extreme Ausschüttung der Stresshormone Adrenalin, Noradrenalin und Cortisol aus. „Die Auswirkung von Stresshormonen, die zu einer Erkrankung des Herzmuskels führen können, ist intensiv erforscht. Wird zum Beispiel der 24-Stunden-Cortisol-Rhythmus empfindlich gestört, kann das zur Folge haben, dass der Cortisol-Spiegel im Durchschnitt entweder zu niedrig oder zu hoch ist, und das Risiko depressiv zu werden deutlich erhöht ist. Durch die enorme Ausschüttung an Adrenalin und Noradrenalin können zudem die Herzkranzgefäße akut einreißen, was zu einem Herzinfarkt führen kann“, erläutert Christian Albus. Herzexperte Baldus ergänzt: „Wir wissen, die Psyche kann direkte Wirkungen auf die Funktion der Herzkranzgefäße haben und diese beispielsweise eng stellen.“
Das Herz macht auch jungen Menschen zu schaffen
Gefährdet sind nicht nur Ältere. Das Herz macht auch jungen Menschen zu schaffen, vor allem, wenn andere Familienmitglieder an schweren Herzerkrankungen leiden oder an Infarkten verstorben sind. „Wir können nur ungefähr 50 Prozent aller Herzinfarkte durch klassische Risikofaktoren erklären, der Rest ist Genetik“, so Baldus. Es sei nicht so, dass der jüngere, herzkranke Patient immer „selber schuld“ sei, weil er sich falsch ernährt, kaum Sport getrieben habe. „Das trifft nur auf einen Teil unserer Patienten zu. Den vielleicht sogar den größten Teil trifft eine Herzerkrankung genauso schicksalhaft wie eine Krebserkrankung. Das genetische Profil eines Patienten können wir leider nicht verändern, aber wir können alles tun, um das Fortschreiten der Krankheit nicht zu begünstigen.“
Baldus rät sowohl Herzgesunden als auch Risikokandidaten, spätestens ab 50 das Herz regelmäßig checken zu lassen. „Es ist gefährlich, Symptome zu lange zu ignorieren.“ Das betrifft sowohl die Herzkranzgefäße und dem drohenden Infarkt als auch Herzrhythmusstörungen und Herzklappenfehler. „Wir haben lange geglaubt, dass Klappenfehler nicht problematisch sind und man mit Herzklappenverengung oder -undichtigkeit lange leben kann. Aber wir wissen mittlerweile, dass die Prognose unter Umständen kritisch sein kann. Ist der Herzmuskel geschwächt, wird es schwer, ihm wieder zur normalen Funktion zu verhelfen.“
Krankheitsbild „broken heart“
Covid und Herzmuskelentzündung
Eine Covid-Erkrankung kann eine Herzmuskelentzündung auslösen, so Prof. Dr. Stephan Baldus. „Denn das Virus kann besonders leicht von Herzmuskelzellen aufgenommen werden. Die hierdurch produzierte Entzündung aktiviert das Immunsystem und eine überschießende Immunantwort kann Herzmuskelzellen zerstören. Meist aber heilt eine Herzmuskelentzündung nach Covid-Infektion gut ab.
Die mRNA-Impfstoffe gegen Corona sowie Grippeimpfungen sind ein effektives Instrument, um Herzerkrankungen zu verhindern, so Baldus. „Wir wissen, dass Grippe wesentlich beiträgt zu akuten Herzinfarkten.“ Dass die Weiterentwicklung der mRNA-Technologie „zukünftig wirkungsvoll eingesetzt werden kann bei Erkrankungen des Herzmuskels und der Arteriosklerose kann ich mir sehr gut vorstellen.“ (mas)
Eine Herzschwäche kann zudem ein sogenanntes „broken heart“, also ein gebrochenes Herz, verursachen. Ein Krankheitsbild, das durch belastende Situationen wie Unfälle, Angst- und Panikattacken ausgelöst wird. Die linke Herzkammer kann sich unter dieser Belastung nicht mehr zusammenziehen und sieht aus wie ein aufgeblähter Ballon. „Wir können in solchen Fällen nur Medikamente geben, die dem Herzen das Pumpen erleichtern“, so Baldus.
Psychisch belastend sind ebenso Ängste herzkranker Patienten vor und nach einer Operation oder nach einem überstandenen Infarkt. „Wenn in stressigen Lebenssituationen die Spannung sprunghaft ansteigt, können subjektive Herzbeschwerden auftreten, die so stark sind, dass man davon überzeugt ist, erneut einen Infarkt zu erleiden,“ erklärt Albus.
In einer kleinen Pilot-Studie, die noch fortgesetzt wird, ergaben sich Hinweise, dass Patienten, mit denen man Gespräche beispielsweise vor einer Bypass-Operation führte, weit weniger gestresst waren nach dem Eingriff, weil sie sich klar gemacht hatten, dass nach einer Operation nicht alles eitel Sonnenschein sein kann. „Wir Ärzte“, so Baldus, „müssen Patienten führen und beraten, ihnen Stabilität geben, um nach vorne zu gucken. Das kann keine Tablette und kein Roboter.“