Wer eine Infektionskrankheit übersteht, ist im Anschluss immun. Zumindest für einen gewissen Zeitraum. Doch wie sieht das bei Covid-19 aus?
Erste Meldungen über Menschen, die sich ein zweites Mal mit dem Coronavirus infiziert haben, lassen daran zweifeln.
Wir stellen eine neue Fallstudie zum Thema vor und lassen sie von Prof. Dr. Clara Lehmann, Infektiologin an der Uniklinik Köln, einordnen.
Köln – Schon seit Beginn der Corona-Pandemie ruht die Hoffnung auf Immunität, sobald man eine Covid-19-Erkrankung überstanden hat. Doch haben genesene Menschen wirklich alles hinter sich? Erste Meldungen über Menschen, die sich ein zweites Mal mit dem Coronavirus infiziert haben, lassen daran zweifeln. Eine Fallstudie bietet neue Erkenntnisse zur Frage: Ist man vollständig immun nach einer Infektion?
Es ist kein Jahr her, da wurde die erste Infektion eines Menschen mit dem neuartigen Coronavirus entdeckt. Dementsprechend dünn ist das Wissen über das Virus, verglichen mit anderen Infektionskrankheiten. Und so eben auch beim Thema Immunität. „Zu den vielen Unsicherheiten, die bei Covid-19 noch bestehen, gehört die Frage, wie das menschliche Immunsystem auf eine Infektion reagiert und was das für die Ausbreitung der Krankheit bedeutet“, sagt Prof. Dr. Clara Lehmann, Infektiologin und Leiterin des Infektionsschutzzentrums und der Covid-19-Genesenenambulanz der Uniklinik Köln.
Studie in Gangelt geplant
Auch die Gesellschaft für Virologie um Christian Drosten betont, dass man noch nicht zuverlässig wisse, wie lange eine durch eine Infektion erworbene Immunität anhält. Die Forschung arbeitet daran, neue Erkenntnisse zu liefern, doch das braucht eben seine Zeit. Der Bonner Virologe Hendrik Streeck wird in der Gemeinde Gangelt, in der es im Februar zum ersten größeren Coronavirus-Ausbruch in Deutschland gekommen war, eine Studie zur Möglichkeit einer erneuten Infektion mit dem Coronavirus durchführen.
Etwas weiter sind schon jetzt die Forscher einer kleinen Fallstudie, die in der Fachzeitschrift „The Lancet – Infectious Diseases“ erschienen ist. Sie beschäftigt sich mit dem nunmehr weltweit fünften dokumentierten Fall einer Reinfektion mit Covid-19. Der Patient, ein 25-jähriger US-Amerikaner, wurde innerhalb von 48 Tagen zweimal positiv auf zwei verschiedene Coronavirus-Infektionen getestet. Zwischen diesen beiden Infektionen waren zwei Tests negativ ausgefallen. Inzwischen hat er sich auch von der zweiten Infektion erholt.
Die Forscher der University of Nevada schreiben, dass eine überstandene Infektion mit dem Coronavirus nicht automatisch zu einer garantierten Immunität führt. Auch Lehmann betont, dass es – nicht nur beim Coronavirus – „eine vollständige, hundertprozentige Immunität“ nicht geben könne. Das Phänomen der Reinfektion ist kein neues. Bezogen auf Covid-19 seien noch viele Fragen offen, weitere Untersuchungen zum Thema nötig, betonen sowohl die Studienautoren, als auch Lehmann. Darüber hinaus stellt sie klar: „Die grundsätzliche Entwicklung einer Immunität nach durchgemachter Covid-19-Erkrankung stellen diese Beobachtung und auch andere Fälle aus meiner Sicht nicht in Frage“. Doch wie lange kann eine solche Immunität anhalten? Und wie wappnet sich der Körper überhaupt gegen Viren?
Angeborene und erlernte Abwehrmechanismen
Wenn Viren in den Körper eindringen, wehrt dieser sich auf zwei unterschiedlichen Wegen, erklärt Lehmann: „Nach Kontakt mit einem Virus werden zunächst die angeborenen Abwehrmechanismen aktiviert, die sehr schnell, jedoch wenig effektiv sind. Etwa zeitgleich wird eine spezifische Immunantwort ausgelöst, die jedoch mehr Zeit benötigt, um wirksam zu sein.“ Funktionieren angeborene und erlernte Abwehrmechanismen, ist der Körper bestens gegen einen Virus gewappnet.
Da es das Coronavirus noch nicht lange gibt, war der menschliche Körper bislang noch nicht in der Lage, einen spezifischen Abwehrmechanismus zu entwickeln. Knackpunkt seien vor allem die B- und T-Zellen, sagt Lehmann. B-Zellen sorgen dafür, dass der Körper massenhaft Antikörper produzieren kann. Dies wird als lösliche oder humorale Immunität bezeichnet. Allerdings ist nicht nur eine hohe Anzahl an Antikörpern entscheidend – „sondern auch die Qualität, also die Funktion oder die Neutralisationsfähigkeit“, betont Lehmann.
Das Gedächtnis des Immunsystems
Etwas langfristiger ist die Arbeit der T-Zellen angelegt. Sie sorgen für eine zelluläre Immunität. Um diese zu erreichen, „müssen sich T-Zellen mit sogenannten Gedächtniszellen bilden“, erklärt Lehmann. Sie sind wie ein Gedächtnis des Immunsystems. Befällt ein Virus den Körper, mit dem dieser sich schon einmal infiziert hat, können die T-Zellen die Informationen der letzten Infektion abrufen, die Abwehr vereinfachen. So ist der Körper auch dann, wenn die Zahl der Antikörper mit der Zeit zurückgeht, noch in der Lage, sich optimal gegen das jeweilige Virus zu wehren.
Dies kann sogar so weit gehen, dass Menschen komplett immun gegen ein Virus werden. „Das ideale Szenario – einmal infiziert und eine Person ist ein Leben lang völlig immun – ist für eine Reihe von Infektionen richtig“, sagt Lehmann. Ob das auch bei Covid-19 der Fall sein könnte, lässt sich zum aktuellen Zeitpunkt aber noch nicht sagen, führt Lehmann weiter aus, denn „bislang liegen nur erste Daten über die Immunität gegen SARS-CoV-2, das Coronavirus, das Covid-19 verursacht, vor.“
Umso wichtiger ist die weitere Forschung, erklärt sie, denn „je konzentrierter wir unser aktuelles Wissen über die Immunantwort gegen SARS-CoV-2 erweitern, desto schneller wird die Pandemie, in der wir uns gerade befinden, beendet werden können.“