Die Impfung gilt als einziger Weg raus aus der Pandemie und rein in die Bars, Hörsäle, Kinos und Theater. Ein Viertel der Kölnerinnen und Kölner hat die erste Corona-Impfung bekommen, hunderttausende warten noch auf ihre Spritze, andere zögern. Welche körperlichen Reaktionen rufen die verschiedenen Impfstoffe hervor? Was müssen Allergiker und Menschen mit Immunerkrankungen beachten? Eine Infektiologin erklärt, wieso Impfreaktionen etwas positives sind – und warum Frauen sie stärker haben als Männer.
Verschiedene Impfstoffe, unterschiedliche Impfreaktionen
Biontech und Moderna (mRNA): Impfreaktionen beginnen meist kurz nach der Impfung und klingen nach wenigen Tagen ab. Laut dem Paul-Ehrlich-Institut ähneln sich die körperlichen Reaktionen auf die mRNA-Impfstoffe von Biontech und Moderna sehr. Probanden berichteten am häufigsten von Schmerzen an der Einstichstelle (83-88 Prozent), Müdigkeit (47 bis 65 Prozent) und Kopfschmerzen (42-59 Prozent). Die meisten Studienteilnehmer reagierten auf die zweite Impfung etwas stärker: Nur 0,8 bis vier Prozent der Probanden bekamen nach der ersten Spritze Fieber, nach der zweiten waren es rund 16 Prozent. Weitere mögliche aber eher seltene Nebenwirkungen sind Übelkeit, Gelenkschmerzen und Durchfall.
Astrazeneca (Vektor-Impfstoff): Nach der Astrazeneca-Impfung hatten 54 Prozent der Probanden Schmerzen an der Einstichstelle, rund die Hälfte der Teilnehmer berichtete von Kopfschmerzen und fühlte sich krank, bei einem Drittel stieg die Körpertemperatur leicht an. Acht Prozent bekam Fieber. Im Gegensatz zu den mRNA-Impfstoffen ließen die Reaktionen bei der zweite Impfdosis nach. Der Impfstoff von Astrazeneca kann in extrem seltenen Fällen eine Hirnvenenthrombose auslösen: Das Paul-Ehrlich-Institut registrierte 59 Hirnvenenthrombosen bei 4,2 Millionen Impfungen.
Johnson & Johnson (Vektorimpfstoff): Als vierter Impfstoff bekam Johnson & Johnson im April seine Zulassung in der EU: Auch bei diesem Vakzin sind Schmerzen an der Einstichstelle mit rund 50 Prozent die häufigste Impfreaktion. Knapp 40 Prozent der Probanden berichteten von Kopfschmerzen und Abgeschlagenheit, bei einem Drittel schmerzten die Muskeln, neun Prozent bekamen Fieber. Rund sieben Prozent der Geimpften hatten Rötungen an der Einstichstelle, bei fünf Prozent schwoll sie an. Der Impfstoff löste in der Studie eine Thrombose und fünf Urtikarien (juckende Quaddeln auf der Haut) sowie zweimal einen Tinnitus aus. Im Schnitt traten die Impfreaktionen zwei Tage nach der Impfung auf und klangen nach ein bis drei Tagen wieder ab.
Laut Prof. Clara Lehmann, Infektiologin an der Uniklinik Köln, überschätzen die meisten Menschen die Risiken einer Impfung. Thrombosen, sagt sie, seien extrem selten. Auch die Wahrscheinlichkeit für Langzeitfolgen hält sie für „sehr, sehr, sehr gering“. Die mRNA in den Impfstoffen von Biontech und Moderna hat zum Beispiel nur eine kurze Lebenszeit – 55 Stunden nach der Impfung ist sie nicht mehr nachweisbar.
Junge Frauen zeigen die stärksten Impfreaktionen
Junge Menschen haben ein besonders aktives Immunsystem, deshalb sind Impfreaktionen bei älteren Menschen deutlich seltener. Auch das Geschlecht ist entscheidend: „Es ist ein bekanntes Phänomen, dass Frauen stärkere Impfreaktionen haben als Männer“, sagt Lehmann. Dafür gibt es eine soziale und eine biologische Erklärung. Die soziale: Frauen sprechen möglicherweise häufiger über Impfreaktionen. Die biologische: Auf dem X-Chromosom liegen die größten Gene, die für Immunreaktionen verantwortlich sind. Von diesen Genen haben Frauen doppelt so viele wie Männer: Sie haben zwei X-Chromosome, Männer ein X-Chromosom und ein Y-Chromosom.
Zudem laufen viele Immunantworten im weiblichen Körper über einen Östrogenrezeptor. „Östrogene beeinflussen ebenfalls die Immunreaktion“, erklärt Lehmann. Ab der Menopause nimmt der Unterschied ab, bei älteren Menschen sind die Impfreaktionen ausgeglichener. „Auch bei der Grippeimpfung zeigen Frauen eine stärkere Immunreaktion“, so Lehmann. Möglicherweise reicht bei Frauen eine geringere Impfdosis aus, um dieselbe Immunantwort zu erzielen.
Impfreaktionen statt Nebenwirkungen
Wenn Clara Lehmann solche Phänomene erklärt, nutzt sie stets das Wort Impfreaktion. Nebenwirkungen, sagt sie, sei ein negativer Begriff, der eine unerwünschte Wirkung beschreibt. „Impfreaktionen sind etwas total positives – danach bin ich ja geschützt“, sagt Lehmann. „Man möchte, dass das Immunsystem reagiert und einen Schutzwall aufbaut. Für einen Schutzwall muss ich aber erst arbeiten.“
Sind die Kopfschmerzen nach der Impfung jedoch besonders stark, könne man sie mit Paracetamol oder Ibuprofen behandeln.
Impflinge sollten Arzt über Allergien informieren
Nach der Impfung mit Biontech und Moderna reagieren Geimpfte in sehr seltenen Fällen allergisch. Auf eine Million Impfdosen kommen laut dem Paul-Ehrlich-Institut (PEI) 0,4 bis 11,8 anaphylaktische Reaktionen, eine sehr schwere allergische Reaktion, die meist direkt eintritt. Alle Impfzentren und mobile Teams müssen deshalb mit einem Notfallset ausgestattet sein.
„Der Arzt fragt im Aufklärungsgespräch, ob eine anaphylaktische Reaktion jemals aufgetreten ist“, sagt Lehmann. Ist das der Fall, müsse man aufpassen. „Ich meine damit nicht Heuschnupfen oder eine Erdnussallergie, sondern eine richtige Anaphylaxie“, betont sie. Die Impfung wird nach Abwägung des Arztes unter besonderen Vorsichtsmaßnahmen durchgeführt: Die Person steht unter Notfallbeobachtung und muss nach der Impfung etwas länger bleiben. „Man muss aufpassen, dann passiert in der Regel nichts“, sagt Lehmann. An einer allergischen Reaktion auf einen Corona-Impfstoff sei bisher niemand gestorben.
Schutzwirkung bei Menschen mit Immunerkrankungen niedriger
Menschen mit Immunerkrankungen, sagt Lehmann, „müssen sich auf jeden Fall impfen lassen.“ Weder bei den mRNA-Vakzinen noch bei den Vektorimpfstoffen gibt es irgendwelche Sicherheitsbedenken. Der Schutz der Impfung ist bei dieser Menschengruppe jedoch geringer. „Man hat vielleicht keine hundertprozentige Schutzwirkung, aber eine Teilimmunität", erklärt Lehmann. Sollten Geimpfte doch erkranken, erwartet sie wahrscheinlich ein milderer Verlauf. Möglicherweise, so Lehmann, könne man diese Gruppe öfter impfen: „Das kennt man ja von der Grippe: Da muss man diese Menschen zweimal impfen statt einmal.“