Nottingham – Hunger, Pipi, Durst: Es genügt eine einzige längere Autofahrt mit Kindern, und man weiß anschließend – auch ohne Medizin studiert zu haben –, dass die kindliche Physiologie auf einem Rücksitz offenbar einem anderen Rhythmus folgt als die eines Erwachsenen. Die Abläufe und Funktionen in den Mini-Organismen scheinen mindestens zwei Gänge hochzuschalten, alles setzt schneller und häufiger ein, der Harndrang, das Hungergefühl, die Langeweile. Und: die Wut.
Ob, wann und warum der Rücksitz-Tobsuchtsanfall eintreten wird, hat jetzt, wie die Daily Mail verkündet, ein britischer Mathematiker anhand einer Formel errechnet. Satire, denken Sie? Nein: Wissenschaft! Auch wenn Sie Statistiken, mathematische Kurven und Formeln ungefähr so sehr interessieren, wie Kinder die elterlichen Beschwichtigungsbemühungen im Auto, möchte man schwören, dass Sie diese wissenschaftliche Berechnung von Dr. James Hind von der Nottingham Trent University faszinieren, zumindest aber verblüffen wird.
70 Minuten bis zum ersten Wutausbruch
Für Ihren Notizblock: T = 70 + 0,5E + 15F - 10S lautet die Formel, mit der Eltern, Großeltern und sonstige Kinder-Kutschierende, die Voraussehbarkeit des ersten Wutanfalls berechnen könnten, wenn sie denn wollten. Die Formel basiert, Stichwort Wissenschaft!, auf einer Befragung von 2000 britischen Eltern, und besagt, dass die Zeit (T = Time), die vergeht, bis ein durchschnittliches Kind während einer langen Autofahrt seinen ersten Wutanfall bekommt, 70 Minuten beträgt. Die Wahrscheinlichkeit dieses Szenarios verringert sich jedoch mit jeder Minute, in der das Kind unterhalten wird (E = Entertainment). Auch mit Essen (F = Food) können die Eltern die Quengel-Eskalation um 15 Minuten hinauszögern. Sind allerdings Geschwister (S = Siblings) mit an Bord rückt der Zeitpunkt, ab dem Haarbüschel, Legosteine, ohrenbetörende Töne oder alle drei durchs Auto fliegen, zehn Minuten näher.
Ein Kind alleine hält länger auf der Rückbank durch
Das ist aber noch nicht alles: Statistiker James Hind, der laut Spiegel übrigens auch schonmal eine Formel erfunden hat, mit der sich die geeignete Strumpfhose für jedes Wetter finden lässt, hat in seiner Studie auch herausgefunden, dass die Frage aller Kinder-auf-dem-Rücksitz-Fragen „Sind wir bald daa-haaa?“ im Schnitt zum ersten Mal nach 32 Minuten Autofahrt fällt. Dass Langeweile mit 68 Prozent der meistgenannte Auslöser eines Wutanfalls ist, bei 62 Prozent war die Fahrt zu lang, bei 57 Prozent ließ der Hunger die Stimmung ins Extrem kippen.
Und sogar dass Einzelkinder, beziehungsweise deren Eltern, ausnahmsweise einmal im Vorteil sind, hat James Hind nachgewiesen: Denn wer nur ein Kind im Auto kutschiert, es genügend unterhält und ab und an mit Leckereien ablenkt (aber höchstens zwei pro Stunde, sonst droht der Zuckerrausch!), schafft zwei Autostunden ohne Wutanfall. Mit zwei Kindern ohne Bespaßung und Snacks sind nur 40 Minuten drin.
Ein Letztes hält Hinds Theorie für die Praxis bereit: Mit regelmäßigen Pausen lassen sich Zeit und Quengel-Geister austricksen, denn die Berechnung beginnt danach nochmal von vorne. Wer hat an der Uhr gedreht...