Martin Krämer ist seit einem Unfall querschnittsgelähmt, trotzdem leitet er eine landwirtschaftliche Firma. Die Traktoren fährt er selbst.
Neunkirchen-SeelscheidQuerschnittsgelähmter Landwirt erreicht Arbeitsplatz mit einem Kran
Den 20 Tonnen schweren Maishäcksler bewegt Martin Krämer aus der Halle, als hätte er nie etwas anderes getan. Hat er ja auch nicht. Dass der Neunkirchener das kann, ist trotzdem eine Besonderheit: Denn seit einem Unfall vor 13 Jahren sitzt er im Rollstuhl. Alle Fahrzeuge seines Landwirtschaftsunternehmens sind so ausgerüstet, dass er sie bedienen kann – und einsteigen.
Schon früh war für Martin Krämer klar, dass er im Betrieb seines Vaters Rudolf einsteigen würde. Sei 1997 betreibt der in Neunkirchen-Seelscheid ein landwirtschaftliches Lohn- und Transportunternehmen. Nicht jeder Landwirt hat einen Maishäcksler, Heuwender oder ein Güllefass auf dem Hof stehen – die Firma R+M Krämer übernimmt das. „Traktor fahren ist meine Leidenschaft“, sagt der 33-Jährige.
Wohnhaus der Familie ist an die Fahrzeughalle angegliedert
Doch dann war da diese Quad-Tour durchs Oberbergische am 31. August 2010. Krämer verunglückte und war fortan querschnittsgelähmt – seine Beine kann er nicht mehr bewegen und ist auf den Rollstuhl angewiesen. Seine Freunde unterstützten ihn: „Als ich zum ersten Mal probeweise nach Hause durfte, stand da ein umgerüsteter Traktor, den ich auch als Rollstuhlfahrer bedienen konnte.“
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Für seine Familie war das der Startschuss, ihre Fahrzeuge umzurüsten. Heute stehen in der Firmenhalle an der Ohlenhohnstraße neben dem Maishäcksler sechs Großtraktoren, sechs Lkw mit Sattelauflieger, ein Unimog für Winterdienste und landwirtschaftliches Gerät. Fast alle Traktoren und den Häcksler kann Krämer per Hand steuern.
An die Halle ist das Wohnhaus der Familie angegliedert, selbstverständlich mit Aufzug ausgestattet. „Für mich war die Nähe zum Arbeitsplatz wichtig. Man hat zwar weniger Ruhe, aber kurze Wege“, sagt Krämer.
Neunkirchen-Seelscheider ist bei Traktoren auf Hilfe angewiesen
Wenn der Mais golden gewachsen ist und die Erntesaison bevorsteht, sitzt der 33-Jährige selbst auf dem Fahrersitz. Dorthin gelangt er mit einem Kran. „Den hat die Herstellerfirma damals auf eigene Kosten eingebaut.“ Ausgefahren wird der Ausleger mit einer Fernbedienung.
Krämer steckt seine Arme und Beine in ein Geschirr, das er im Haken einhängt. Per Knopfdruck – das ist der Moment, in dem seine Freundin Pia lieber wegsieht – schwebt er über seinem Rollstuhl und lässt sich zum Führerhaus hieven. Über den Beifahrersitz stemmt er sich auf den Fahrersitz – und schon kann er die „Miezekatze“, wie er den 500-PS-Häcksler nennt, schnurren lassen.
Während der die Erntemaschine selbstständig besteigen kann, ist Krämer bei den Traktoren auf Hilfe angewiesen. Mit einem Aufsatz für einen Hydraulikstapler, auf dem ein Sitz befestigt ist, lässt er sich nach oben befördern.
Auch die Fernbedienung fiel Martin Krämer schon aus der Hand
Für die nächsten Stunden ist er allerdings hinter dem Lenkrad gefangen. „Einfach mal aussteigen und die Geräte überprüfen, geht nicht.“ Und was, wenn ihm die Fernbedienung für den Kran aus der Hand fällt, während er im Geschirr hängt? „Alles schon passiert. Beim Häcksler bin ich zum Glück nie alleine, weil ja noch jemand mit dem Anhänger nebenher fährt.“
Anders bei den Traktoren. „Da sagten die Leute anfangs: ,Oh nein, der Martin kommt'. Der Auftrag muss ja trotzdem in der vorgegebenen Zeit erledigt werden. Es kann eben immer sein, dass ich mal umdrehen muss, weil etwas nicht funktioniert und jemand nachsehen muss.“ Mittlerweile hätten die Kunden aber Verständnis entwickelt, zumal sich häufig ein Mitarbeiter bereit halte. „Wir sind ein gutes Team, anders geht es nicht.“
Man müsse eine gute Rumpfmuskulatur aufbauen, um sich als gelähmte Person auf dem Traktorsitz halten zu können. „Das Schütteln, die Schräglagen – da muss der Körper stabil bleiben.“ Einmal die Woche gehe er zur Krankengymnastik. „Trecker fahren entspannt die Muskeln durch die Schläge und Vibrationen aber viel besser“, meint Krämer.
Natürlich, fügt er hinzu, wäre ein Leben mit Beinen einfacher. „Aber ich lebe mein Leben und habe volle Unterstützung durch meine Familie und meine Mitarbeiter, die mir helfen, wo sie können.“