Kindesmissbrauch: Der Tatverdächtige vom Missbrauchskomplex Wermelskirchen näherte sich seinen Opfern, indem er sich im Internet unter anderem auf Ebay Kleinanzeigen als Babysitter anbot. Wie sicher sind solche Plattformen?
„Fast nichts ist unmöglich“, steht in der Anzeige. Eine Person, die weder ihren Namen noch ihr Geschlecht verrät, bietet „Babysitten und Kinderbetreuung“ im Raum Köln über das Portal Ebay Kleinanzeigen an. Im Anzeigentext vom März 2022 steht, wie viel „Spaß und Freude“ die Person im Umgang mit Kindern hat. Es sei immer interessant, sie beim „beim Lernen und Spielen zu beobachten“, heißt es da. Über den Mensch, der die Anzeige erstellt hat, erfährt man nicht viel. Eine „Qualifizierung beim Roten Kreuz“ soll er haben. Welche genau wird nicht genannt. Dafür habe derjenige viel Erfahrung mit Kindern mit Behinderung. „Gerne“ bietet er eine Nachtbetreuung an und richtet die Anzeige explizit an Eltern von Babys oder Kleinkindern.
Missbrauchsfall Wermelskirchen: Anzeigen über Ebay Kleinanzeigen
So ähnlich könnte auch die Anzeigen des Mannes aus Wermelskirchen gelautet haben, der in Verdacht steht, mindestens zwölf Kinder, darunter auch Säuglinge und behinderte Kinder, schwer missbraucht zu haben. Auch er suchte Kontakt zu seinen Opfern über Babysitter-Anzeigen auf Portalen wie Ebay Kleinanzeigen. Wie die Polizei Köln bekanntgab, erschlich er sich das Vertrauen der Eltern wohl auch dadurch, dass er sich selbst gute Bewertungen auf dem Portal geschrieben hat.
Der entscheidende Hinweis kam aus Berlin
Verheiratet, kinderlos, Computerspezialist: Marcus R., der Hauptverdächtige im Missbrauchskomplex von Wermelskirchen, führte bis zu seiner Festnahme im Dezember 2021 ein unauffälliges Leben. Der 44 Jahre alte Mann arbeitete zuletzt im IT-Bereich für die Leverkusener Bayer AG. Nach Informationen des „Spiegel“soll er sich schon als Jugendlicher für Computer und Internet interessiert und später an der Universität Köln Wirtschaftsinformatik studiert haben.
Die Ermittler gelangten durch einen anderen Missbrauchsfall auf seine Spur. In Berlin wurde Anfang Mai der 28-jährige Sönke G. wegen – teils besonders schweren – sexuellen Kindesmissbrauchs in 95 Fällen zu zwölf Jahren Haft mit anschließender Sicherungsverwahrung verurteilt. Er stand mit Marcus R. bereits seit längerem in Kontakt, wie Chatverläufe zeigten.
Die beiden Männer tauschten wohl regelmäßig kinderpornografisches Material aus und stachelten sich bei ihren Übergriffen gegenseitig an. Auch die Vorgehensweise von Marcus R. und Sönke G. war offenbar sehr ähnlich: Beide gaben sich online als Babysitter aus, um neue Opfer zu finden und suchten sich häufig besonders junge oder behinderte Kinder für ihre grausamen Taten. Nach Gs. Verhaftung im August 2021 gaben die Ermittler des Berliner Landeskriminalamts ihre Ergebnisse an ihre Kollegen in NRW weiter. Diese gelangten so auf die Spur des Wermelskirchener Täters und konnten ihn schließlich fassen. (crb)
Überprüft werden solche Angaben und die Ersteller von Anzeigen nicht, sagt Pierre Du Bois, Pressesprecher von Ebay Kleinanzeigen. Bei Gesuchen und Angeboten von Jobs handele es sich in der Regel um Kommunikation zwischen Erwachsenen. „Da haben wir kaum eine Möglichkeit zu intervenieren.“ Anders sei es, wenn Minderjährige kontaktiert werden oder der Verdacht auf Betrug bestehe. „Dann können wir konkret handeln.“ Das Prinzip der Plattform sei aber, dass jeder Mensch dort inserieren könne. „Selbst, wenn wir eine Verifizierung der Person oder ein Führungszeugnis verlangen würden, das allein reicht nicht.“ Der Fall aus Wermelskirchen bestätigt das: Der Tatverdächtige war nicht vorbestraft und hätte im Zweifel ein reines Führungszeugnis vorweisen können.
Wie kann man sich also vor mutmaßlichen Missbrauchstätern im Internet schützen? Eine Frage, auf die es keine eindeutige Antwort gibt. Die Verbraucherschutzzentrale NRW möchte sich dazu nicht äußern. Es handele sich dabei um strafrechtliche Angelegenheiten, deswegen sei man nicht zuständig.
Kölner Mutter bevorzugt weibliche Babysitter
Eine Mutter von zwei vierjährigen Zwillingen aus Köln sucht gerade zum ersten Mal online nach einem Babysitter. Anfang dieser Woche hat sie ein Gesuch auf Ebay Kleinanzeigen eingestellt. Mit ihren Kindern alleine bleiben, dürfe die Person erst, wenn Vertrauen durch gemeinsame Treffen entstanden ist, heißt es da. Eine Bedingung, von der man bei anderen Gesuchen dort selten liest. „Ich wundere mich immer wieder, wie naiv manche Leute sind“, sagt die Mutter.
„Vielleicht glauben die Menschen zu sehr an das Gute.“ Natürlich seien viele, die dringend einen Babysitter suchen, in einer Notlage. Man dürfe aber schon stutzig werden, wenn ein kinderloser Mann über 30, wie im Wermelskirchener Fall, sich als Babysitter anbietet. „Natürlich ist nicht jeder Mann, der Kinder mag, pädophil“, sagt sie. Trotzdem sei für sie ein männlicher Babysitter ausgeschlossen. „Bei Frauen habe ich einfach ein besseres Gefühl.“ Ganz sicher sein könne man sich aber nie. „Missbrauch findet ja überall statt – ob im Sportverein oder der Kirche. Wachsam sein, sollte man immer.“
Wachsam ist auch der Anbieter der Internetplattform Babysitter.de, die sich explizit auf Babysitterjobs spezialisiert hat. Er reagiert zögerlich auf die Anfrage, wie dort gegen Missbrauchstäter vorgegangen wird. Zwar nennt er Details zu den Vorgängen, weist aber darauf hin, dass eine Veröffentlichung dieser Mechanismen den Tätern in die Hände spielen könnte. Falls jemand versuchen sollte, die Website zu missbrauchen, sei er leichter zu erwischen, wenn er „Fehler“ macht. Er verweist außerdem darauf, dass ein Restrisiko immer bestehe. „Sollte eine Person eine perfekte Tarnung aufbauen, kann keine einzige Website Schutz bieten.“
Wer deswegen lieber außerhalb des Internets nach einem Babysitter sucht, wird etwa bei sozialen Einrichtungen fündig. Dortwerden ausgebildete Babysitter vermittelt. Ob das eine Sicherheitsgarantie ist, ist eine andere Frage.