AboAbonnieren

„Kurs und Ton deutlich ändern“Klingbeil mit klarer Forderung an Merz – Söder schmeichelt SPD

Lesezeit 4 Minuten
24.02.2025, Berlin: Friedrich Merz, CDU-Bundesvorsitzender und CDU/CSU-Fraktionsvorsitzender im Bundestag, reagiert während einer Pressekonferenz nach der Sitzung des CDU-Vorstands. Foto: Michael Kappeler/dpa +++ dpa-Bildfunk +++

Wahlgewinner Friedrich Merz hat mit der Union die Bundestagswahl gewonnen. Nun will er mit der SPD über eine Koalition verhandeln.

Während die SPD den „Ball“ nach der Wahl bei der Union sieht und von Merz Mäßigung fordert, gibt es ungewohnte Töne von Markus Söder.

Nach der Bundestagswahl ist der Druck auf Friedrich Merz hoch, möglichst schnell eine stabile und handlungsfähige Regierung zu bilden, um die dringenden Probleme direkt angehen zu können. Mit diesem Versprechen ist der Kanzlerkandidat angetreten, und daran wird er sich messen lassen müssen. Bis Ostern sollen Koalition und Kabinett stehen, so sein Plan. Er kündigte an, „mit den Sozialdemokraten konstruktive, gute, zügige Gespräche zu führen“.

Auch die Erwartungen an die SPD sind hoch, sich kompromissbereit zu zeigen. Allerdings werden sich die Sozialdemokraten nach dem historischen Wahl-Debakel auf ihre Kernthemen besinnen müssen und dürfen nicht den Eindruck erwecken, in möglichen Verhandlungen vor der Union einzuknicken. Darauf ließen jüngste Aussagen von Parteichef Lars Klingbeil schließen.

Klingbeil: „Der Ball liegt bei Friedrich Merz“

Klingbeil sagte am Montagabend im ZDF-„heute journal“, Merz müsse trotz seines klaren Wahlsiegs deutliche Zugeständnisse machen. Die Sozialdemokraten hätten sich zwar nie weggeduckt, Verantwortung für das Land zu übernehmen, so Klingbeil. „Aber die Erwartung ist schon, dass Merz seinen Kurs und auch seinen Ton deutlich ändert.“ Merz habe in den vergangenen Wochen die „Gräben tiefer“ gemacht, sowohl durch das gemeinsame Abstimmen mit der AfD also auch durch „einige Aktionen in den letzten Wahlkampftagen“. Gemeint ist hier etwa die Rede von Merz in München, in der er von „linken Spinnern“ gesprochen hatte.

Klingbeil betonte erneut, es sei noch überhaupt nicht ausgemacht, ob es eine Regierung mit den Sozialdemokraten geben werde. „Der Ball liegt bei Friedrich Merz. Der hat jetzt die Verantwortung, Gespräche zu führen“, sagte er. „Rote Linien“ gegenüber der Union wollte Klingbeil aber nicht ziehen. Die „arbeitende Mitte“ brauche bessere Löhne und mehr Geld im Portemonnaie, zudem müssten die Renten stabilisiert und milliardenschwere Investitionen angeschoben werden.

Beobachter gehen davon aus, dass Merz insbesondere beim Thema Migration Kompromisse eingehen muss und seinen scharfen Kurs nicht weiterführen kann. Mit der SPD werden die von Merz im Wahlkampf vollmundig verkündeten Änderungen in der Asylpolitik nicht einfach umgesetzt werden können.

„Verständnis für die SPD“ – Versöhnliche Töne von Markus Söder

Eine wichtige Rolle dürfte in den nächsten Wochen auch CSU-Chef Markus Söder spielen. Er will neben seinem Ministerpräsidenten-Job in Berlin mitentscheiden. Am Dienstag postete er ein Foto, das die Spitzen von CDU und CSU in Berlin zeigt.

Im ARD-„Morgenmagazin“ gab sich Söder staatsmännisch und schlug versöhnliche Töne in Richtung SPD an. Der Bayer lobte am Dienstag die SPD als große Volkspartei und historisches Bollwerk gegen den Extremismus. Die SPD habe „gerade in ihrer Geschichte immer gezeigt, dass sie die einzige fast sogar war in den 30er Jahren, die die Kraft hatte, noch zu widerstehen damals im Reichstag“. Die Sozialdemokraten müssten also auch jetzt angesichts von Linken und AfD ihrer Verantwortung nachkommen, so der Tenor.

Söders Schmeicheleien in Richtung SPD gingen weiter, indem er für das angebliche Scheitern der Migrationspolitik der Ampel die Grünen verantwortlich machte. Diese hätten „alles blockiert“, auch nach Aschaffenburg, und den Familiennachzug ausgeweitet. Dies sei eine „unempathische und klar ideologisch motivierte Politik“ gewesen. Jetzt könne man ja „anders entscheiden“, folgert Söder. Union und SPD müssten sich „am Riemen reißen“ und „tatsächlich eine Regierung bilden, die die Migrationsfrage löst und auch die Wirtschaftsfrage löst“, betonte Söder.

Markus Söder lobt Boris Pistorius

Söder stimmte im „Moma“ ausdrücklich auch noch Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) zu, der die Verteidigungsausgaben erhöhen will. Pistorius hatte die Union dazu aufgefordert, beim Bundeswehretat eine Ausnahme von der Schuldenbremse zu beschließen. „Für die auskömmliche Ausstattung der Bundeswehr ist eine Ausnahme von der Schuldenbremse praktisch unumgänglich“, sagte Pistorius der „Bild“-Zeitung.

Derzeit wird debattiert, ob die Schuldenbremse noch mit der Mehrheit des alten Bundestages gelockert werden könnte. Söder sagte dazu, dies müsse man genau prüfen. Es gebe Argumente dafür und dagegen. „Ich bin da etwas zurückhaltend“, so Söder.

Die Führung der SPD müsse am Ende „eine Vorgabe machen“ und über Koalitionsverhandlungen entscheiden, es dürfte nicht jede Stimme zu Wort kommen, sagte Söder und meint damit vermutlich Meinungen aus dem linken Flügel. Er sprach sogar von „Verständnis für die SPD“, und dass „manches Atmosphärische“ der vergangenen Tage und Wochen besprochen werden müsse.

Die Union war bei der Bundestagswahl klar stärkste Kraft geworden, die SPD dagegen auf ein historisches Tief gestürzt. Alles läuft nun auf dieses Zweierbündnis hinaus – auch, weil eine Koalition von Union und Grünen keine Mehrheit der Mandate hätte. (mit dpa)