Mit unkonventionellen Aktionen hat Grünen-Kandidat Habeck im Wahlkampf nicht gespart. Doch für den selbsterklärten „Bündniskanzler“ bleibt am Ende wohl nur die Opposition.
Niederlage des „Bündniskanzlers“Habeck und die Grünen stehen nach der Bundestagswahl vor Grundsatzfragen
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Robert Habeck ((Bündnis 90/Die Grünen), Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz und auf Bundespressekonferenz am Tag nach der Bundestagswahl.
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Grünen-Kanzlerkandidat Robert Habeck versuchte gar nicht erst, das mäßige Abschneiden seiner Partei schönzureden. „Dann muss man auch sagen, dass ich mehr wollte. Ich glaube, dass alle von mehr geträumt haben“, räumte er flankiert von Partei- und Fraktionsführung auf der Bühne beim Grünen-Wahlabend in Berlin ein. Einen Grund dafür präsentierte Habeck im nächsten Atemzug.
Noch bis Mitte Januar seien die Grünen in den Umfragen auf einem guten Weg gewesen. Doch dann habe die Union im Bundestag mit der AfD gestimmt. „Und danach haben sehr viele Leute gesagt: „So nicht, nicht Friedrich Merz und nicht regieren mit der Union.“ Die Grünen hatten eine mögliche Koalition mit der CDU/CSU trotz aller Kritik an Merz nicht ausgeschlossen.
Liegt die Niederlage der Grünen an Merz?
Die Grünen hätten in der schwierigen Ampel-Koalition viel weniger stark verloren als die beiden Partner von SPD und FDP, heißt es beim Wahlabend. Habeck verspricht mit Blick auf 22 Uhr, wenn der Wahlabend der Grünen zur geschlossenen Gesellschaft werden sollte: „Dann wird gefeiert, bis die Augen tränen.“
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Der demonstrative Kampfgeist und der Verweis auf den politischen Gegner kann aber nicht darüber hinwegtäuschen: Es ist Habecks Niederlage. Wer sein Gesicht und das Wort „Bündniskanzler“ auf das Münchner Siegestor projizieren lässt, muss sich daran messen lassen, wenn er bei der Wahl auf Platz vier landet, wie sich am Abend abzeichnete.
Habeck wollte „Bündniskanzler“ werden
Doch nun deutet sich an, dass die Grünen die Ampel-Koalition mit einem schlechteren Ergebnis hinter sich lassen, als sie zu deren Beginn vorweisen konnten. 2021 holte die damalige Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock nach einem von Patzern durchsetzten Wahlkampf immerhin noch 14,7 Prozent.
Neben den beiden gesetzten Herren Olaf Scholz und Friedrich Merz sollte Habeck mit Coolness und Charisma punkten. Ein Typ, der zuhört, die Bereitschaft dazu demonstrierte er in Küchentischgesprächen mit Bürgerinnen und Bürgern. Hoffnung vermitteln, Aufbruchstimmung entzünden, das wollte Habeck, der auch gleich noch das passende Buch zum politischen Lebensgefühl veröffentlichte: „Den Bach rauf“.
Habeck sollte der „coole“ Kandidat sein
Doch der Versuch zündete nicht im erhofften Ausmaß. Die Grünen können sich zwar über eine wahre Eintrittswelle freuen, doch in den Umfragen spiegelte sich das kaum wider. Mit Habeck trat kein unverbrauchter Kumpeltyp für das Amt des Regierungschefs an, sondern ein Minister, an dem das Heizungsgesetz klebte und die Wirtschaftsflaute - auch, wenn er auf der Haben-Seite Erfolge beim Ausbau erneuerbarer Energien und die Sicherung der deutschen Energieversorgung nach Russlands Angriff auf die Ukraine vorweisen kann.
Falls es klappen sollte mit der Regierungsbeteiligung, gelten Habeck und Baerbock als gesetzt für Ministerposten. Die Parteichefs dürften wohl erst einmal im Amt bleiben. Eng würde es allerdings beim Gang in die Opposition. Erwartet wird, dass dann Baerbock nach dem Fraktionsvorsitz greift und ihn auch erhält. Katharina Dröge könnte als Co-Fraktionschefin im Amt bleiben und ihre bisherige Mitstreiterin Britta Haßelmann womöglich Vize-Parlamentspräsidentin werden.
Wer was werden könnte bei den Grünen
Die große Unbekannte ist Habecks Zukunft. Vom Rückzug ins Private bis zu einer erneuten Amtszeit als Parteichef oder einer neuen Rolle als Fraktionsvorsitzender ist alles denkbar. Ein Duo aus den beiden Realos Habeck und Baerbock an der Fraktionsspitze würden linke Grüne wohl kaum akzeptieren. Wenn er in die Parteiführung wechselt, müssten Franziska Brantner (Realo-Flügel) und Felix Banaszak (linker Flügel) ihre Ämter als Parteichefs aufgeben: Denn zwei Männer oder zwei Realos - beide Konstellationen sind nach dem zwar informellen, aber sehr wirkmächtigen Quotensystem der Grünen undenkbar.
Doch jenseits aller Personalfragen, aller Machtkämpfe, Triumphe und Enttäuschungen steht für die Grünen einiges zur Klärung an. Wer ist die Zielgruppe - enttäuschte frühere Merkel-Wähler? Oder ein Teil derer, die der Linkspartei zu einem vor einem Vierteljahr noch nicht vorstellbaren Erfolg verholfen hat? Die Partei steht vor Grundsatzfragen. (dpa)