Christian Lindner gibt nach dem FDP-Wahldebakel den Parteivorsitz ab. Auch in anderen Parteien rumort es.
Stimmung in den ParteienLindner verkündet Rückzug – Klingbeil rückt an SPD-Spitze
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Christian Lindner, Bundesvorsitzender und Spitzenkandidat der FDP, äußert sich bei der Wahlparty der Freien Demokraten (FDP) im Hans-Dietrich-Genscher-Haus.
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Bei der Abstimmung über den 21. Deutschen Bundestag kam es zu massiven Verschiebungen in der Wählergunst. Größte Gewinnerin ist mit einem Zuwachs von 10,4 Prozentpunkten die AfD. Größte Verliererinnen sind mit einem Minus von über 9,2 Punkten die SPD und die FDP mit einem Minus von 7,1 Punkten.
FDP-Chef Christian Lindner kündigte bereits am Wahlabend seinen Abschied aus der Politik an, nachdem seine Partei den Wiedereinzug in den Bundestag verpasste – nach 2013 zum zweiten Mal in der Geschichte der Bundesrepublik. „Nun scheide ich aus der aktiven Politik aus“, schrieb er auf X. Lindner hatte bereits in der „Berliner Runde“ von ARD und ZDF gesagt: „Wenn die FDP aus dem Bundestag ausscheidet, ist das völlig klar, dass ich dann auch aus der Politik ausscheide.“
Urgestein Wolfgang Kubicki hatte ebenfalls personelle Konsequenzen angekündigt, sollte seine Partei den Einzug in den Bundestag verpassen. „Mit dem Ablauf der Legislaturperiode“ werde seine politische Karriere enden. Doch am Montag sagte der 72-Jährige zur „Bild“: „Ich bin heute Nacht von so vielen Menschen aus der Partei und von Unterstützern gebeten worden, die Führung der Partei zu übernehmen, dass ich ernsthaft darüber nachdenke, im Mai zu kandidieren, um die Partei zusammenzuhalten und neu zu motivieren.“
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Strack-Zimmermann bringt sich in Position
Der stellvertretende Fraktionschef Konstantin Kuhle zeigt keine Ambitionen: Er werde jetzt in seinen erlernten Beruf als Rechtsanwalt zurückkehren, sagte der 36-Jährige im ARD-„Morgenmagazin“. Hingegen signalisierte Marie-Agnes Strack-Zimmermann Offenheit: „Ich stehe voll und ganz hinter der FDP und werde dort in der Partei Verantwortung übernehmen, wo es notwendig ist und wo es gewünscht wird“, sagte die EU-Abgeordnete der „Bild“-Zeitung laut Mitteilung am Montag.
Die SPD holte unter Bundeskanzler Olaf Scholz ihr bislang schlechtestes Ergebnis im Bund. Scholz kündigte am Wahlabend persönliche Konsequenzen an. Bei möglichen Koalitionsgesprächen mit der CDU/CSU werde er „nicht der Verhandlungsführer der SPD“ sein. „Das ist ein bitteres Wahlergebnis, es ist auch eine Wahlniederlage“, sagte Scholz. Er dankte allen Unterstützern und Wahlkampfhelfern, die sich trotz der schlechten Umfragen unermüdlich eingesetzt hätten. „Ich habe Verantwortung für dieses Wahlergebnis“, so Scholz, der anschließend Merz gratulierte.
Lars Klingbeil soll neuer Vorsitzender der Bundestagsfraktion werden
Deshalb stellte die SPD erste personelle Weichen: Parteichef Lars Klingbeil soll zusätzlich die Führung der SPD-Bundestagsfraktion übernehmen. Dies habe das SPD-Präsidium bei einer Sitzung am Sonntagabend „einstimmig vorgeschlagen“, sagte Klingbeil in der ARD. Seine Ko-Parteichefin Saskia Esken werde im Amt bleiben. Der bisherige Fraktionschef Rolf Mützenich trete nicht mehr an.
Zum ersten Mal verlor Mützenich den Kampf um ein Direktmandat in seinem Wahlkreis Köln III: Der 65-Jährige unterlag knapp der Grünen-Fraktionsvorsitzenden Katharina Dröge, die auf 26,0 Prozent kam. Mützenich holte 25,8 Prozent der Erststimmen. Über die Landesliste zieht er trotzdem ins Parlament ein.
BSW unter 5 Prozent: Was wird aus Sahra Wagenknecht?
Die BSW-Gründerin Sahra Wagenknecht hatte im Vorfeld mehrfach erklärt: „Die Wahl ist natürlich auch die Entscheidung über meine politische Zukunft.“ Wer nicht im Bundestag sitze, sei „in der deutschen Politik kein relevanter Faktor mehr“. Nun ist ihre Partei knapp an der Fünf-Prozent-Hürde gescheitert. Laut Bundeswahlleitung kommt das BSW auf 4,972 Prozent.
Dem Sprecher der Bundeswahlleiterin zufolge fehlten dem Bündnis lediglich rund 14.000 Stimmen zum Erreichen der Fünf-Prozent-Hürde. Fabio de Masi, der für das BSW im Europaparlament sitzt, übte Kritik an falschen Umfragen, „die sich wie ein Lauffeuer verbreiteten“. Das hätte die Stimmabgabe für seine Partei negativ beeinflusst. Die fehlenden Stimmen für das BSW setzte er in direkten Zusammenhang mit Berichten über die Auslandsdeutschen, die keine Wahlunterlagen erhalten hatten.
Grünen-Kanzlerkandidat Robert Habeck sprach für seine Partei von einem „achtbaren Ergebnis“. Die anderen Ampel-Parteien seien komplett eingebrochen. Er räumte aber ein, dass das Ergebnis der Bundestagswahl hinter den Erwartungen bleiben dürfte und sah den Grund dafür auch bei Friedrich Merz.
Bis Mitte vergangenen Monats seien die Grünen in den Umfragen auf einem guten Weg gewesen. Doch dann habe die Union im Bundestag mit der AfD gestimmt. „Und danach haben sehr viele Leute gesagt: ‚So nicht, nicht Friedrich Merz und nicht regieren mit der Union‘.“ Die Grünen hatten eine Koalition mit der Union nicht ausgeschlossen.
AfD will mit Merz paktieren
AfD-Bundessprecher Tino Chrupalla ordnete das Wahlergebnis in der ARD als „klares Votum gegen die von Friedrich Merz errichtete Brandmauer“ ein. Merz müsse erklären, wie er seine Wahlversprechen zu Migration und Wirtschaftspolitik ohne eine Regierungsbeteiligung der AfD umsetzen wolle.
CSU-Chef Markus Söder freute sich über einen „klaren Regierungsauftrag“ und spekulierte bereits über mögliche Koalitionen. Im Falle eines Einzugs der FDP in den Bundestag sprach er sich für ein Dreierbündnis mit den Liberalen aus: „Wenn man den Deutschen sagt: ‚Ihr habt die Wahl zwischen einer Kenia-Koalition und einer Deutschland-Koalition‘, dann ist eine Deutschland-Koalition auch vom Namen her klar der bessere Weg.“
Linke will aus der Opposition Veränderung schaffen
Auch das BSW kommt knapp nicht ins Parlament. Parteichefin Sahra Wagenknecht sagte am Abend vor Parteimitgliedern: „Selbst, wenn es nicht reicht, dann ist es eine Niederlage, aber es ist nicht das Ende des BSW. Den Gefallen können wir ihnen nicht tun.“
Derweil darf sich die Linke als Gewinnerin der Wahl fühlen. Das sah auch Spitzenkandidat Jan van Aken so. Er bestärkte die Position seiner Partei, keinen Anspruch auf eine Regierungsbeteiligung zu haben: „Aus der Opposition können wir auch Dinge verändern.“ Man werde zum Beispiel Friedrich Merz in Fragen des Sozialstaats beobachten. (red/dpa/afp)