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Moskau attackiert Merz und preist AfD„Good old Germany wird unwiderruflich zerstört werden“

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Kremlchef Wladimir Putin neben einer deutschen Fahne. Der russische Präsident schweigt bislang zum Wahlsieg von Friedrich Merz in Deutschland. (Archivbild)

Kremlchef Wladimir Putin neben einer deutschen Fahne. Der russische Präsident schweigt bislang zum Wahlsieg von Friedrich Merz in Deutschland. (Archivbild)

Während Putin schweigt, finden Moskaus Propagandisten und Politiker klare Worte für Friedrich Merz und die Bundesregierung.

Die Abrechnung mit der noch amtierenden deutschen Bundesregierung begann in Russland bereits am Freitag: „Das Ausmaß des Bösen, das uns das deutsche Regime angetan hat, ist kaum zu beschreiben“, schrieb Maria Sacharowa, Sprecherin des russischen Außenministeriums in ihrem Telegram-Kanal. Kritik aus Deutschland an den Gesprächen zwischen den USA und Russland nahm Sacharowa zum Anlass für ihre Abrechnung vor der Bundestagswahl.

Die deutsche Wirtschaft sei „ausgeblutet“ und die von Kanzler Olaf Scholz (SPD) ausgerufene „Zeitenwende“ habe die Deutschen lediglich „von einem wohlhabenden Leben ‚verschont‘“, ätzte Sacharowa. „Die Deutschen tun mir trotzdem leid, vor allem die Ostdeutschen – nicht alle haben eine solche Perversion verdient“, fügte die Außenamtssprecherin an, wohl bereits in Erwartung starker Ergebnisse für die russlandfreundlichen Parteien AfD und BSW im Osten des Landes.

Moskau rechnet mit Ampel ab: „Ausmaß des Bösen kaum zu beschreiben“

Der Ton wurde bis zum Wahlabend nicht sanfter: Am Sonntag widmete die russische staatliche Nachrichtenagentur Ria Novosti der Bundestagswahl und ihrem bereits zu diesem Zeitpunkt sehr wahrscheinlichen Gewinner, Friedrich Merz, eine Kolumne, prominent platziert auf der Startseite. Ein „konsequenter Russenfeind“ sei der CDU-Kandidat, befand Ria-Autor Kirill Strelnikow direkt als Einleitung. Schließlich habe Merz angekündigt, der Ukraine den deutschen Marschflugkörper Taurus liefern zu wollen – im Gegensatz zu Scholz.

Der nächste deutsche Kanzler sei aber nicht nur erklärter Feind Russlands, sondern vom ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj mit dem „Virus des Ukrainismus“ infiziert worden und wende sich deshalb nun sogar gegen Trump, hieß es weiter im gewohnt faschistischen Tonfall der Moskauer Propaganda. Merz sei außerdem aus „Pragmatismus“ und wegen seiner früheren Tätigkeiten beim US-Vermögensverwalter Blackrock „russophob“, lautete die Analyse weiter.

Kreml-Medien prophezeien „unwiderrufliche“ Zerstörung

US-Präsident Trump habe derweil „einen Prozess in Gang gesetzt, in dessen Folge sowohl good old Germany und ganz Europa unwiderruflich zerstört werden wird“, prophezeite der Kreml-Kolumnist bei RIA weiter. Trump werde Merz, der Trumps Annäherung an Moskau und die US-Einmischungen in den deutschen Wahlkampf zuletzt scharf kritisiert hatte, für die Widerworte bestrafen, erklärte der Propagandist. Dafür könnte Trump bald etwa „offen die AfD unterstützen, die alle Chancen hat, die nächste Wahl zu gewinnen“, ließ Strelnikow das russische Wunschszenario durchblicken.

Während Sacharowa und die Staatsmedien noch vor dem Wahlergebnis scharfe Töne anschlugen, kommentierte der Kreml den Wahlausgang am Sonntagabend zunächst nicht. Weder Wladimir Putin noch sein Sprecher äußerten sich zum Sieg des CDU-Kandidaten. Andere russische Politiker meldeten sich aber zu Wort – und äußerten sich ähnlich wie Sacharowa und Staatspresse zuvor.

Moskau prophezeit Deutschland „Niedergang“ unter Merz

Merz habe eine „quantenschwere Verflechtung im globalen Finanzwesen in einer riesigen Zahl von Ländern, darunter auch der Ukraine“, kommentierte der russische Senator Sergej Perminow das Wahlergebnis laut RIA. Die „Wahlkampfrhetorik“ des CDU-Kandidaten zu analysieren, sei jedoch „ergebnislos“, erklärte Perminow. „Die eigentliche Politik“ beginne erst später, führte der Senator aus.

Ein mit „Russland“ überklebtes AfD-Wahlplakat in München. Moskau lobt den Erfolg der Rechtspopulisten in Deutschland. Von Friedrich Merz verspricht man sich wenig in der russischen Hauptstadt. (Symbolbild)

Ein mit „Russland“ überklebtes AfD-Wahlplakat in München. Moskau lobt den Erfolg der Rechtspopulisten in Deutschland. Von Friedrich Merz verspricht man sich wenig in der russischen Hauptstadt. (Symbolbild)

Auch sein Kollege, Senator Alexej Puschkow, äußerte sich ähnlich. „Angesichts der Aggressivität von Merz gegenüber Russland sind dramatischere Szenarien in Form einer noch aktiveren Beteiligung Deutschlands am Krieg möglich“, erklärte der russische Senator. Mit Merz habe sich Deutschland für den weiteren „Niedergang“ entschieden. „Das bedeutet, dass Deutschland noch Raum zum Abstieg hat“, fügte Puschkow an.

Russland: Freude über „historischen Rekord“ für AfD

Der stellvertretende Vorsitzende des russischen Föderationsrates, Konstantin Kossatschow, zeigte sich derweil hoffnungsvoll, dass ein Kanzler Merz sich vom Kandidaten Merz, der eine „härtere Gangart“ als Scholz gegen Moskau eingeschlagen habe, unterscheiden könnte. „Wichtig für uns ist, dass wir in Bezug auf Russland und die Ukraine keine großen Veränderungen erwarten können“, schrieb Kossatschow bei Telegram und betonte ausführlich die Wahlerfolge von AfD und BSW.

„Etwa ein Drittel der Wählerschaft hat für Parteien gestimmt, die die derzeitige Politik des Landes gegenüber Russland und der Ukraine nicht teilen“, erklärte der Ratssprecher. Die AfD habe sogar einen „historischen Rekord“ eingefahren, zitierte die staatliche Nachrichtenagentur Tass Kossatschow. Ausgerechnet diese Parteien würden nun aber in der „vorbildlichen deutschen Demokratie“ bewusst von der Macht ferngehalten, ätzte er weiter.

Ähnliche Töne aus Moskau wie von J.D. Vance und Elon Musk

Deutschlands „Probleme“ werden mit Merz im Kanzleramt bestehen bleiben, versicherte Kossatschow schließlich. „Der gesichtslose liberale Scholz wird durch den gesichtslosen liberalen Merz ersetzt“, führte er aus. Durch so eine „Machtverschiebungen von einer liberalen Tasche in die andere“ könne es keine Fortschritte geben, prophezeite das Föderationsratsmitglied und verdeutlichte damit die neue russisch-amerikanische Einigkeit bei der Unterstützung radikaler Parteien in Deutschland. Auch US-Vizepräsident J.D. Vance und Tech-Milliardär Elon Musk hatten sich zuletzt mehrfach für die AfD starkgemacht.

Ganz andere Töne kamen unterdessen am Sonntagabend aus der Ukraine: „Herzlichen Glückwunsch an CDU, CSU und Friedrich Merz zum Sieg bei der Bundestagswahl“, schrieb Wolodymyr Selenskyj auf der Plattform X auf Deutsch. „Das ist ein klares Votum der Wählerinnen und Wähler – und wir sehen, wie wichtig das für Europa ist“, führte der ukrainische Präsident aus. „Wir zählen auf die weitere Zusammenarbeit mit Deutschland, um Leben zu schützen, echten Frieden in die Ukraine zu bringen und Europa zu stärken.“