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Rundschau-Debatte des TagesBricht Markus Söder bei der Impfpflicht Bundesrecht?

Lesezeit 4 Minuten
Söder Impfpflicht Debatte (1)

Bayerns Ministerpräsident Markus Söder 

  1. Die einrichtungsbezogene Corona-Impfpflicht im Gesundheitssektor soll ab dem 15. März gelten.
  2. Doch die bayerische Regierung stellt sich dagegen, hält sie für „nicht umsetzbar“.
  3. Ministerpräsident Markus Söder stellt sich damit gegen ein geltendes Bundesgesetz. Ist das erlaubt?

Köln – Bayern will sich mit der Umsetzung der Impfpflicht für Pflegeeinrichtungen Zeit lassen – das hatte für scharfe Kritik gesorgt, von Rechtsbruch war die Rede. Ist es das wirklich? Was ist die rechtliche Basis und gibt es einen Ermessensspielraum bei der Umsetzung des Gesetzes?

Was ist die rechtliche Grundlage für die Impfpflicht?

In bestimmten Einrichtungen wie Krankenhäusern, Pflegeheimen oder Arztpraxen müssen Angestellte vom Pfleger bis zur Putzkraft bis zum 15. März nachweisen, dass sie gegen Corona geimpft oder genesen sind – oder dass sie nicht geimpft werden können. Grundlage dafür ist ein Bundesgesetz, das im Dezember von Bundestag und Bundesrat – auch mit den Stimmen der Union – beschlossen wurde. Die Vorschrift ist Teil des sogenannten Infektionsschutzgesetzes. Darin heißt es, dass Einrichtungen die Daten von Angestellten ans Gesundheitsamt melden müssen, die keinen entsprechenden Nachweis vorlegen können. Das Amt kann den Nachweis nachfordern oder dem Betroffenen verbieten, die Räume der jeweiligen Einrichtung zu betreten oder in einem der im Gesetz genannten Unternehmen zu arbeiten.

Das Gesetz muss als Bundesrecht von den Ländern umgesetzt werden. Das gehört zu den Spielregeln des Föderalismus.

Haben die Behörden einen Ermessensspielraum?

Das Bundesgesundheitsministerium hatte erklärt, die Gesundheitsämter hätten einen gewissen Ermessensspielraum. Dabei gehe es etwa um arbeitsrechtliche Fragen und darum, ob ein Beschäftigter schuldhaft gehandelt habe sowie Fragen der Weiterbeschäftigung anderswo. Rechtsexperten gehen zudem davon aus, dass die Ämter nicht unbedingt sofort Betretungsverbote aussprechen müssen – wenn zum Beispiel ein Impfnachweis zeitnah nachgereicht wird. Dabei handelt es sich aber um Einzelfallentscheidungen. Die Bochumer Rechtswissenschaftlerin Andrea Kießling, die einen Fachkommentar zum Infektionsschutzgesetz geschrieben hat, sagte dem Spiegel dazu: „Eine flächendeckende Ausübung des Ermessens dahin gehend, dass nirgendwo in einem Bundesland Tätigkeitsverbote ausgesprochen werden, widerspricht in jeder Hinsicht dem Normzweck.“

Hat Bayerns Ministerpräsident Söder Recht gebrochen?

Der CSU-Chef hatte am Montag angekündigt, er wolle alle Spielräume nutzen, um die Umsetzung „vorläufig“ auszusetzen.

Ärztepräsident: Einführung ohne Kündigungen

Im Streit über eine einrichtungsbezogene Impfpflicht hat Ärztepräsident Klaus Reinhardt zwar für eine pünktliche Einführung plädiert, aber ohne Impfunwilligen gleich zu kündigen: „Einen Exodus von Pflegerinnen und Pflegern können wir uns nicht leisten“, sagte der Präsident der Bundesärztekammer (BÄK) unserer Redaktion. „Wir müssen deshalb jetzt darüber diskutieren, welche Konsequenzen ein unvollständiger Impfstatus für den individuellen Mitarbeiter haben soll, sobald die einrichtungsbezogene Impfpflicht am 16. März in Kraft getreten ist, und wie man diejenigen erreichen kann, die bisher noch nicht geimpft sind.“ Sein Vorschlag: „Durch die Abfrage des Impfstatus ließe sich eine direkte Ansprache der Ungeimpften unkompliziert organisieren.“

Der Ärztepräsident sagte, es müsse vor dem 15. März geklärt werden, wie mit impfunwilligen Beschäftigten zu verfahren sei. An der Pflicht will er aber nicht rütteln. „Die Impfung ist für Menschen, die in der Pflege, in Altersheimen und ähnlichen Einrichtungen arbeiten, eigentlich eine Selbstverständlichkeit“, so Reinhardt. Auch müssten Arbeitgeber die Möglichkeit haben, den Impfstatus ihrer Mitarbeiter zu erfragen. (tob)

Nun ist Söder promovierter Jurist und dürfte relativ genau wissen, was diese Spielräume beinhalten. Angesichts der aktuellen Lage ließe sich wohl nicht begründen, dass der Ministerpräsident bereits Recht gebrochen hat – das Gesetz greift ja Erst ab Mitte März. Staatsrechtler Joachim Wieland urteilte in der „Welt“ dementsprechend auch im Konjunktiv: „Ein solches Handeln wäre verfassungswidrig.“ Auch der Präsident des Bundessozialgerichts, Rainer Schlegel, hatte die Geltung des Gesetzes während einer Jahrespressekonferenz der Institution betont. Eine Aussetzung sei nicht möglich.

Bayerns Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU) ergänzte am Donnerstag im Bayerischen Rundfunk, die Einführung der Impfpflicht werde sich um ein „paar Wochen“ verschieben, weil viele Fragen noch offen seien. Auch eine Verschiebung ist jedoch rein rechtlich nicht möglich.

Kann der Bund ein Bundesland zwingen, die Regel durchzusetzen?

Rein rechtlich betrachtet lautet die knappe Antwort auf diese Frage: Ja. Verwaltungsrechtler Patrick Heinemann erläuterte die möglichen Eskalationsstufen in der Legal Tribune Online: Demnach kann die Bundesregierung Beauftragte in Bundesländer entsenden. Diese können allerdings nur Auskünfte verlangen, keine Weisungen erteilen. Im nächsten Schritt kann der Bundesrat beschließen, dass ein Bundesland Recht verletzt hat. Alternativ, so Heinemann, könne die Bundesregierung beim Bundesverfassungsgericht eine Pflichtverletzung feststellen lassen. Fruchtet all das nicht, steht noch der sogenannte Bundeszwang als Mittel zur Verfügung.

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Die Bundesregierung kann dann gemäß Grundgesetz „notwendige Maßnahmen“ treffen, um ein Bundesland zur Pflichterfüllung anzuhalten. Konkret wäre das etwa ein sogenannter Bundeskommissar, der die Exekutivgewalt im betroffenen Land übernimmt. Dieser hätte demnach Weisungsrecht gegenüber allen Behörden (Grundgesetz Artikel 37, Absatz 2).

Bislang wurde dieses Mittel in der Geschichte der Bundesrepublik allerdings noch nie angewendet. (mit dpa)