Kölner Professor warnt nach Wahl„AfD und Wagenknecht werden französische Verhältnisse herstellen“

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Freude bei Marine Le Pen und ihren Anhängern: Die Rechtsextremen liegen nach der Wahl in Frankreich vorne.

Freude bei Marine Le Pen und ihren Anhängern: Die Rechtsextremen liegen nach der Wahl in Frankreich vorne.

Der Wahlerfolg der Rechtsextremen in Frankreich sorgt für deutliche Reaktionen in Deutschland. Auch scharfe Kritik an Macron wird laut.

Der Wahlerfolg der französischen Rechtsextremen hat für Beunruhigung in der deutschen Politik und darüber hinaus gesorgt. Es könne „niemanden kaltlassen“, wenn in Deutschland oder „bei unserem allerengsten Partner und besten Freund eine Partei weit vorne liegt, die in Europa das Problem und nicht die Lösung sieht“, sagte Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) am Montag in Berlin.

Die Bundesregierung wollte das Ergebnis nicht offiziell kommentieren – äußerte aber die Hoffnung auf eine weitere enge Zusammenarbeit. „Wir arbeiten eng und vertrauensvoll mit Frankreich, unserem wichtigsten Partner in Europa, zusammen“, sagte Regierungssprecher Steffen Hebestreit. „Und so soll es nach unseren Vorstellungen auch bleiben.“ 

Wahlerfolg von Rechtsextremen in Frankreich sorgt für Beunruhigung 

Vertreterinnen und Vertreter von Parteien und Fraktionen äußerten ihre Besorgnis offener. CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann sagte, die Neuordnung der Politik in Paris werde das Verhältnis zu Deutschland „fundamental verändern“ und „sehr stark belasten“. SPD-Chefin Saskia Esken deutete das Ergebnis als Teil eines „Rechtsrucks in Europa“, der eine Gefahr für Zusammenhalt und Wohlstand darstelle. Bei der AfD begrüßte man den RN-Erfolg unterdessen.

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Parteiübergreifend war in Berlin auch von einer verhängnisvollen Fehlkalkulation des französischen Präsidenten Emmanuel Macron die Rede, der die Neuwahl vor drei Wochen nach der Schlappe seines Lagers bei der Europawahl angesetzt hatte. 

Kritik an Entscheidung von Emmanuel Macron: „Definitiv verzockt“

„Ich glaube, dass das Verhalten des französischen Präsidenten unklug war“, sagte FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai. Grünen-Chefin Ricarda Lang sagte Politico, Macron habe „jetzt wahrscheinlich eher zu einer Stärkung der Rechtsextremen beigetragen“. Sie erinnerte die Ampel-Parteien daran, dass sie „eine große Verantwortung in einer Zeit tragen, in der viele europäische Länder instabiler werden.“

Macron habe sich mit der Ausrufung vorgezogener Neuwahlen „definitiv verzockt“, sagte der SPD-Außenpolitiker Nils Schmid dem „Tagesspiegel“. „Es war eine Niederlage mit Ansage und es ist bis heute unerklärlich, warum er das Parlament vorzeitig aufgelöst hat“. Macron habe „damit die Türen der Macht für die Rechtsextremen weit aufgemacht“.

Trägt Deutschland eine Mitverantwortung?

Der SPD-Außenpolitiker Michael Roth sieht eine Mitverantwortung der Bundesregierung für das starke Abschneiden der Rechtspopulisten am Sonntag. „Wir nehmen zu wenig Rücksicht auf politische Debatten und Probleme in anderen Ländern“, sagte Roth gegenüber „Politico“. 

Die rechtsextreme französische Politikerin Marine Le Pen spricht nach der Veröffentlichung von Hochrechnungen.

Die rechtsextreme französische Politikerin Marine Le Pen spricht nach der Veröffentlichung von Hochrechnungen.

Die Alternative zu Macron sei „eben kein Sarkozy mehr, sondern eine stramme Rechtsnationalistin wie Marine Le Pen.“ Sollte sie die Macht übernehmen, hätte das auch dramatische Folgen für Deutschland. „Frankreich ist das Herz des vereinten Europas. Wenn dieses Herz nicht mehr kraftvoll schlägt, droht der EU ein Infarkt.“

CDU-Politiker warnt: „In Deutschland schließt sich das Zeitfenster“

Auch der Europapolitiker Dennis Radtke (CDU) warnte im Kurznachrichtendienst X vor einem „Endspiel“ für liberale Demokratien weltweit. „In Deutschland schließt sich das Zeitfenster, wenn wir ähnliche Entwicklungen verhindern wollen“, führte Radtke aus. 

Auch von deutschen Politik-Experten gab es derweil Kritik am französischen Präsidenten. „Macrons Projekt einer starken pro-europäischen politischen Mitte ist gescheitert. Nationalisten und Populisten, rechts wie links, gewinnen die Wahl“, schrieb der Kölner Professor für internationale Politik, Thomas Jäger, bei X.

Politik-Experten warnen: „AfD und BSW werden französische Verhältnisse herstellen“

Jäger warnte zudem vor „französischen Verhältnissen“ auch in Deutschland, wo insbesondere Sahra Wagenknecht jüngst „mit großer Unterstützung von ARD- und ZDF-Redaktionen“ zu einer „Marke“ aufgebaut worden sei. „Was Twitter für Trump, waren ARD und ZDF für Wagenknecht“, schrieb Jäger weiter. „AfD und BSW werden im September französische Verhältnisse herstellen“, fügte er an.

Mit Blick auf die kommenden Wahlen in den USA äußerte sich auch der Historiker und Russland-Experte Matthäus Wehowski zum Wahlausgang im Nachbarland und schrieb bei X von einem „Zerfall der politischen Mitte“ in Frankreich.

„Wenn jetzt Trump die Wahl in den USA gewinnt, dann siegt Putin“

„Wenn jetzt Trump die Wahl in den USA gewinnt, dann siegt Putin selbst, wenn seine Truppen in der Ukraine scheitern“, fügte Wehowski an, der im Gespräch mit dieser Zeitung jüngst davor gewarnt hatte, dass der Kreml bewusst extreme Parteien in Europa unterstütze. 

Auch im osteuropäischen Ausland rückte Russlands Einfluss auf Parteien in Europa in den Fokus. So warnte der polnische Ministerpräsident Donald Tusk am Montag vor einer „großen Gefahr“ für Frankreich und Europa. Neben dem Wahlergebnis in Frankreich verwies er auch auf „Informationen über den Einfluss Russlands und der russischen Geheimdienste in vielen rechtsradikalen Parteien in Europa“.

Donald Tusk: „Sie mögen Putin, das Geld und die unkontrollierte Macht“

Bei X schrieb Tusk zudem ohne weitere Erklärung: „Sie mögen Putin, das Geld und die unkontrollierte Macht. Sie regieren oder streben nach Macht in Ost- und Westeuropa. Sie bündeln ihre Kräfte im Europäischen Parlament.“

Die rechtsextreme Partei Rassemblement National (RN) war in der ersten Runde der Parlamentswahl in Frankreich am Sonntag auf gut 33 Prozent gekommen. Das links-grüne Wahlbündnis Neue Volksfront kam nach Hochrechnungen auf etwa 28 Prozent. Das Regierungslager von Präsident Emmanuel Macron lag mit knapp 21 Prozent abgeschlagen auf Platz drei. (mit afp)

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