Ohne Not ging der französische Präsident das Risiko einer Niederlage ein. Die politischen Konsequenzen seiner Fehlkalkulation sind dramatisch.
Kommentar zu Frankreich-WahlMacrons Coup war ein Rohrkrepierer
Es erschien wie ein unglaublicher politischer Coup, als Emmanuel Macron vor drei Wochen plötzlich die Nationalversammlung auflöste. Würde er einmal mehr alle überraschen, das Ruder herumreißen können? Nach der ersten Runde der Parlamentswahlen steht fest: Der Coup war ein Rohrkrepierer.
Ohne Not ging der französische Präsident das Risiko einer Niederlage ein – und eines historischen Erfolgs für den Rassemblement National (RN). Bis zuletzt hatte Macron in einer völligen Verkennung der Lage geglaubt, dieser ließe sich abwenden und die Stärkung seiner Regierungsmehrheit sei möglich. Die politischen Konsequenzen seiner Fehlkalkulation sind dramatisch. Das Land geht im besten Fall einer Blockade-Situation entgegen, nämlich wenn keine Partei bei der zweiten Wahlrunde am Sonntag eine absolute Mehrheit erzielt; und im schlimmsten Fall dem neuen Experiment einer Zusammenarbeit zwischen dem pro-europäischen, liberalen Präsidenten und den nationalistischen, Putin-nahen Rechtsextremen. Der RN hat weder ein durchdachtes wirtschaftliches noch gesellschaftliches Programm, sondern lebt vom Hass – auf Ausländer, die angeblichen Eliten und ganz konkret auf Macron.
Er war einst mit dem Versprechen angetreten, eine Politik zu machen, die den Extremen die Grundlage entzieht. Dabei ist er krachend gescheitert. Dabei hat Macron nach sieben Jahren im Amt eine Bilanz vorzuweisen: Er zeigte sich präsent auf der internationalen Bühne, stärkte die Wirtschaft, senkte die Arbeitslosigkeit und beschloss während der Corona- und der Energiekrise umfassende Staatshilfen – für die ihm niemand dankt. Auch seine Rentenreform war zwar unbeliebt, aber notwendig.
Doch es ist vor allem sein arrogantes Auftreten, das ihn immer unbeliebter machte. Jüngstes Beispiel war seine überhastete Entscheidung von Neuwahlen, die Frankreich auf unabsehbare Zeit destabilisiert und Macrons Rolle in Europa schwächt.