Seine entschiedene Haltung zur Hilfe für die Ukraine gefiel vielen Parteifreunden nicht. Zum Ende der Legislaturperiode will SPD-Außenpolitiker Michael Roth aus dem Bundestag ausscheiden. Was bewegt ihn?
Michael RothWarum der bekannteste SPD-Außenpolitiker geht
Der Tiefpunkt ist der SPD-Parteitag im vergangenen Winter. Michael Roth, 53, bekanntester Außenpolitiker der SPD, erhält bei den Vorstandswahlen nur 266 der Delegiertenstimmen. Er wird nicht wiedergewählt, und in der Halle bricht darüber spontaner Jubel aus. Mit dem Krieg in der Ukraine begann die Geschichte der Entfremdung zwischen Roth und seiner SPD, in der er seit 1987 Mitglied ist.
Seit Beginn des russischen Angriffs ist Roth ständiger Talk-Show-Gast und spricht sich dafür aus, die Ukraine mit allem zu unterstützen, was nötig ist – damit sie gewinnt. Roth war von Anfang an klar: Der „russische Imperialismus“ müsse entschieden gestoppt werden, sonst macht Putin weiter. Und dazu braucht die Ukraine wirksamere Waffen aus Deutschland. Das Problem: Roths Position war und ist in der SPD eher prominente Einzelmeinung als Mainstream.
Die Souvenirs einer langen politischen Karriere
Zusammen mit Marie-Agnes Strack-Zimmermann von der FDP und Anton Hofreiter von den Grünen reiste er als Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses wenige Wochen nach Kriegsbeginn in die Ukraine. Während Kanzler Olaf Scholz noch keinerlei Reisepläne hatte, preschte das Ampel-Dreigestirn vor. Doch während Strack-Zimmermann heute Spitzenkandidatin für die Europa-Wahl ist und Hofreiter zwar von manchen in seiner Partei als „Panzer-Toni“ belächelt, aber grundsätzlich unterstützt wird, geht es für Roth nicht weiter. Ende März erklärte er, dass er bei der nächsten Bundestagswahl 2025 nicht mehr kandidiert.
Alles zum Thema Deutscher Bundestag
- Ex-Bundesminister auf Lesetour Was Jürgen Trittin (Grüne) mit Blick auf die ZUE in Frechen rät
- Rundschau-Debatte des Tages Ist die Krankenhausreform noch zu retten?
- Historische Tradition Neuwahl kollidiert mit jahrhundertealtem Karneval in Damme
- Bundestagswahl FDP nominiert Markus Herbrand für Wahlkreis Euskirchen-Rhein-Erftkreis II
- „Als würde er ihn auslachen“ Europa schimpft, Moskau feixt – Kanzler nach Putins „wahrer Antwort“ im Kreuzfeuer
- Ukraine-Krieg Hat sich Scholz von Putin einschüchtern lassen?
- Bundesparteitag Brantner und Banaszak sind die neue Grünen-Chefs
In seinem großen Büro im Abgeordnetenhaus gegenüber dem Kanzleramt stehen die Souvenirs einer langen politischen Karriere. Ein Foto mit Angela Merkel, die ihm einmal Blumen zum Geburtstag überreichte. Roth ist seit 1998 im Bundestag, gewann in seinem hessischen Wahlkreis stets das Direktmandat, er war acht Jahre Staatsminister für Europa, 2019 wollte er sogar Parteivorsitzender werden. Er hat Politik studiert und sie zu seinem Beruf gemacht. Doch in den vergangenen zwei Jahren kam einiges zusammen.
Nach einer Auszeit nun das Aus
Wenn er die Fraktionssitzung seiner SPD in den Sitzungswochen betreten habe, kam er sich vor, als betrete er „einen Kühlschrank“. „Manchmal fühlte ich mich wie ein Fremdkörper“, sagte Roth kurz nach der Ankündigung seines Rückzugs Anfang April.
Im Gespräch in seinem Büro wirkt er nun aufgeräumt, nicht verbittert. Es handle sich um eine Entfremdung „vom Politikbetrieb insgesamt“, sagt er. Im Juni 2022 hatte er sich bereits eine Auszeit genommen – wegen mentaler Erschöpfung. Ständige Erreichbarkeit, Erfolgsdruck durch die sozialen Medien führten dazu, dass es ihm schlecht ging. Selbst einfache Dinge wie Einkaufen wurden zur Herausforderung. Roth sprach darüber damals sehr offen.
„Wenn man spürt, nicht mehr die Energie, die Kraft und die Geduld aufzubringen, die man braucht, sollte man selbstbestimmt eine Entscheidung treffen.“ Er habe irgendwann anerkennen müssen, dass er „für den Mount Everest der Politik nicht geschaffen bin“. Roth sagt: „Ich wollte nie ein dickes Fell haben. Ich halte Sensibilität für eine gute Ergänzung von Klugheit und Leidenschaft. Zyniker, die alles an sich abperlen lassen, sind für mich kein Vorbild.“ Der Betrieb aber erfordere heute Politiker, die aus anderem Holz geschnitzt sind als er. „Die Zeiten haben sich gewandelt. Ich würde mir wünschen, dass es erlaubt wäre, sich auch mal zurückzuziehen zum Nachdenken und das als Stärke und nicht als Schwäche gesehen würde.“
Es regt ihn zum Beispiel auf, „wie mit Charlotte Merz umgesprungen wird“. Die Frau von Friedrich Merz war in die Kritik geraten, weil sie beim CDU-Parteitag einen Reporter der „heute-show“ spontan in die Schranken wies. Roth meint: „Ich weiß nicht, wie mein Mann in einer solchen Situation reagiert hätte. Man soll sich mit Herrn Merz und seiner Politik auseinandersetzen, aber doch nicht mit seiner Ehefrau.“
Trotz Politik-Aus: Sozialdemokrat bis zum Ende
Inhaltlich ist Roth bei seiner Linie geblieben – und sieht sich bestätigt. „Was ich schon Anfang 2022 gefordert habe, ist doch heute politischer Mainstream.“ Man merkt ihm aber auch an, dass die monatelangen Debatten um den nächsten Panzer ihn zermürbt und manche Vorwürfe ihn verletzt haben. „Ich bin ein Linker! Die Internationale erkämpft das Menschenrecht. Daran glaube ich.“ Auch er wünsche sich, kein Geld für Waffen ausgeben zu müssen. „Aber wenn ein Land angegriffen wird von einer imperialistischen Diktatur, müssen wir ihm helfen. Vielen fällt es aber bis heute schwer, den kolonialen und aggressiven Charakter in Putins Vorgehen zu sehen.“
Auch wenn Roth Scholz nicht erwähnt, ist das natürlich ein Vorwurf an den Kanzler, der seinen Kurs von Maß und Mitte zuletzt mit seinem Nein zu Taurus-Lieferungen oder einer Nato-Unterstützung zur Sicherung des ukrainischen Luftraums bekräftigte. Mit seiner Partei macht er aber nicht Schluss. „Ich werde bis ans Ende meiner Tage Sozialdemokrat sein.“
Nach seiner Zeit im Bundestag will er gerne ein Buch schreiben. Sonst gibt es noch keine Pläne.