Meine RegionMeine Artikel
AboAbonnieren

Nach Linnemann-AbsageWird Jens Spahn nun neuer Wirtschaftsminister?

Lesezeit 4 Minuten
Scheint sich für den Posten des Wirtschaftsministers in Stellung zu bringen; Jens Spahn.

Scheint sich für den Posten des Wirtschaftsministers in Stellung zu bringen; Jens Spahn. 

Spahn könnte Merz' strategische Wahl als Wirtschaftsminister sein, um das CDU-Schlüsselressort prominent zu besetzen.

Einfach mal machen. Dieser Satz stammt von Carsten Linnemann, Generalsekretär der CDU und Merz’ wichtigster Mann auf dem Weg ins Kanzleramt. Einfach mal nicht machen – das passt also eigentlich nicht zu ihm. Am Tag nach seiner Ankündigung, nicht etwa Wirtschaftsminister zu werden, sondern Generalsekretär bleiben zu wollen, herrscht im Berliner Politikbetrieb deshalb eifriges Rätselraten, was hinter der Entscheidung steckt. Und alle Blicke richten sich auf einen anderen CDU-Mann aus Nordrhein-Westfalen.

Die Respektbekundungen für den Schritt aus seiner Partei fielen zwar einmütig aus: Da stelle sich einer in den Dienst der Sache, heische nicht nach Ämtern. Aber es gibt auch eine große Enttäuschung. Die „Wirtschaftswende“ war das Wahlkampf-Thema der CDU, und derjenige, der es mit Leib und Seele verkörperte, war Linnemann.

Politik wird bald am Kabinettstisch gemacht, nicht in der CDU-Zentrale

Wer ihm zuhörte, konnte seine Ungeduld, mit Bürokratieabbau und Steuersenkungen endlich ernst zu machen, nicht übersehen. Der promovierte Volkswirt steht für Marktwirtschaft und Ordnungspolitik wie kein anderer in der CDU. Und nun soll er das Ressort nicht wollen, in dem er selbst es hätte besser machen können?

Alles zum Thema Jens Spahn

Seine eigene Erklärung, als Generalsekretär könne er den „Politikwechsel besser forcieren“, überzeugt nicht jeden. Der Posten, so wichtig er in Oppositionszeiten war, verliert an Bedeutung, wenn die CDU regiert. Politik wird dann am Kabinettstisch von Friedrich Merz gemacht und nicht im Konrad-Adenauer-Haus. Linnemanns Aufgabe wird es sein, noch die schwierigsten Kompromisse schönzureden und für Merz den Laden zusammenzuhalten. Findet er das wirklich attraktiver?

Manche halten es für wahrscheinlich, dass Linnemann den Posten wirklich nicht mehr wollte, weil es dann doch kein Superministerium Wirtschaft und Arbeit und Soziales wurde, in dem er das Bürgergeld hätte reformieren können. Arbeit und Soziales bleibt bei der SPD. Glaubt Linnemann also selbst nicht mehr an die „Wirtschaftswende“? Dann wäre er als Generalsekretär, der künftig jede Bewegung von Merz als gut und richtig verkaufen müsste, womöglich auch nicht mehr der Richtige.

Linnemann-Entscheidung sorgt für Unruhe

Besonders im Wirtschaftsflügel der Union hat die Entscheidung für Unruhe gesorgt. In Linnemann, der vormals Chef der einflussreichen Mittelstandsvereinigung MIT war, hatte man große Hoffnungen gesetzt. Nun herrscht hier Ratlosigkeit und Enttäuschung. Manche mutmaßen, dass womöglich nicht Linnemann, sondern Friedrich Merz die Entscheidung getroffen haben könnte, weil es ihm die Kabinettsplanung erleichtert, wenn er schon mal einen Mann aus Nordrhein-Westfalen weniger mit einem Ministeramt versehen muss.

Womit wir bei Jens Spahn wären. Dieser hatte als Unions-Fraktionsvize für das Thema Wirtschaft in den Ampel-Jahren den grünen Wirtschaftsminister Robert Habeck vor sich hergetrieben – und gilt als einer, an dem Merz bei der Postenbesetzung nicht vorbeikommt. Spahn hat als Ex-Gesundheitsminister Regierungserfahrung, ist eloquent und bestimmt die Agenda wie kaum ein anderer in der CDU. Gerade erst hat er eine Debatte über den Umgang mit der AfD vom Zaun gebrochen. Spahn weiß, wie man sich im Gespräch hält.

Als er am Mittwoch zu einer „turnusmäßigen“ – wie er betont – Presserunde einlädt, ist der Saal so voll, dass noch Stühle hereingetragen werden müssen. Doch Spahn hält sich in puncto Kabinettsposten vollkommen bedeckt. Ihm wird nachgesagt, dass er eigentlich auf den wichtigen Posten des Fraktionschefs aus ist. Von dort aus könnte er Merz beerben, sollte dieser vorzeitig im Kanzleramt scheitern. Merz hätte an der Stelle wohl lieber einen engen Vertrauten, der ihm nicht bei nächster Gelegenheit in den Rücken fällt.

Mit Spahn als Wirtschaftsminister hätte Merz also gleich zwei Probleme weniger. Der Posten wäre prominent besetzt – und Spahn erstmal eingehegt. Es kommt eigentlich nicht infrage, das Schlüsselressort, zu dem die CDU das Wirtschaftsministerium selbst erklärt hat, jetzt an jemanden zu übergeben, den niemand kennt und der die „Wirtschaftswende“ nicht auch verkörpert. Bezeichnenderweise fällt einem da, neben Linnemann und Spahn, eigentlich niemand ein. Julia Klöckner, zuletzt wirtschaftspolitische Sprecherin der Fraktion, ist inzwischen Bundestagspräsidentin.