Berlin – Bei der geplanten kontrollierten Freigabe von Cannabis in Deutschland soll der Schutz vor Gesundheitsschäden eine zentrale Rolle spielen. Vorgegangen werde nach dem Prinzip „Safety first“ (Sicherheit zuerst), sagte Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) am Donnerstag bei einer Expertenanhörung zur Vorbereitung des Gesetzgebungsverfahrens in Berlin. Es sei nicht gewollt, Cannabis zu verharmlosen. Die Risiken der derzeitigen Praxis seien aber größer als das, was mit einer legalisierten Abgabe erreicht werden könne.
„Die derzeitige, vorrangig repressive Umgehensweise mit Cannabis ist gescheitert“, sagte Lauterbach. Er verwies unter anderem auf einen steigenden Konsum, mehr Cannabis-Verunreinigungen, und dass der Markt aggressiver geworden sei. Die Ampel-Koalition habe sich daher fest vorgenommen, diesen „Kurswechsel“ vorzunehmen. SPD, Grüne und FDP haben im Koalitionsvertrag vereinbart, eine „kontrollierte Abgabe von Cannabis an Erwachsene zu Genusszwecken in lizenzierten Geschäften“ einzuführen. Nach vier Jahren sollen Auswirkungen ausgewertet werden.
Cannabis-Freigabe: „Lang ersehnter Schritt für viele“
Lauterbach sagte: „Es ist für viele ein lang ersehnter Schritt.“ Das Vorhaben sei aber „alles andere als trivial“. Zu klären seien unter anderem Aspekte des Jugendschutzes, aber auch im Strafgesetzbuch, im Steuerrecht oder im Straßenverkehrsrecht. Auf der Grundlage von Experteneinschätzungen solle im Herbst ein Eckpunktepapier und Ende des Jahres ein Gesetzentwurf vorlegt werden, „so dass wir dann mit dem Gesetzgebungsverfahren im nächsten Jahr durchstarten können.“
Lauterbach sprach bei der letzten von insgesamt fünf Anhörungen mit dem Titel „Cannabis - aber sicher“, die der Bundesdrogenbeauftragte Burkhard Blienert (SPD) zu verschiedenen Aspekten organisiert hatte. Blienert sagte, der Paradigmenwechsel in der Drogenpolitik werde nun konkret. Das Motto dabei laute: „Hilfe und Schutz statt Strafe.“
Im Mittelpunkt der Abschlussveranstaltung standen internationale Erfahrungen mit legalisierten Cannabis-Abgaben. So berichtete Dominique Mendiola von der zuständigen Behörde, wie Regelungen im US-Bundesstaat Colorado aussehen - etwa zur Rückverfolgbarkeit von Produkten, zur Lagerung, zu Packungs-Kennzeichnungen, Behältnissen, maximalen Portionsgrößen oder zum Diebstahlschutz.
Lauterbach: Cannabis ist keine Lifestyle-Droge
Lauterbach sagte zum hierzulande geplanten Weg, nicht gewollt sei, die Ausweitung des Cannabis-Konsums zu betreiben. Dies sei nach anderen Erfahrungen aber auch nicht anzunehmen. „Es ist immer zu berücksichtigen, dass Cannabis - auch zu Genusszwecken regelhaft verwendet - mit Gesundheitsrisiken einhergeht.“ Es gehe aber um „kontrollierte Qualität“ und besonders den Schutz junger Menschen.
„Cannabiskonsum ist für Jugendliche und insbesondere für Kinder keine Kleinigkeit und kann ein Leben zerstören, bevor es richtig angefangen hat“, sagte der Minister mit Blick auf Beeinträchtigungen etwa bei Leistungen in Schule und Ausbildung. Es solle nicht die Nachricht gesendet werden, dass Cannabis eine Lifestyle-Droge sein könnte.
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Derzeit nutzen etwa vier Millionen Erwachsene Cannabis, erläuterte Lauterbach. Es gebe einen großen Schwarzmarkt und organisierte Kriminalität in diesen Bereichen. Zudem seien Verunreinigungen zu beobachten, die teils auch beigefügt würden, um Menschen von Cannabis in andere Drogen zu überführen. Gestärkt werden sollten zudem Beratung und Aufklärung - nicht allein mit Blick auf Cannabis, sondern etwa auch zu Gefahren, die von Alkohol und Nikotin ausgehen.
Lauterbach berichtete erneut, dass er als Arzt und Wissenschaftler lange der Meinung gewesen sei, Cannabis nicht zu legalisieren. Er habe seine Meinung in den vergangenen zwei Jahren geändert. „Der Cannabiskonsum in Maßen, gut abgesichert, in Qualität und ohne Beschaffungskriminalität ist etwas, was man akzeptieren muss und was zu einer modernen Gesellschaft dazugehört.“ (dpa)