- Die hohen Preise und die unsichere Lage verunsichern auch viele Bürger. Was heißt das für die Demokratie?
- Der SPD-Chef geht auf gesellschaftliche Verwerfungen und die Reaktionen der Bundesregierung ein.
Herr Klingbeil, die Preise steigen immer weiter, ein Ende der unterschiedlichen Krisen scheint nicht in Sicht. Die Proteste, gerade im Osten, werden stärker. Ab wann wird es gefährlich für die Demokratie?
Wenn ich unterwegs bin, nehme ich wahr, dass die Menschen beunruhigt sind, dass sie sich nach Stabilität und Sicherheit sehnen. Daran muss die Politik hart arbeiten und Lösungen finden. Deswegen nehmen wir jetzt 200 Milliarden Euro in die Hand, eine gigantische Summe, um den Gaspreis für die Bürgerinnen und Bürger und für Unternehmen zu senken. Das ist unser Programm, um das Land gut durch die kommenden Monate zu bringen. Diejenigen, vor allem von ganz rechts und ganz links, die jetzt versuchen, die Sorgen der Bürgerinnen und Bürger zu instrumentalisieren, wollen das Land zu spalten. Das ist unanständig.
Die SPD verspricht: Jede und jeder kommt gut durch den Winter. Wäre es nicht richtiger zu sagen: Nicht alle Auswirkungen von Krieg, Inflation, Energiepreisen lassen sich staatlich abfedern?
Olaf Scholz hat in der Tat gesagt, dass wir niemanden allein zurücklassen und das ist richtig. Natürlich werden wir nicht alle Belastungen als Staat abfangen können, es gibt auch Bürgerinnen und Bürger, die sehr viel verdienen, die die Preissteigerungen ohne Unterstützung verkraften können. Wir werden Härten abfedern bei denjenigen, die wenig haben und deshalb existenziell bedroht sind. Und vor allem werden wir es schaffen, Arbeitsplätze in unserem Land zu sichern.
Um einen zweiten Winter wie diesen zu verhindern, muss nicht nur die Gasversorgung anders aufgestellt werden. Die Bürger müssen auch ihre Wärme- und Energieversorgung umrüsten. Woher soll der Strom dafür kommen?
Wir haben aktuell keine Strom-, sondern eine Gasknappheit. Da müssen wir schnell umstellen – etwa durch LNG-Terminals, die gerade in Niedersachsen entstehen. Vor allem geht es aber um den radikalen Ausbau der erneuerbaren Energien. Da reduzieren wir jetzt Planungs- und Genehmigungszeiten, damit das noch schneller klappt.
Sie haben gesagt, es gebe jetzt keine Knappheit bei Strom. Wenn bald alle Gaskunden mit Wärmepumpen heizen und E-Autos fahren, wird sich das ändern.
Deswegen müssen wir im Bereich der Erneuerbaren massiv investieren – in Photovoltaik, Windkraft, Offshore. Aber es geht auch um Energiekooperationen, im Bereich Wasserstoff etwa. Es gibt viele Länder, die bessere Voraussetzungen haben, um erneuerbare Energie zu produzieren. Da müssen wir jetzt auch in die Zusammenarbeit einsteigen, wie Bundeskanzler Olaf Scholz dies zum Beispiel mit Kanada organisiert hat. Es gibt auch weiteres Potenzial in Spanien oder Südamerika.
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Warum macht es die Koalition den Bürgern nicht einfacher, etwa Dächer mit Solarenergie auszustatten? Wer das will, muss sich tief in Regularien einarbeiten. Wer Mieter hat, muss Steuerfragen klären. Wo bleiben die Anreize, wo bleibt die Unterstützung bei dieser gesamtgesellschaftlichen Aufgabe?
Da hat Robert Habeck als zuständiger Wirtschaftsminister nachgesteuert. Wenn die Unterstützung aber noch zu bürokratisch ist, dann bin ich dafür, dass wir hier weiter Hürden abbauen. Das darf nicht zu kompliziert sein. Am Ende darf Bürokratie den Ausbau der Erneuerbaren auch im privaten Bereich nicht verhindern.
Für wie wahrscheinlich halten Sie es, dass Russland in der Ukraine Atombomben einsetzt?
Für mich ist zunächst wichtig, dass wir die Ukraine weiter umfangreich unterstützen. Unsere Solidarität wird nicht nachlassen. Wir lassen uns von Putin nicht einschüchtern. Gerade schickt er über die Teilmobilmachung 300.000 junge Männer aus Russland als Kanonenfutter an die Front, weil er durch die militärischen Erfolge der Ukraine in Bedrängnis kommt. Ein Atomwaffeneinsatz wäre eine weitere rote Linie, die Russland global komplett isolieren würde.
Am kommenden Sonntag wird in Niedersachsen gewählt: Was würde es für den Bund bedeuten, wenn die CDU stärkste Kraft wird?
Ich bin fest davon überzeugt, dass die SPD stärkste Kraft bleibt und Stephan Weil das Land als Ministerpräsident weiter in eine gute Zukunft führen wird.
Angela Merkel verhält sich als Alt-Bundeskanzlerin eher ruhig. Hätten Sie sich das auch von Gerhard Schröder gewünscht?
Ich finde nicht, dass ein ehemaliger Bundeskanzler ruhig sein muss, aber ich würde mir wünschen, dass er in wichtigen politischen und gesellschaftlichen Fragen auf der richtigen Seite steht.
Was heißt das?
An der Seite Russlands, an der Seite von Wladimir Putin zu stehen in einer Zeit, in der Putin einen brutalen Krieg gegen die Ukraine und unsere Werte führt, ist definitiv die falsche Seite.