Profiteure der KriseSind Steuern auf Krisengewinne nötig?
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Brüssel – Während die Bundesregierung die sogenannte Übergewinnsteuer für Energiekonzerne bislang ablehnt, erheben Länder wie Italien oder Griechenland bereits eine Sonderabgabe auf außerordentlich hohe Gewinne. Wie läuft es in diesen Staaten und lassen sich Krisenprofiteure wirklich zur Kasse bitten?
Sollten Krisenprofiteure im Interesse des Gemeinwohls deutlich mehr Steuern bezahlen? Die Frage beschäftigt angesichts des Kriegs in der Ukraine und explodierenden Energiekosten seit Monaten Europa. Denn während Bürger aufgerufen werden, sich im kommenden Winter wärmer anzuziehen statt allzu viel zu heizen, streichen einige Konzerne Rekordgewinne in Milliardenhöhe ein. Der Lösungsvorschlag vieler Politiker lautet: die Einführung einer Übergewinnsteuer.
Mögliche Milliardeneinnahmen
Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) lehnt eine solche für Deutschland zwar ab, von Seiten der SPD und der Grünen aber mehren sich die Stimmen für eine Sonderabgabe für Energiekonzerne, die vom drastischen Anstieg der Öl- und Gaspreise profitieren. Vorneweg Branchenriesen wie RWE, Vattenfall und EnBW wären betroffen. Die EU-Kommission gab den 27 Mitgliedstaaten bereits im März einen Leitfaden mit Empfehlungen für eine Übergewinnbesteuerung an die Hand, wenn „übermäßige Marktverzerrungen“ vermieden werden.
Linken-Parteichefin Janine Wissler hat mit Blick auf die Finanzierung eines von ihrer Partei geforderten Gaspreisdeckels erneut eine Übergewinnsteuer ins Gespräch gebracht. Wissler sagte, im Vergleich zur Gasumlage und der angekündigten Mehrwertsteuersenkung sei das Modell „deutlich weniger kompliziert als das Chaos, was man jetzt gerade angerichtet hat“.
Katharina Dröge, Grünen-Fraktionschefin, plädiert: „Damit würden Konzerne, die übermäßig von der Krise profitieren, ihren Beitrag für den sozialen Zusammenhalt leisten.“(dpa)
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Gerade erst ergab eine Studie der Wissenschaftler David Kern-Fehrenbach und Christoph Trautvetter vom Netzwerk Steuergerechtigkeit, einer Allianz von Verbänden und Nichtregierungsorganisationen, für die Linken-nahe Rosa-Luxemburg-Stiftung, dass der deutsche Staat – je nach Modell und abhängig vom gewählten Satz – mit einer Übergewinnsteuer für Öl-, Gas- und Stromkonzerne Einnahmen von rund 30 bis 100 Milliarden Euro pro Jahr generieren könne. „Realistisch wären 30 bis 40 Milliarden Euro“, sagt David Kern-Fehrenbach, einer der beiden Studienautoren.
Beispiele aus der EU
Zahlreiche EU-Länder haben bereits in unterschiedlicher Form eine Übergewinnsteuer eingeführt. In Griechenland, Rumänien und Spanien etwa sind die Stromerzeuger von der temporären Abgabe betroffen. Deshalb seien die Mehreinnahmen laut Kern-Fehrenbach zum Beispiel in Griechenland relativ gering, obwohl der Steuersatz bei 90 Prozent liegt.
Die Wissenschaftler empfehlen deshalb für Deutschland, neben Stromproduzenten auch Mineralölkonzerne mit einer Übergewinnsteuer zu belasten – ähnlich wie in Italien. Dort haben Unternehmen bereits eine „außerordentliche Solidaritätsabgabe“ abzuführen, wie die Regierung in Rom im März ankündigte. So müssen diese ab einer bestimmten Zugewinngröße – in dem südeuropäischen Staat greift man auf die Umsatzsteuervoranmeldung zurück, um den Gewinn aus Krisenzeit mit jenem aus der Vorkrisenzeit zu vergleichen – 25 Prozent direkt vom Umsatz an den Staat überweisen.
Rund zehn Milliarden Euro an Mehreinnahmen versprach sich die Regierung in Rom zum ersten Stichtag Ende Juni, um die unter hohen Energiekosten ächzenden Unternehmen und Haushalte zu entlasten. Doch viele von der Maßnahme betroffenen Konzerne haben die Zahlung der ersten Rate offenbar verweigert. Zunächst gingen lediglich eine Milliarde Euro an den Fiskus. Beobachter rechnen jedoch damit, dass große Teile der Zahlungen noch nachträglich getätigt werden. Oder könnten sich Unternehmen, beispielsweise durch Klagen, der Zwangsabgabe zumindest zeitweise entziehen? „Es wäre ein unrealistisches Szenario für Deutschland, weil es rein rechtlich nicht möglich ist, sich einfach einer Steuer zu widersetzen“, sagt Kern-Fehrenbach.
Probleme bei der Besteuerung
Während die europäischen Beispiele gemeinsam haben, dass sie vorübergehende Maßnahmen sind, gebe es bei allen Modellen auch eine Schwierigkeit: „Das Problem ist, dass ein großer Teil der Gewinne der Mineralölkonzerne nicht in den Ländern vor Ort verbucht wird, sondern in den Förderländern oder in Steueroasen wie Singapur oder in der Schweiz“, so Kern-Fehrenbach. Die Studienautoren schlagen deshalb vor, den in Deutschland zu versteuernden Gewinn anhand des deutschen Anteils am Umsatz aus den globalen Konzerngewinnen abzuleiten. Kern-Fehrenbach verweist in diesem Zusammenhang auf das Thema Digitalsteuern, wo manche Staaten, darunter Frankreich, ähnlich agiert haben.
Auch Rasmus Andresen, Sprecher der deutschen Grünen im EU-Parlament, verlangte „eine europaweit eingeführte Übergewinnsteuer“. Doch während seiner Meinung nach die „übermäßigen Profite von einigen Energiekonzernen“ denen zugutekommen müssten, „die ihre Energierechnungen nicht mehr zahlen können“, nannte der CSU-Europaabgeordnete Markus Ferber solche Forderungen „reinen Populismus“. Das Steuersystem garantiere bereits heute, „dass mit steigenden Gewinnen auch die Steuereinnahmen steigen“.