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Kirchenrechtler zur Missbrauchs-Aufarbeitung„Kommissionen brauchen Rechte wie Staatsanwälte“

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Kirchenrechtler Thomas Schüller: Probleme gibt es nicht nur in Köln

Der Vorsitzende der Aufarbeitungskommission für das Erzbistum Köln, Stefan Rixen, ist zurückgetreten. Hat das Modell dieser Kommissionen eine Zukunft, oder muss der Staat die Aufarbeitung organisieren? Fragen an den Kirchenrechtler Prof. Thomas Schüller aus Münster.

Professor Rixen bezweifelt, dass das bisherige Modell Unabhängiger Kommissionen mit Vertretern von Kirche, Staat und Betroffenen Zukunft hat. Muss man das generell bezweifeln – oder ist das ein spezielles Kölner Problem?

Das ist nicht nur ein Kölner Problem. Ich habe mich selbst auf Bitten von Betroffenen als Mitglieder der Kommission hier in Münster zur Verfügung gestellt. Hier und auch in vielen anderen Unabhängigen Kommissionen stoßen wir auf die gleichen Probleme. Selbst dann, wenn die Bischöfe besten Willens sind, mauern Leute aus ihren kirchlichen Verwaltungen. Kommissionen fordern Akten an und bekommen Unterlagen und Informationen, die ganz offensichtlich ausgewählt, gefiltert, aufbereitet sind. Wir brauchen aber die ganze, originale Akte, um den Betroffenen überhaupt helfen zu können. Professor Rixen ist der katholischen Kirche wirklich eng verbunden und ein hochangesehener Jurist – ich kann verstehen, dass er an der Aufgabe verzweifelt ist.

Das beklagt ja auch Professor Rixen in Köln. Das heißt dann aber, es geht nicht nur um die Benennung der Kommissionsmitglieder, sondern auch um den Zugriff auf Akten?

Ja. Vorbildlich wäre ein Modell, wie wir es in den angelsächsischen Ländern oder in Frankreich haben: Die Aufarbeitungskommissionen haben Rechte wie Staatsanwaltschaften. Auch beim Zugriff auf Akten.

Ein „massive Störgefühl“ hat bei Rixen ein Gespräch mit Kardinal Woelki über den Fall Pilz hinterlassen …

Sehen Sie es mir nach, dass ich mich nicht konkret zu Kardinal Woelki äußern möchte. Nur so viel: Man muss ja bedenken, dass dieser Fall im Mittelpunkt zivilrechtlicher Auseinandersetzungen und jetzt auch strafrechtlicher Ermittlungen steht. Woelki muss sich da, mit wem auch immer er darüber spricht, in enger Abstimmung mit seinen Anwälten äußern. Das kann Rixen gar nicht anders erwarten.

Das wäre aber auch bei einer staatlichen Kommission so.

Richtig, aber die hätte eben, wenn sie wie eine Staatsanwaltschaft arbeiten dürfte, noch ganz andere Mittel zur Aufklärung. Aber seien wir bitte fair. Es geht nicht nur um Woelki und darum, wie weit er Fälle aus der Zeit seiner Vorgänger noch einmal hätte überprüfen müssen. Es gibt andere Bischöfe wie Franz-Josef Bode in Osnabrück, die massive Fehler begangen haben, aber sie gelten kirchenpolitisch als angenehmer, deshalb thematisieren viele das nicht so. Und es geht auch nicht um die katholische Kirche. Ich sehe leider auf Bundesebene keine Mehrheit dafür, die Gesetzesgrundlage für staatliche Kommissionen zu schaffen. Nach meiner Überzeugung ist das so, weil man die Weiterungen scheut. Es gibt ja, ganz abgesehen vom sexuellen Missbrauch in Familien, noch weitere öffentliche Einrichtungen, die Schwerpunkte für diese Verbrechen sind: die evangelische Kirche, Sportvereine und die Schulen. Mir kommt es manchmal vor wie Krakenarme, die überall durchkommen, und das Prinzip staatlicher Aufarbeitung müsste für alle genannten Bereiche gelten.