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Fall HeßeWie die Papst-Entscheidung bei der Basis und Betroffenen ankommt

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Stefan Heße (l.) und Rainer Maria Kardinal Woelki, hier 2018 in Münster. 

Köln – Stefan Heßes erste Reaktion auf das Schreiben aus Rom war durchaus zurückhaltend: „Die mir gewährte Auszeit ist beendet und ich übernehme nun nach dem Willen des Papstes ausdrücklich wieder Verantwortung als Erzbischof von Hamburg“, ließ er am Mittwoch um 12.15 Uhr mitteilen.

Eine Viertelstunde zuvor hatte die Apostolische Nuntiatur, die Vertretung des Heiligen Stuhls in Berlin, die Mitteilung (kirchenamtlich: „Allegato“) verbreiten lassen, nachdem „S.E. Mons.“, also seine Exzellenz Monsignore Stefan Heße, zwar schwere Verfahrensfehler begangen, sie aber „in Demut anerkannt und sein Amt zur Verfügung“ gestellt habe. Verfahrensfehler seien es eben gewesen, keine Vertuschung, und das Grundproblem sei „im größeren Kontext der Verwaltung der Erzdiözese“ zu suchen – wie der Papst unter ausdrücklicher Bezugnahme auf die Visitation in Köln durch Kardinal Anders Arborelius aus Stockholum und Bischof Hans van den Hende aus Rotterdem mitteilen ließ. Summa summarum: Papst Franziskus hat sich entschieden, „den Amtsverzicht S.E. Mons. Heßes nicht anzunehmen, sondern ihn zu bitten, seine Sendung als Erzbischof von Hamburg im Geist der Versöhnung und des Dienstes an Gott und den seiner Hirtensorge anvertrauen Gläubigen fortzuführen“. Dazu, so Franziskus, erbitte er „auf die Fürbitte der seligen Jungfrau und Gottesmutter Maria und des Heiligen Ansgar Gottes reichen Segen“.

Prozess gegen Pfarrer U. beginnt im November

Wie dringend er den braucht, weiß Heße wohl selbst. „Dabei bin ich mir durchaus bewusst, dass es nicht unbedingt leicht sein wird, meinen Dienst wieder aufzunehmen.“ Nicht leicht in vielerlei Hinsicht. Die fatalen Fehler beim Umgang mit sexualisierter Gewalt im Erzbistum Köln werden Heße weiter begleiten. Ende November beginnt in Köln der Prozess gegen den zuletzt in Wuppertal tätigen Pfarrer U., der seine drei kleinen Nichten in den 1990er Jahren sexuell missbraucht haben soll. Peinlich genau dokumentiert das vom Erzbistum in Auftrag gegebene Gutachten des Kölner Strafrechtlers Björn Gercke Heßes Agieren. Die Richter dürften sich auch für eine kryptische Aktennotiz interessieren, nachdem U. Heße 2010 „alles erzählt“ haben soll – aber was war alles? Laut Notiz soll Heße auch zugestimmt haben, den ganzen Vorgang nicht zu den Akten zu nehmen. Er bestreitet das. Der Vorgang wurde schon lange vor Veröffentlichung des Gercke-Gutachtens publik, als das Magazin „Christ und Welt“ Auszüge aus einem ersten vom Erzbistum Köln bestellten Gutachten der Münchner Kanzlei Westpfahl Spilker Wastl (WSW) durchstach. Heße sagte noch im Herbst 2020 dieser Zeitung, die Frage nach einem Rücktritt stelle sich „im Moment nicht“.

Schwaderlapp und Assenmacher mussten gehen

Am 18. März 2021 war der „Moment“ dann gekommen. Der Kölner Erzbischof Rainer Maria Kardinal Woelki nahm das soeben veröffentlichte Gercke-Gutachten zum Anlass, zwei hohe Geistliche von ihren Aufgaben freizustellen: Weihbischof Dominikus Schwaderlapp und den Offizial, also den Leiter des erzbischöflichen Gerichts, Günter Assenmacher.

Unter diesem massiven Druck bot auch Heße seinen Rücktritt an. Soweit bekannt, gab es zwischen Woelki und ihm schon vor Vorstellung des Gercke-Gutachtens kaum mehr eine Gesprächsbasis. Bereits mehr als ein Jahr zuvor hatte Heßes Justiziar gegen das WSW-Gutachten in Köln interveniert. Sofern der Papst in Sachen Woelki nicht grundsätzlich anders entscheidet als im Fall Heße, müssen sich die beiden Bischöfe also darauf einstellen, aufeinander zu treffen und kooperieren zu müssen.

„Höchst problematisch“ findet die Basisbewegung „Wir sind Kirche“ die Entscheidung des Papstes. Sie sei eine „faktische Amnestie“ für Heße. Das Vatikan-Schreiben hebt auf „Mängel in der Organisation und Arbeitsweise des Erzbischöflichen Generalvikariats“ ab, sieht ein „Grundproblem“ der Kölner Diözesanverwaltung in „Mangel an Aufmerksamkeit und Sensibilität den von Missbrauch Betroffenen gegenüber“. Dann aber, so die Initiative kritischer Katholiken, frage man sich doch, wer überhaupt noch für etwas verantwortlich sei.

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Kritisch äußert sich auch Bettina Heinrichs-Müller, stellvertretende Vorsitzende des Kölner Diözesanrats der Katholiken. „Neuer Wein gehört in neue Schläuche“, findet sie: „Der Diözesanrat hat immer deutlich gemacht, dass für eine glaubwürdige und nachhaltige Aufarbeitung struktureller, sexualisierter Gewalt und Missbrauch in der Kirche ein Aufbrechen der Strukturen notwendig ist. Ich bezweifle, dass dies mit den Personen des alten Systems, besonders des Kölner Systems, möglich ist!“ Sehr bedenklich findet sie auch die Aussage, das Grundproblem habe im Mangel an Aufmerksamkeit und Sensibilität bestanden – und nicht in Vertuschung. Matthias Katsch, Sprecher der Opferinitiative „Eckiger Tisch“ und SPD-Bundestagskandidat in Offenburg, ruft angesichts der „organisierten Verantwortungslosigkeit“ sogar zum Kirchenaustritt auf.

Pfarrer Meurer verteidigt Heße

Der Kölner Pfarrer Franz Meurer sieht die Dinge anders. Er hat Heße nach eigenem Bekunden immer für einen anständigen Kerl gehalten: „Viele Betroffene sagen bis heute, dass er immer einer derjenigen war, die sie besser behandelt haben.“ Er nimmt ihn ein wenig in Schutz: „Damals war es so, dass diejenigen, die für das Personal verantwortlich waren, nicht dafür ausgebildet wurden.“

Über Heße ist nun entschieden, immerhin. Pfarrer Meurer resümiert: „Es musste auch langsam etwas passieren, immerhin ist das Rücktrittsgesuch schon 150 Tage her.“ Und was wird jetzt aus dem zweiten Rücktrittsgesuch, dem von Weihbischof Dominikus Schwaderlapp? Heinrichs-Müller will darüber nicht spekulieren. Und Meurer sagt: „Ich finde es sehr undurchsichtig, wie so etwas von Rom aus bearbeitet wird.“