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Vor Kölner LandgerichtStefan Heße soll im Missbrauchsprozess um Pfarrer U. aussagen

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Stefan Heße, katholischer Erzbischof von Hamburg

Stefan Heße, katholischer Erzbischof von Hamburg 

Köln – Über Jahre hinweg soll der heute 70-jährige Pfarrer U. seine drei kleinen Nichten sexuell schwer missbraucht haben. Von Ende November an muss er sich vor dem Kölner Landgericht verantworten – und einer der Zeugen ist prominent: Die Richter wollen die Richter den heutigen Hamburger Erzbischof Stefan Heße vernehmen, der 2010 und 2011 als Personalchef des Erzbistums Köln mit dem Fall befasst war. Das hat das Gericht am Freitag bestätigt.

Heße ist derzeit beurlaubt. Er hatte Papst Franziskus im März seinen Rücktritt angeboten, nachdem in einem vom Kölner Erzbistum in Auftrag gegebenen Gutachten des Kölner Strafrechtlers Björn Gercke Vertuschungsvorwürfe gegen ihn erhoben worden waren. Eine Antwort des Papstes steht aus.

Vorwurf: Massiver sexueller Missbrauch

Pfarrer U., der zuletzt in Wuppertal arbeitete, soll sich in den 90er Jahren an seinen Nichten massiv sexuell vergangen haben. Die drei Mädchen waren zum Zeitpunkt der mutmaßlichen Taten zwischen sechs und etwa zwölf Jahren alt. Eines der mutmaßlichen Opfer hatte U. im Juni 2010 angezeigt, auch eine ihrer Schwestern bestätigte die Vorwürfe gegenüber der Staatsanwaltschaft – ebenso wie eine Schulfreundin und Verwandte, denen sich die Opfer anvertraut hatten. Dann die Wende: Die Betroffenen zogen im September 2010 ihre Anzeige zurück und verweigerten die Aussage. Im Gercke-Gutachten sind die Hintergründe nachzulesen: Dem Ambulanten Sozialen Dienst der NRW-Justiz schilderten die Opfer, inzwischen junge Frauen, ihre Sorge vor möglichen innerfamiliären Problemen. Ein halbes Jahr später stellte die Staatsanwaltschaft das Verfahren ein.

Wurde gründlich genug untersucht?

Vor Gericht dürfte dürfte es auch darum gehen, ob Heße den Vorwürfen mit der gebotenen Gründlichkeit nachgegangen ist. Gercke hat ihm einen Verstoß gegen seine Aufklärungspflicht vorgeworfen: Auch wenn die Anzeige zurückgezogen worden sei, hätte Heße eine kirchliche Voruntersuchung einleiten müssen. Zudem soll der frühere Leiter des Kölner Kirchengerichts, Günter Assenmacher, in dem Fall eine falsche Rechtsauskunft gegeben haben. Dem damaligen Generalvikar Dominikus Schwaderlapp und dem damaligen Erzbischof Joachim Kardinal Meisner wirft Gercke im Fall U. („Aktenvorgang 22“) keine Pflichtverstöße vor. Besonders heikel ist eine von Heße abgezeichnete Aktennotiz: Die Justiziarin des Erzbistums habe dem Verteidiger von U. mitgeteilt, dass der Beschuldigte „hier alles erzählt hat. Es wird von uns aus kein Protokoll hierüber gefertigt, da dieses beschlagnahmefähig wäre.“ Handschriftliche Notizen könnten notfalls vernichtet werden. Heße sei „mit dem Prozedere einverstanden“.

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Heße weist alle Vorwürfe zurück. „Ich schließe für mich aus, einem Vorgehen zugestimmt zu haben, bei dem in Fällen sexuellen Missbrauchs von Gesprächsinhalten keine Protokolle angelegt oder gar Protokolle, Akten oder Gesprächsnotizen im Zweifel vernichtet werden sollen“, hatte er 2020 mitgeteilt.

Der heutige Kölner Erzbischof Rainer Maria Woelki hatte die Angelegenheit seit 2018 neu untersuchen lassen. Er meldete den Fall an die Staatsanwaltschaft und untersagte U. die Ausübung priesterlicher Dienste. 2020 folgte die Anklage. Die drei betroffenen Frauen sollen jetzt aussagebereit sein. (dpa/rn)