AboAbonnieren

Gegen das Erzbistum KölnKölner Gericht verhandelt Klage eines Missbrauchsopfers

Lesezeit 3 Minuten
27.01.2022, Nordrhein-Westfalen, Köln: Im Dunst und im Nieselregen steht der Dom am Rheinufer.

In die Rechtsgeschichte eingehen könnte die erste Missbrauchsklage eines Opfers gegen die katholische Kirche. Der Betroffene fordert in dem Präzedenzfall 805 000 Euro Schmerzensgeld. Foto: dpa

Der ehemalige Messdiener Georg Menne hat das Bistum in Köln auf 805.000 Euro Schmerzensgeld verklagt. Am Dienstag beginnt die vermutlich erste Missbrauchsklage eines Opfers gegen die katholische Kirche.

Es gibt dieses Bild, das einen zutiefst verstört: Es zeigt einen Jungen, wie er, ausgezogen bis auf die Unterhose, an Händen und Füßen mit Gürteln gefesselt, in gekrümmter Haltung in einer Duschwanne liegt. Das Bild hat der katholische Priester Erich J. aus Köln-Bickendorf gemacht, abgebildet ist der damals 13-jährige Messdiener Georg Menne. 50 Jahre später hat der ehemalige Pastoralreferent und Krankenhausseelsorger dieses Zeugnis seiner Misshandlung öffentlich gemacht. 320 Mal sei Menne (heute 63), ein tiefgläubiger Katholik, verheiratet und Vater zweier Kinder, in den 70er- Jahren von Pfarrer J. missbraucht worden, sagt der Bonner Rechtsanwalt Eberhard Luetjohann.

Er hat deswegen im Namen seines Mandanten das Erzbistum Köln als Dienstherrn des Priesters auf 805.000 Euro Schmerzensgeld verklagt. Am Dienstag verhandelt die 5. Zivilkammer des Kölner Landgerichts über die deutschlandweit vermutlich erste Missbrauchsklage eines Opfers gegen die katholische Kirche.

Ist die Tat inzwischen verjährt?

Die Kammer unter Vorsitz von Dr. Stefan Singbartl wird viel zu lesen haben. Luetjohann hat einen Schriftsatz von mehr als 150 Seiten eingereicht. Darin gehe er, sagte der Anwalt der Rundschau, ausführlich auf das Thema Verjährung ein. Für ihn und Menne ist der Fall nicht verjährt. Die Gegenseite, das verklagte Erzbistum Köln, sieht das bislang anders. Seine Anwälte haben „aus Gründen der Fristwahrung“ dem Gericht erklärt, dass sie Verjährung in Anspruch nehmen wollen, bestätigte der kommissarische Pressesprecher der Diözese, Jürgen Kleikamp, am Freitag auf Anfrage dieser Zeitung. Das Thema ist aber im Generalvikariat noch nicht abschließend entschieden. Kleikamp: „Da es sich um einen juristisch und moralisch hochkomplexen Sachverhalt handelt, prüfen wir diesen noch weiter mit größter Sorgfalt.“

Da es sich um einen juristisch und moralisch hochkomplexen Sachverhalt handelt, prüfen wir diesen noch weiter mit größter Sorgfalt.
Jürgen Kleikamp, Erzbistum Köln

Möglicherweise auch, weil einerseits der Antrag auf Verjährung ein schlechtes Bild auf die vermögende Kirche werfen könnte, andererseits aber weitere Klagen von Missbrauchsopfern folgen könnten, die eventuell für die deutschen Bistümer sehr teuer werden könnten. Menne hat bislang vom Erzbistum Köln 25 000 Euro als Anerkennung für das durch Priester J. erfahrene Leid erhalten. Der Geistliche ist 2020 verstorben.

Georg Menne selbst wird „aus Respekt vor dem Gericht“ an der Verhandlung am kommenden Dienstag teilnehmen, teilte sein Anwalt mit. Für Eberhard Luetjohann kann die Kölner Zivilkammer in diesem Präzedenzfall ein Stück „Rechtsgeschichte schreiben“, indem sie etwa erkläre, die Persönlichkeitsrechte des Klägers seien verletzt worden. Deswegen stehe ihm, ähnlich wie Prominenten, die wegen eines Fotos eine Zeitschrift verklagten und vom Gericht Recht bekämen, ein hohes Schmerzensgeld zu.

Der Bonner Jurist wirft der katholischen Kirche vor, dass sie jahrzehntelang weggeschaut und das Leid der Opfer, die oft für ihr Leben geschädigt worden seien, nicht im Fokus gehabt habe. Zusammen mit seinen Kollegen Hans-Walter Wegmann aus Bonn und Stephan Jäger aus Würzburg betreut Luetjohann unentgeltlich sieben Betroffene. Georg Menne ist seit drei Jahren sein Mandant.