Berlin – Der weitere Anstieg der Corona-Neuinfektionen und der Todesopfer trotz der seit Anfang November bundesweit geltenden Kontaktbeschränkungen hat eine Debatte über noch härtere Maßnahmen bereits vor Heiligabend, spätestens jedoch nach den Weihnachtsfeiertagen entfacht.
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sprach sich im Bundestag eindringlich für strengere Regeln bereits nach den Weihnachtstagen aus und plädierte für einige Verschärfungen auch bereits vor Weihnachten. So sollten die Schulferien möglichst schon am 16. und nicht erst am 19. Dezember beginnen, sagte Merkel. Zudem zeigte sie kein Verständnis für Glühweinstände, die einen Anreiz für Gruppentreffen bildeten. Erneut kritisierte die Kanzlerin auch Hotelübernachtungen für Familienbesuche, die mehrere Länder zu Weihnachten erlaubt haben.
Ansteckungen auf hohem Niveau stabilisiert
Die Zahl der Corona-Toten war am Mittwoch auf 590 binnen 24 Stunden gestiegen, den höchsten Stand seit Beginn der Pandemie. Das Robert-Koch-Institut meldete 20.815 Neuinfektionen, das waren 3500 mehr als am Mittwoch vergangener Woche. Virologen und auch die Kanzlerin warnten deshalb vor einem sich beschleunigendem Anstieg.
Trotz des Teil-Lockdowns konnten die Ansteckungen bisher allenfalls auf hohem Niveau stabilisiert werden. Sie müssten jedoch auf 50 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner innerhalb von sieben Tagen sinken, damit die Pandemie wieder kontrollierbar wird. Derzeit liegt die so genannte Sieben-Tage-Inzidenz bei 148,8. Am Dienstag hatten Wissenschaftler der Nationalen Akademie Leopoldina einen harten Lockdown ab Weihnachten bis zum 10. Januar gefordert.
Warnung vor Geschäftsschließungen
Der Einzelhandel warnte vor Geschäftsschließungen, die zu neuen massiven Umsatzeinbußen führen würden. Wenn es unbedingt zu Einschränkungen kommen müsse, dann solle das erst nach den Weihnachtstagen geschehen, so der Hauptverband des Einzelhandels. „Die Geschäfte jetzt noch schnell vor Weihnachten zu schließen, halte ich nicht für praktikabel. Das würde in der Bevölkerung auch nicht auf Akzeptanz stoßen, die wir aber für den Erfolg der Maßnahmen dringend benötigen“, sagte auch der Hauptgeschäftsführer des Gemeindebundes, Gerd Landsberg. „Die Menschen wollen ja vor Weihnachten noch einkaufen.“ Der wirtschaftliche Schaden wäre zudem immens.
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„Bund und Länder sollten aber die bisher vereinbarten Lockerungen nach dem 24. Dezember wieder zurücknehmen. Für die Zeit vom 25. Dezember bis 10. Januar brauchen wir härtere Maßnahmen“, sagte Landsberg. „Das Silvesterfest in größeren Gruppen muss dieses Jahr ausfallen.“ Ab Weihnachten sollten sich wieder nur höchstens fünf Personen aus zwei Haushalten treffen dürfen. „Die Kanzlerin hat auch Recht, was die Glühweinstände betrifft: Die laden Gruppen ein zum Zusammenstehen, das können wir uns momentan aber nicht leisten“, sagte Landsberg.
Lockdown bis zum 10. Januar
Der Chef des Münchner Ifo-Instituts, der Ökonom Clemens Fuest, der auch Mitglied der Leopoldina-Expertengruppe ist, plädierte ebenfalls für härtere Einschränkungen erst ab Weihnachten. „Einen sofortigen harten Lockdown würde ich nicht empfehlen, weil alle Beteiligten die Chance bekommen müssen, sich auf den Lockdown einzustellen. Vor allem für die Schulen ist eine gewisse Flexibilität vor Weihnachten angemessen, damit wichtige Dinge wie Klassenarbeiten noch durchgeführt werden können“, sagte Fuest.
Nach Empfehlungen der Leopoldina sollte das öffentliche Leben in ganz Deutschland vom 24. Dezember bis mindestens zum 10. Januar 2021 weitgehend ruhen. Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Armin Laschet, der sich auch für den CDU-Vorsitz bewirbt, sagte dazu: „Wir sind gut beraten, bereits jetzt damit zu beginnen, den Jahreswechsel-Lockdown umfassend vorzubereiten – damit er mitgetragen wird, tatsächlich Wirkung entfaltet und den Weg in ein besseres neues Jahr weisen kann.“
Infektionszahlen müssen sinken
Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) warnte davor, dass die Bürger mit Blick auf mögliche Schließungen von Geschäften nun in Scharen die Innenstädte strömen. Die Kontakte müssten bereits jetzt möglichst stark reduziert werden, sagte er. Dies liege aber auch an jedem Einzelnen. Er verstehe nicht, dass die Schule nicht bereits drei Tage früher als geplant am 16. Dezember geschlossen werden könnten, so wie auch Merkel das fordere.
Bislang lehnen die Länder das noch ab. Mehrere Bundesländer und Kommunen mit besonders hohen Infektionszahlen aber hatten in den vergangenen Tagen ihre Regeln bereits verschärft. In München etwa gilt seit Mittwoch eine nächtliche Ausgangssperre zwischen 21 und fünf Uhr. Auch die Ärztegewerkschaft Marburger Bund dringt auf strengere Regelungen: „Die in einigen Regionen bereits beschlossenen Maßnahmen für einen Lockdown sind zweifellos mit Härten verbunden, emotional und für viele auch finanziell. Ich sehe aber keine vernünftige Alternative“, sagte die Vorsitzende Susanne Johna dieser Redaktion.
„Wir wissen doch, dass überall dort, wo nach lokalen Ausbrüchen strengere Maßnahmen nicht nur getroffen, sondern auch eingehalten wurden, die Zahlen nach unten gegangen sind. Genau darum muss es jetzt gehen: Die Infektionszahlen müssen sinken, damit weniger Menschen erkranken, weniger Menschen ins Krankenhaus kommen und weniger Menschen an Covid-19 versterben.“ Am Ende komme es auf jeden Einzelnen an.