AboAbonnieren

AnalyseWas ist schlimmer – Islamismus, Linksextremismus oder Rechtsextremismus?

Lesezeit 3 Minuten
linksrechtsislamist

Berlin – Nach der Gewalt beim G20-Gipfel in Hamburg ist die Frage virulenter denn je: Was ist schlimmer – der Linksextremismus, der Rechtsextremismus oder der Islamismus? Die Antworten fallen subjektiv unterschiedlich aus. Allerdings gibt es objektive Daten.

Linksextremismus ist in Deutschland ein Thema, seit die Rote Armee Fraktion entstand. Sie zog bis in die 90er Jahre eine Blutspur durch die Republik. Mehrere Verdächtige der dritten Generation sind noch immer flüchtig. Die linksautonome Szene wandelt auf den geistigen Spuren der RAF. Dabei beschränkt sie sich im Wesentlichen auf Angriffe gegen Sachen (Autos, Bahnanlagen, Immobilien), attackiert aber am Rande von Demonstrationen wie in Hamburg auch gezielt Polizisten.

Der Verfassungsschutzbericht für das Jahr 2016 zählt 28500 Linksextremisten; ihre Zahl ist zuletzt um 1100 gestiegen. Stärker gestiegen ist laut Bericht die Zahl der gewaltbereiten Linksextremisten, nämlich auf jetzt 8500. Sie verübten im vorigen Jahr 1201 Gewalttaten, Tendenz fallend. Darunter waren sechs versuchte Tötungen. Statistiker zählen 65 Todesopfer von Linksextremisten seit 1968.

Rechtsextremismus ist in Ost- und Westdeutschland seit Gründung der beiden deutschen Staaten ein Thema. Eine Zäsur war das rechtsterroristische Oktoberfestattentat 1980 mit 13 Toten und 211 Verletzten. Nach der Wiedervereinigung nahm die Militanz zu, mit pogromartigen Angriffen auf Migranten in Hoyerswerda und Rostock-Lichtenhagen (Ost) sowie Mordanschlägen in Solingen und Mölln (West). Später folgte die Mordserie des Nationalsozialistischen Untergrunds mit zehn Toten.

Der Verfassungsschutzbericht für das Jahr 2016 zählt 23100 Rechtsextremisten; ihre Zahl ist zuletzt um 750 gesunken. Gestiegen ist laut Bericht die Zahl der gewaltbereiten Rechtsextremisten, nämlich auf jetzt 12100. Sie verübten im vorigen Jahr 1600 Gewalttaten, Tendenz steigend. Darunter waren 18 versuchte Tötungsdelikte, zehn mehr als 2015. Rechnet man die staatlich anerkannten Todesfälle und die von der Amadeu-Antonio-Stiftung gezählten zusammen, kamen seit 1990 genau 179 Menschen durch Rechtsextremisten um.

Islamismus ist der jüngste unter den in Deutschland existierenden Extremismen und sorgt spätestens seit den mörderischen Anschlägen in Washington und New York am 11. September 2001 in der ganzen westlichen Welt für Angst und Schrecken. In Deutschland schlug er das erste Mal am 19. Dezember 2016 mit voller Wucht zu. Da fuhr der Tunesier Anis Amri in den Weihnachtsmarkt am Berliner Breitscheidplatz. Zwölf Menschen starben.

Der Verfassungsschutzbericht für das Jahr 2016 zählt 24000 Islamisten. Die Zahl der Salafisten stieg von 8350 auf 9700. Die Zahl der Ausreisenden nach Syrien und in den Irak explodierte geradezu – von etwa 50 (2013) auf knapp 900 (2016). Sie stagniert nun und dürfte aufgrund der umfassenden Niederlage des „Islamischen Staates“ (IS) perspektivisch sogar sinken. Die Zahl der Gefährder bezifferte das Bundeskriminalamt zuletzt mit 690. Dabei haben es Islamisten anders als Links- und Rechtsextremisten meist darauf abgesehen haben, möglichst viele Menschen nicht bloß irgendwie anzugreifen, sondern stets gezielt zu töten. Überdies ist die Zahl der Islamisten unter anderem wegen der vielen Flüchtlinge schwerer zu beziffern. Das Bundesamt für Verfassungsschutz registrierte 2016 fünf Anschläge und vier Anschlagsversuche. 138 Deutsche gehen insgesamt auf das Konto islamistischer Gewalttäter.

Kleine Attentate werden vergessen

Legt man die Zahl der Todesopfer zugrunde, ging die größte Gefahr sei 1990 vom Rechtsextremismus aus. Freilich nahmen Rechtsextremisten überwiegend Migranten, Obdachlose und politische Gegner ins Visier. Die umfassendere Gewalt geht auf das Konto der Islamisten. Ihnen kommt es weniger auf die Identität der Opfer an als auf ihre Zahl – und das nicht allein in Deutschland. Bis zum 19. Dezember 2016 starben alle 124 deutschen Islamismus-Opfer außerhalb der Landesgrenzen.

Am Wochenende kamen in Hurghada (Ägypten) zwei hinzu. Sie werden schnell vergessen sein. Denn ein großes Attentat, egal vom wem verübt, bleibt im Gedächtnis meist stärker haften als viele kleine. Auch dieser Umstand bestimmt die Wahrnehmung.