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NRW-Ministerin Paul im Interview„Kita-Schließungen können nur Ultima Ratio sein“

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Josefine Paul (1)

Josefine Paul (Bündnis 90/Die Grünen), Ministerin für Familie, Kinder und Jugend, Gleichstellung, Integration und Flucht

  1. Die neue NRW-Familienministerin Josefine Paul (Grüne) will die Kinderbetreuung stärken.

Josefine Paul (40) aus Münster war Fraktionschefin der Grünen im Landtag und ist jetzt Ministerin für Kinder, Jugend, Familie, Gleichstellung, Flucht und Integration. Im Gespräch mit Matthias Korfmann erklärt sie, wie sie die Kitas stärken und Queer-Menschen helfen will.

Frau Paul, welches Ziel ist Ihnen besonders wichtig?

Mehr Fachkräfte für die Kitas zu gewinnen. Wir haben das Alltagshelfer-Programm verlängert, um Erzieherinnen und Erzieher weiter zu entlasten, und wollen eine Fachkräfte-Offensive starten. Es gibt nicht die eine Lösung. Wir brauchen Quereinstieg, eine Verstetigung des Alltagshelfer-Programms, mehr Ausbildungsplätze und gute Arbeitsbedingungen.

Können Sie Erzieherinnen und Erzieher, die sich vor dem Corona-Herbst fürchten, beruhigen?

Es waren zweieinhalb belastende Jahre für Erzieherinnen und Erzieher, Familien und Kinder. Wir bereiten die Kitas sorgfältig auf den Herbst vor. Die Alltagshilfskräfte sind in den Einrichtungen, die Finanzierung für ausreichende Tests ist gesichert. Wir treten jetzt in engen Austausch mit den Kita-Trägern und Eltern, um gemeinsam über notwendige Schritte zu entscheiden.

Schließen Sie Kita-Schließungen aus?

Kinder, Jugendliche und Familien müssen jetzt im Mittelpunkt stehen. Wir gehen daher vorausschauend in die nächsten Monate, zusammen mit dem Gesundheits- und Schulministerium. Schließungen von Kitas können nur Ultima Ratio sein – wir streben an, dass das nicht passiert.

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NRW hat mit Ihnen eine Queer-Frau als Familienministerin (als „Queer“ bezeichnen sich viele Lesben, Schwule und Transgender-Personen). Welchen Stellenwert hat das für Sie?

Das ist ein wichtiges Signal, aber viel wichtiger ist, dass sich in der Politik meines Ministeriums Vielfalt abbildet. Mit dem Zuschnitt des Hauses, jetzt auch inklusive Gleichstellung, zeigt sich das.

Ex-Kanzler Gerhard Schröder hat das Familienressort mal mit Gedöns in Verbindung gebracht. Wie tief sind solche Vorstellungen in den Köpfen?

Das wird zum Glück weniger. Es geht um die Frage, wie wir gerecht und in Vielfalt zusammenleben und allen Menschen gleiche Chancen geben können. Das ist eine harte politische Frage.

Sie setzen sich für den Schutz von LSBTIQ-Menschen (Lesben, Schwule, Transsexuelle etc.) ein. Wie stark werden die noch diskriminiert?

NRW ist eine offene Gesellschaft, in der Vielfalt gelebt wird. In Münster wurde vor 50 Jahren die erste schwul-lesbische Demonstration veranstaltet. Wir haben in NRW eine gut aufgestellte LSBTIQ-Community, Jugendzentren und Meldestellen für Diskriminierung. Schwule und Lesben erleben aber nach wie vor Zurückweisung, und immer wieder werden sie auch angegriffen. Daher werden wir ein Landes-Antidiskriminierungsgesetz und eine Antidiskriminierungsstelle auf den Weg bringen.

Was fehlt zur Gleichstellung von Queer-Menschen?

Das Selbstbestimmungsgesetz des Bundes, des es jedem Menschen ermöglichen soll, sein Geschlecht und seinen Vornamen selbst festzulegen, ist ein Meilenstein. Aber für lesbische Frauen fehlt etwa nach wie vor die Anpassung des Abstammungsrechtes. Wenn ein lesbisches Paar ein Kind bekommt, und es wird in diese Ehe hineingeboren, ist die nicht gebärende Mutter immer noch gezwungen, ihr eigenes Kind zu adoptieren. Bei heterosexuellen Ehen wird automatisch angenommen, dass der Ehemann der Vater ist. Diese Ungleichbehandlung darf nicht sein im Jahr 2022.

Erhöhen Sie die Zahl der Schutzplätze für Frauen und Männer?

Wir brauchen mehr Schutzplätze für Frauen und Männer, denn wir sind der Istanbul-Konvention verpflichtet. Die besagt, dass jede Frau und jedes Mädchen das Recht auf Schutz vor Gewalt hat. Wir werden gerade Kinder in Frauenhäusern noch mehr in den Blick nehmen und dafür eine weitere Fachstelle in Frauenhäuser etablieren.

Sie sind seit 23 Jahren Grüne. Heute koalieren Grüne mit der CDU, sind für Waffenlieferungen in die Ukraine. Erkennen Sie die Partei noch wieder?

Als Grüne sind wir bereit Verantwortung zu übernehmen, auch wenn das mit schwierigen Entscheidungen einhergeht. Für eine Partei, die Wurzeln in der Friedensbewegung hat, ist es nicht leicht, Waffenlieferungen zu fordern. Aber ein Verzicht auf Waffenlieferungen bedeutet, die Menschen, die in der Ukraine für Freiheit und Demokratie kämpfen, im Stich zu lassen.

Haben Sie keine Angst, dass sie von Bewegungen wie „Fridays for Future“ jetzt als Regierungspartei Gegenwind bekommen?

Bewegungen wie „Fridays for Future“ sind essenziell für eine Demokratie. Die Klimakrise ist die größte Herausforderung unserer Zeit. Politik immer wieder daran zu erinnern, ist wichtig.