Gaukler, Spielmann oder Quacksalber: Es sind Originale wie sie, die dem Mittelaltermarkt das Gewisse Etwas verleihen. Wir erzählen ihre Geschichten.
Vom Punk zum GauklerDas sind die Geschichten hinter den Akteuren auf dem Siegburger Mittelaltermarkt
Lupus der Gaukler, Taravas der Spielmann, die Rote Füchsin, Fin de Filou, die Seilerin oder der Quacksalber: Es sind Originale wie sie, denen der mittelalterliche Markt zur Adventszeit in Siegburg das gewisse Etwas verdankt. Wir stellen die Akteure und ihren Hintergrund vor. Jahr für Jahr lockt der Markt rund 200.000 Besucher in die Kreisstadt.
Seit 19 Jahren schon ist Lupus der Gaukler fester Bestandteil des Mittelaltermarkts. In seiner Rolle als Gaukler und Jongleur begrüßt Michael Wolf, so sein richtiger Name, Besuchergruppen und führt sie über den Platz.
Lupus der Gaukler gehört der Gummersbacher Punk-Szene an
Beigebracht hat er sich die Kunst der Jonglage selbst. Mit 18 gehörte in Gummersbach der Punk-Szene an, lebte in besetzten Häusern. Mit 20 beobachtete er Leute, die damals auf ähnlichem jonglierten wie er heute. Täglich übte er mehrere Stunden, heute ist das Zirkeln von Bällen, Keulen und Fackeln sein Hauptberuf, mit dem der 50-Jährige zwischen März und November auf zahlreichen Mittelalter-Festivals in ganz Deutschland auftritt. Im Anschluss beginnt bereits die Vorbereitung auf den Weihnachtsmarkt.
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Zu seinen schwierigsten Kunststücken gehören die sieben Bälle und die fünf Fackeln. Wolf spielt Lupus nicht, er ist Lupus. Freche Sprüche wie „Der Vater furzt, die Kinder lachen, so kann man billig Freude machen“, gehören zu jedem Auftritt dazu. Für Wolf bedeutet der Weihnachtsmarkt nach Hause zu kommen, zusammengerechnet hat er hier anderthalb Jahre seines Lebens verbracht, hat Kinder aufwachsen sehen.
Taravas der Spielmann ist zum zehnten Mal auf dem Mittelaltermarkt
Taravas der Spielmann ist Meister der Sackpfeife, der Schalmei, der Drehleier und der Fidel und Flöte sowieso. Diese mittelalterlichen Instrumente hat sich Marco Engel, der Mann in der Gewandung, teils selbst beigebracht. Bereits als Kind lernte er Geige, was die Basis für Instrumente wie die Nyckelharpa bildet. Sie ist eine Sonderanfertigung, der Bau dauert bis zu zwei Jahre und wenn irgendwo eine Saite reißt, wie in dieser Woche, ist das für Engel besonders ärgerlich.
Zum zehnten Mal ist der 46-Jährige Teil des Mittelaltermarkts, seit fünf Jahren spielt er regelmäßig von Montag bis Freitag. Ihn reizt das bunt gemischte Publikum: Kinder, Eltern, Großeltern, alle staunen und hören zu, auch wenn der Markt aus seiner Sicht das Mittelalter sehr romantisiert.
Taravas begleitet Schulkinder über den Markt und leitet seine Auftritte ein, mit „Musik aus längst vergammelten Zeiten, als Hüpfburgen noch aus Stein waren.“ Den Rest des Jahres unterrichtet er andere an Mittelalter-Instrumenten und baut Doppelrohrblätter für diese. Er lebt in Titz bei Bergheim. Engel schätzt das Miteinander an den Darstellerinnen und Darstellern des Weihnachtsmarkts: Wenn einer nicht kann, springen die anderen ein.
Die Rote Füchsin und Fin de Filou sind regelmäßig auf Mittelalter-Festen unterwegs
Die Rote Füchsin ist mit ihrer rot-schwarzen Gewandung omnipräsent auf dem Weihnachtsmarkt. Gemeinsam mit Fin de Filou bildet sie das Duo ConFilius, das das Publikum mit Musik und Gesang verzückt. Conny Fuchs (57) und ihr Sohn Philipp (27) sind zum 21. Mal dabei. Schon als Kind lernte Philipp, zu jonglieren. Viele Fertigkeiten brachte ihm Lupus der Gaukler bei. Mit neun Jahren warf er schon Fackeln in die Luft. Sein Markenzeichen sind heute die schrägen Grimassen.
Er spielt historische Instrumente wie Davul (eine Trommel) und Bouzouki (eine Laute), gemeinsam singen die beiden auf altitalienisch, Latein, bulgarisch und türkisch. Conny Fuchs übernimmt alle Blasinstrumente wie Dudelsack oder Schalmei, einem Vorläufer der Oboe. Die beiden stammen aus dem Siegener Raum, leben aber im sächsischen Meißen – und im Dezember in einer Ferienwohnung in Siegburg.
Ab März sind sie regelmäßig auf Mittelalter-Festen unterwegs und entziehen ihr Publikum einen Moment dem Alltag. Viele Menschen in Siegburg kennt Conny Fuchs von klein auf. Sie spielt auch den Gruselwusel, den freundlichen Weihnachtsgeist der Kreisstadt. Sie liebt das Mittelalter, Magie und die Zeit. Mit viel Liebe zum Detail organisiert sie die künstlerische Leitung auf dem Weihnachtsmarkt
Die Seilerin erklärten den Besuchern in Siegburg, was die Reeperbahn ist
Inka Conrads ist häufig an der Reeperbahn anzutreffen. Nein, das hat nichts mit der legendären Hamburger Partymeile zu tun, vielmehr erklärt die Seilermeisterin des Weihnachtsmarkts den Gästen, wo dieser Begriff herkommt. Eine Reeperbahn entsteht nämlich, wenn man vier einzelne Stränge über mehrere Meter in einer Winde einspannt und zu einem Seil verdreht.
Die 58-Jährige aus Düsseldorf ist nur Angestellte des Seil-Verkaufsstand, an dem es Schaukeln und Hängematten gibt. Hauptberuflich arbeitet sie als bildende Künstlerin. Teil des Weihnachtsmarkts ist sie seit acht Jahren. Das Spleißen, so heißt die uralte Technik, lernte sie bei ihrem Meister der Moorwindhof-Hängemattenmanufaktur. Seile, lernen die Besucherinnen und Besucher, halten bis zu 20 Jahre. Conrads schätzt an ihrer Arbeit, dass sie die Geschichte von Berufen vermitteln kann, die heutzutage längst ausgestorben sind.
Der Quacksalber ist ein Urgestein auf dem Siegburger Mittelaltermarkt
Er ist ein Urgestein des Siegburger Weihnachtsmarkts: Helmut war schon bei der allerersten Ausgabe 1991 dabei, als der Markt noch ein lebendiges Museum war. Seinen Nachnamen will er nicht sagen, er nennt sich aufgrund seines hohen Alters von 71 Jahren „das weiße Mammut“.
Seinen Met trinkt er mit Myrrhe, in seinem Zelt duftet es nach Weihrauch. Besuchern erklärt er, dass man die Bedeutung der Stoffe schon im Altertum kannte: „Als die heiligen drei Könige dem Jesuskind Geschenke mitbringen wollten, wussten sie nicht: Ist es ein König, sollen wir ihm Gold mitbringen? Ist es ein Heiler, dann braucht er Myrrhe. Oder ist es ein Priester, dann schenken wir ihm Weihrauch. Das Schöne ist: alle drei lagen richtig.“
Helmut ist gelernter Drucker und Setzer, lebt heute als Rentner in einem Haus aus dem 13. Jahrhundert im Westerwald. In seinem selbst gebauten Zelt auf dem Weihnachtsmarkt wärmt er sich an einem Kessel voll glühender Kohle, über dem er auch Hirschgulasch kocht. Elektrizität ist bei ihm verpönt. Denn Dinge lösen zu können, die eigentlich unlösbar sind, bereitet ihm besonders viel Freude – genauso wie Besuch.