Alexander Melnikov (50) ist in dieser Spielzeit Porträtkünstler der Philharmonie und stellt sich dort in verschiedenen Konzertprojekten vor. Jan Sting sprach mit dem Pianisten über Musik und das Fliegen.
Porträtkünstler in KölnAlexander Melnikov ist Pianist und Pilot – ein Interview

Pianist Alexander Melnikov stellt sich in verschiedenen Konzertprojekten in der Philharmonie als deren Porträtkünstler vor.
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Sie erklärten bei der Vorstellung der neuen Spielzeit, dass der Anblick des Kölner Doms für Sie zu den stärksten emotionalen Eindrücken zählt. Was war das für ein Gefühl?
Ich glaube, ich war 18 und habe ein Konzert für den WDR gegeben. Ich habe den Zug von Brüssel nach Köln genommen, es hat geregnet. Ich bin rausgegangen und dann, tja: Es war einer der stärksten Schocks meines Lebens. Niemand hatte mich vorbereitet. Aber ich fand es wunderbar. Seitdem habe ich viele Städte gesehen. Der Dom aber bleibt einfach unglaublich in seiner Perspektive.
Sehen Sie das womöglich auch mit den Augen des Piloten?
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Ich war 20 Jahre Hobbypilot. Während der Pandemie habe ich meine Ausbildung zum kommerziellen Piloten abgeschlossen. Bald habe ich meine zweite Prüfung bei Eurowings. Ich glaube zwar nicht, dass ich das Konzertleben dafür aufgebe. Aber ich wollte es zu Ende bringen, nachdem ich so viel Zeit und Mühe ins Fliegen gesteckt habe. Als nächstes kommt der Simulator-Check. Der ist sauschwer.
Gibt es Vergleichbares in der Musik?
Es gibt nicht viele Ähnlichkeiten zur Musik, aber einige Aspekte schon: Über seine eigenen Grenzen zu gehen, daran zu arbeiten. Wie kann man trotzdem weitermachen, wenn man einen Fehler gemacht hat? Das ist ähnlich wie beim Fliegen.
Was fasziniert Sie beim Blick von oben?
Beim Langstreckenflug finde ich es absolut schrecklich, dass die Leute die Fenster verhängen und so einen idiotischen Film sehen. Die Crew forciert das sogar. Ich weiß nicht, wie viele tausend Male ich mit denen gestritten habe, dass ich rausschauen und keinen blöden Hollywoodfilm schauen will. Der Blick ist einfach zu schön und unglaublich. Einmal bin ich von Neuseeland nach London über Los Angeles geflogen, da konnte ich an einem Tag zwei Mal den Sonnenaufgang sehen. So etwas ändert mich als Person.
Prägend war für Sie, als Sie die Geigerin Isabelle Faust das erste Mal Bach spielen hörten. Was war das für ein Erlebnis?
Das war vor 23 Jahren bei einem Festival. Plötzlich kommt sie und spielt in einer Kirche in Oxford diese Bach Partita in d-moll. Das war wie ein Marcel-Proust-Moment für mich. Mir war bis dahin nicht klar, dass ich diese Musik genau so hören wollte. Seitdem hat sich das Gefühl mit Isabelle nur verstärkt.
Sie fühlen sich beide der Alten Musik verpflichtet. Sie zog bei den Beethoven-Sonaten Darmsaiten auf, und Sie spielten auf einem Graf Flügel. Was macht das mit dem Klang?
Ach ja, es ändert den Klang. Aber eigentlich geht es nicht um das Instrumentarium. Ich habe Komplexe, weil ich im Bereich Alte Musik keine Ausbildung habe. Es hat uns aber immer interessiert. Wir waren beide Anfänger, sind zusammengewachsen. Der Pianist und Cembalist Andreas Staier in Köln hat mich auf vielen Wegen als Musiker und Mensch stark geprägt. Er ist für mich so eine wichtige Verbindung wie der Dom. Mit Isabelle wie mit ihm bin ich fast immer einer Meinung, das spart Zeit.
Im April 2024 kommt in der Philharmonie Cellist Jean-Guihen Queyras dazu. Sie spielen eine Sinfonie als Trio.
Als Trio spielen wir schon seit 20 Jahren zusammen. Und Beethovens 2. Sinfonie gibt es in zeitgemäßer Bearbeitung, die er autorisierte. Wir sind keine Orchestermusiker, da gibt es bei der Bearbeitung die Chance, eine Sinfonie zu spielen. Es ist spektakulär und es funktioniert.
In der Porträtreihe geht es um Freundschaft. Den 1997 verstorbenen Pianisten Svjatoslav Richter haben Sie kennengelernt. Wie hat er geprägt?
Er bleibt ein Berg. Eine kolossale Figur. Bei Prokofjew, glaube ich, da bleibe ich noch stark unter seinem Einfluss. Aber irgendwie bin ich meinen Weg weitergegangen, mit Mozart bin ich weit weg von ihm. Schade, es wäre besser, er wäre noch hier. Ich bin ganz anders heute, die Verbindung ist nicht mehr direkt.
Am Sonntag werden Sie das Klavierkonzert von György Ligeti nicht spielen können.
Leider muss ich mich da rausziehen. Es hat persönliche Gründe, und die Umstände sind so. Es war als Basis für eine CD-Aufnahme gedacht, aber wir hatten zu wenig Probenzeit. Und für mich ist das Stück ganz neu. Daher übernimmt Jean-Frédéric Neuburger. Ich habe einfach zu viel Respekt und Liebe für die Musik. Svjatoslav Richter sagte immer, dass man daran denken sollte, was für die Kunst besser ist.
Zum Schluss ein Zitat von ihrer Großmutter, der Komponistin Sara Lewina: „Man kann oft hören, dass die Sprache der Musik ausgeschöpft ist, dass der Roman veraltet ist, dass es in den Landschaften nichts Neues mehr gibt. Das ist ein großer Irrtum. Denn künstlerische Schaffen ist ja das Leben. Das Leben aber ist unendlich.“ Könnten Sie das für die heutige Zeit unterschreiben?
Wie schön, das kannte ich gar nicht. Es ist sehr poetisch und mehr oder weniger richtig.
Die Porträtreihe in der Philharmonie eröffnet Alexander Melnikov heute, 20 Uhr, zusammen mit Isabelle Faust und dem Ensemble Les Siècles unter François-Xavier Roth mit Mozarts Klavierkonzert in A-Dur sowie dem Violinkonzert Romanesc für Orchester von Gyorgy Ligeti. Weitere Termine sind am 10. 1.2024, 20 Uhr, am 7. 4 ., 11 Uhr, und am 3. 7., 20 Uhr in der Philharmonie.