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Jubiläum der lit.CologneWie sich Kölns Literaturfestival in 20 Jahren gewandelt hat

Lesezeit 5 Minuten
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Rainer Osnowski und Rieke Brendel

  1. Vor 20 Jahren ist die lit.Cologne ins Leben gerufen und seitdem zu einem großen Festival mit 100.000 Besuchern gewachsen.
  2. Geschäftsführer Rainer Osnowski und Rieke Brendel haben mit Hartmut Wilmes über das Jubiläum der lit.Cologne gesprochen.

Köln – „Wir haben das genauso geplant“, scherzt Rainer Osnowski und meint das immense Wachstum der lit.Cologne in 20 Jahren. Doch Spaß beiseite: „Es hat ja schon im ersten Jahr mit knapp 30.000 Besuchern so gut funktioniert, Literatur anders zu präsentieren, sie mit Theater, Musik, Film zu mischen. Dass es dann mit beständig über 100.000 Besuchern das größte Literaturfestival Europas geworden ist, konnten wir natürlich nicht vorhersehen.“

Hat er denn das Jungfernfestival noch klar vor Augen? „Ja, die Freudentränen angesichts der Schlange, die sich vor der ersten Domlesung vom Hauptportal bis zum Rheinufer zog, kann ich jetzt noch abrufen.“ Das Erfolgsgeheimnis der lit.Cologne sieht der Geschäftsführer darin, „dass wir nicht glauben, die Wahrheit gepachtet zu haben, sondern ein offenes System sind, das sich durch äußere Anregungen immer weiter perfektioniert hat“.

Zunächst war das Lokale im Fokus

In der ersten Ausgabe setzte man besonders auf aparte Lokalitäten: Geißbockheim, ein spanisches Restaurant, das alte Polizeipräsidium oder das Aquarium im Zoo. Das hat man ein bisschen zurückgefahren, „denn es ist ein riesiger Aufwand, untypische Orte nach unseren Standards anständig zu bespielen“.

Nach dem Rückzug der Geschäftsführerkollegen Werner Köhler und Edmund Labonté steht Osnowski nominell allein auf der Kommandobrücke. „Das haben wir über die Jahre so entwickelt, aber wir sind ohnehin nur als eingespieltes Team erfolgreich. Und insbesondere Werner arbeitet ja weiter als Programmberater kräftig mit.“ Außerdem sitzt beim Gespräch Produktions-Chefin Rieke Brendel mit am Tisch, die nun Prokura bekommen hat.

Sie kennt natürlich die „etablierte Fehlerkultur“ (Osnowski) der Veranstaltung, also die Aufarbeitung dessen, was nicht so toll gelaufen ist. Nur so weiß man für künftige Jahre, welcher Moderator englisch mehr stammelt als spricht, welcher Autor in großen Sälen eher verkrampft – und was man selbst falsch gemacht hat.

Dazu zählt Osnowski die Entscheidung, 2012 den Abend mit Karl Lagerfeld nach dessen Ablehnung der Moderatorin Elke Heidenreich dennoch (mit Roger Willemsen) stattfinden zu lassen. „Dafür gab es zwar gute Gründe, aber da hätte unsere Loyalität zu Elke Heidenreich voranstehen müssen.

Diesen Fehler haben wir ihr gegenüber auch zugegeben, und so hat sich aus der Verärgerung eine neue Freundschaft ergeben.“ So freut sich der Chef darauf, dass Heidenreich „nun wieder die Gala nach ihren Vorstellungen organisiert und moderiert. Ich verspreche Tränenfluss“.

Viele Künstler der ersten Stunde dabei

Schließlich ging es beim Jubiläum darum, „möglichst viele Künstler der ersten Stunde einzuladen. So kommt etwa Nick Hornby ebenso wieder wie auch Senta Berger, die eigentlich deutlich kürzer treten will, für uns aber eine Ausnahme macht“. Zu den bewegenden Momenten der 20 Jahre zählt Osnowski auch den Einstieg von Roger Willemsen, „der im zweiten Jahr dazukam und das Festival dann bis zu seinem Tod mitgeprägt hat“. Man will diesmal auch der Verstorbenen gedenken, neben Willemsen unter anderem Robert Gernhardt oder Jakob Arjouni – „insgesamt eine dreistellige Zahl von Freunden des Festivals, die uns verlassen haben“.

Für Rieke Brendel ist es schwer, einzelne Glanzlichter herauszuheben, „denn wir selber sprechen auch nicht von Highlights. Es macht gerade den Charme des Festivals aus, dass so vieles parallel passiert. Und wenn wir abends als Team zusammenkommen, erzählen wir einander, was wir erlebt haben.“. Und wann wird‘s nervig? Brendel: „Als Juli Zeh wegen eines Schneesturms im stark verspäteten Zug saß, schon aussteigen und zurückfahren wollte.“ Aber sie ließ sich umstimmen, während Osnowski mit der Moderatorin bis zum späten Beginn das Publikum auf dem Leseschiff bei Laune hielt.

Trotz all der großen Namen auf der Festivalliste gibt es auch einige, die man vergebens umwarb: John Updike, Philip Roth, Haruki Murakami oder Hans Magnus Enzensberger, der prinzipiell Festivals meidet. In diesem Jahr hat man die aktuelle Nobelpreisträgerin Olga Tokarczuk im Programm, nicht aber ihren Co-Gewinner Peter Handke. Dazu Osnowski: „Wir sind ja ein Festival mit Haltung und hätten uns einzig und allein ein Treffen mit Saša Stanišić und dem zweiten Nobelpreisträger vorstellen können, der das aber nicht akzeptiert hätte.“

Mehr Veranstaltungen als im Vorjahr

Dessen ungeachtet übertrifft man diesmal mit 203 Veranstaltungen die Zahl des Vorjahrs. „Das nehmen wir uns nicht vor, es passiert einfach immer wieder“, sagt Brendel. Trotzdem stelle man auch bewähr te Formate auf den Prüfstand. „Wir haben uns unter anderem einmal gefragt, ob die Form der Gala fürs Publikum eigentlich noch zeitgemäß ist. Doch gerade in dem Jahr war die Gala so schnell ausverkauft wie nie. Da war für uns klar: Die Leute wollen das.“

Der Traum vom attraktiven Festivalzentrum am Offenbachplatz erfüllt sich auch diesmal nicht. Wobei Osnowski dafür plädiert, „keinen Euro mehr in diese marode Baustelle zu stecken, sondern in Deutz am Rheinufer nach Kopenhagener Vorbild ein ästhetisches Bühnengebäude zu errichten. Wir hätten gern ein Zentrum - aber so haben wir eben viele“.

Festival-Infos

Vom 10. bis 21. März weist das Programm 203 Veranstaltungen aus, für die 125 000 Karten in den Vorverkauf gingen. Neben den schon bekannten Absagen muss nun Ai Weiwei seinen Auftritt wegen dringender Proben verschieben. Das Festival sucht einen Nachholtermin.

Umgekehrt gibt es einige eingeschobene Wiederholungsveranstaltungen. Und für die eigentlich lange ausverkaufte Jubiläumsgala am 11.3., 20 Uhr in der Philharmonie kommen nach Aufhebung technischer Sperrungen Restkarten in den Vorverkauf.