Damit eine Vorstellung, ein Konzert reibungslos über die Bühne geht, braucht es viele helfende Hände im Hintergrund. Alexander Dworeck sorgt als Notenbibliothekar dafür, dass alles zur rechten Zeit da ist.
Keine schlechten NotenAlexander Dworeck arbeitet als Notenbibliothekar im Gürzenich hinter der Bühne
Alexander Dworeck fegt mit weichem Besen über die Partitur. Zuvor hat der Notenbibliothekar des Gürzenich-Orchesters in Lukas Ligetis „Suite for Burkina Electric and Orchestra“ nämlich kräftig ausradiert. Die Noten sollen ohne Bleistifteintragungen wieder abgegeben werden. „Da ist schon mal der ganze Boden voller Radierkrümel.“ Manchmal gebe es noch persönliche Vermerke. „Eine Brille bedeutet, dass man zum Dirigenten schauen sollte. Und ein Elefant verrät, dass es poltrig klingen darf“, weiß Dworeck.
Regieanweisung für Musiker
Zu seinen Aufgaben gehören Recherche, Bestellung oder Ausleihe von Noten bei den Verlagen, Archivierung und allgemeine Bürotätigkeiten — sowie das Einrichten des Materials. Am Anfang der Saison kommt Generalmusikdirektor François-Xavier Roth, um über Stücke und vorhandene oder neu zu bestellenden Noten zu sprechen. Gab es früher eigene Lese- und Bogenstrichproben für alle, so übernehmen das heute — unter anderem, um zu sparen — die Stimmführer der einzelnen Instrumentengruppen. Ihnen überlässt Roth, wie eine Sinfonie eingerichtet wird. „Er lässt das demokratisch entstehen“, so Dworeck.
Sein Part ist es, mit Bleistift die unzählige kleinen Zeicheneinträge für die Bogenstriche zu übertragen, die zeigen, dass Geigen, Bratschen, Celli und Kontrabässe in der gleichen Bewegung auf- oder abstreichen sollen. Außerdem gibt es Bindebögen, Keile für die Phrasierung oder Schlängellinien für das gedrosselte Tempo. Es ist eine Art Regieanweisung, auf die sich die Musiker geeinigt haben.
Alles zum Thema Gürzenich
- Nach Debatte um Lindenberg-Song Brings spielt Lied nicht mehr – Kölner Band will keine Missverständnisse
- Karneval Es gibt noch Restkarten für Arena Alaaf in Gummersbach
- Mehr Zahlkraft in der Domstadt Tourismus in Köln wandelt sich zunehmend
- Konzert in der Philharmonie Sinfoniker des WDR spielen Mahlers Dritte
- Hänneschen und Gürzenich Orchester Gemeinsame Veedels-Tour - Premiere im Kulturbunker Mülheim
- Gürzenich-Orchester Arnold Schönberg zum 150. Geburtstag gratuliert
- 8. Kölner Krätzjer Fest So schön und sanft kann der rheinische Humor klingen
Jede Orchesterstimme muss bearbeitet werden. Dworeck erhält bei der Fleißarbeit Unterstützung durch ein paar musikkundige Aushilfen. Bei Familienkonzerten oder Galaprogrammen machen Dworeck und seine Kollegin Christina Koop aus dem Orchesterbüro meist Überstunden: Denn die Stückauswahl wird dann neu gebunden.
Kommunikation mit 130 Musikern
Für jeden Musiker gibt es ein Heft, damit auf dem Pult kein Chaos einzelner loser Seiten ausbricht. „Unsere eigentliche Arbeit passiert aber am Computer“, sagt Dworeck. „Es ist hauptsächlich die Kommunikation mit unseren 130 Musikern. Alle wollen etwas wissen, haben Wünsche.“ Wenn die Schlagzeuger zum Beispiel aufgrund der Entfernung von den Noten eine Vergrößerung des Notenbilds brauchen. Jemand anderes ist unglücklich, dass er genau dann blättern muss, wenn das Notenbild besonders schwarz und schnell ist. Einige wenige Takte zu kopieren, um bei geeigneter Pause dann zu blättern, ist oft eine probate Lösung.
Sich mit dem Notenbibliothekar gut zu stellen, um nicht „schlechte Noten“ zu bekommen, ist also nicht verkehrt. Denn noch herrscht bei den meisten Berufsorchestern die Papierform vor. Die Digitalisierung macht bei den Musikverlagen nur langsam Fortschritte. Es hapert laut Dworeck an der Technik und den Preisen.
Aber auch das Urheberrecht spielt eine Rolle, dass nicht jeder Komponist digitalisiert werden darf. Überschaubar sind die Preise. Für eine ganze Orchesterausgabe, zum Beispiel Beethoven, werden nicht mehr als 400 Euro verlangt. Anders ist es beim Verleih, der bei einigen Werken die einzige Option ist. Zwei bis dreitausend Euro kostet das dann.
3500 Partituren
Wie wird man Notenbibliothekar? „Da war Gevatter Zufall im Spiel“, verrät Dworeck. Er studierte in den 90er Jahren Musik und Geschichte auf Lehramt und verdiente sich im „Blauen Team“ der Philharmonie etwas dazu. Das sind die freundlichen Platzanweiser, zu denen auch Dworeck vor 25 Jahren gehörte. „Daher kannte ich das Orchester.“
Als er dann vor elf Jahren die Stellenausschreibung sah, bewarb er sich sofort als Notenbibliothekar und wurde genommen. 3500 Partituren und das Material für rund 700 Orchesterwerke mit dem kompletten Repertoire von der Barockzeit bis zur Zeitgenössischen Musik steht in den Regalen der Bibliothek in der Straße „Unter Taschenmacher“. Mit Findbuch und Excel-Tabelle ist Dworeck von Albinoni bis Zimmermann schnell an der richtigen Stelle.
In einer weiteren Bibliothek in Braunsfeld steht noch einmal doppelt so viel Material für die Opernproduktionen. Dafür ist wiederum Dworecks Kollegin Barbara Schönfeld zuständig. Ob alles im künftig sanierten Operngebäude am Offenbachplatz wieder zusammengelegt wird, wie ursprünglich geplant, steht noch in den Sternen. Das Material ist umfangreicher geworden. Das Archiv mit Originalhandschriften unter anderen von Jacques Offenbach musste bereits in den Keller der Philharmonie ausgelagert werden.
„Wir haben dort auch Kompositionen des dritten Gürzenich Kapellmeisters Franz Wüllner von 1880“, weiß Dworeck. Für musikwissenschaftliche Forschung wäre es ein weites Feld, was die Kapellmeister damals so komponierten. In alten Noten findet Dworeck auch Einträge, die manches über die Orchestergeschichte verraten. Zumal die Posaunen und Hörner tragen auf der letzten Seite des Einbands ein, wer zuletzt aus den Noten gespielt hat. Das entspreche dem Wunsch, genau die Noten wieder zu haben. „Einmal stand das Jahr 1880 dabei“, sagt Dworeck. Die Musiker waren aber längst verstorben, als das Werk wieder aufgeführt wurde.
Für Quereinsteiger
Als Notenbibliothekar benötigt man einerseits künstlerische und musikwissenschaftliche Fähigkeiten, andererseits betriebswirtschaftliche und insbesondere auch rechtliche Kenntnisse zum Beispiel zu Urheber- und Verlagsrecht.
Eine spezielle Ausbildung gibt es bislang nicht, der Beruf bietet daher eine gute Möglichkeit für alle Quereinsteiger. Grundsätzlich gibt es mehrere Wege zum Beruf: einerseits über ein Studium, zum Beispiel der Musikwissenschaft, des Kultur- oder Orchestermanagements, der Theaterwissenschaft oder eines Instrumentes. Andererseits über eine Ausbildung im Archiv- und Bibliothekswesen.