Wandel Kölner InnenstadtSo sollen Schildergasse und Hohe Straße ausgerichtet werden
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Köln – „Die Kölner lieben diese beiden Straßen nicht.“ Annett Polster vom Verein Stadtmarketing wusste genau, was ihr bei der Vorstellung des Leitbildes Handelslagen Hohe Straße und Schildergasse besonders am Herzen lag: Dass nicht nur auswärtige Gäste die City bevölkern, sondern auch die Kölnerinnen und Kölner selbst. „Alltagstauglich machen“ nennt man das nicht nur in Fachkreisen – aber, wie genau soll das gehen?
Die Problemstellung
Vor exakt einem Jahr fand die Impulsveranstaltung zum Leitbild Handelslagen statt. Das Dortmunder Stadtplanungsbüro Stadt und Handel sollte Wege aufzeigen, die City zu profilieren und einen Entwicklungsrahmen für das weitere Vorgehen zu setzen. Hintergrund war, einem nicht erst seit Corona einsetzenden Negativ-Trend im Einzelhandel etwas entgegen zu setzen. Und vor allem, ein eigenständiges, attraktives Profil für die Handelslagen zu schaffen. Das Ergebnis dieser Untersuchung wurde nun vorgestellt.
Die Anfänge
Zunächst einmal galt es, möglichst viele Akteure an dem Prozess zu beteiligen. Nicht nur die Stadt, die Händler, die Politik – vor allem auch die Eigentümer der Immobilien. Und viele folgten dem Aufruf. „Letztendlich ist es ja in unserem eigenen Interesse, sich auf veränderte Bedingungen einzustellen und nicht nur nach dem maximalen Profit zu schauen“, sagt Frank Wenzel, Geschäftsführer der Aachener Grund. Ihr gehören rund 30 Immobilien rund um die beiden Lagen. Gleichzeitig waren auch alle anderen Akteure gefordert, sich Gedanken über die Zukunft der Innenstadt zu machen: Von der Kölnbusiness Wirtschaftsförderung über den Verein Stadtmarketing bis hin zum Amt für Stadtentwicklung, namentlich dessen Leiterin Brigitte Scholz und ihrem Team. Und ohne die Politik geht natürlich auch nichts, sie muss schließlich über die Maßnahmen entscheiden.
„Schon nach kurzer Zeit war klar: Eine einheitliche Hohe Straße oder Schildergasse gibt es nicht. Es sind vielmehr einzelne Quartiere, die die Vielfältigkeit der Stadt abbilden“, erklärt Jens Nußbaum von Stadt und Handel. Dementsprechend wurde geschaut, was wo angesiedelt ist oder angesiedelt werden kann. Ebenso deutlich wurde, dass der Handel allein die nötige Transformation der City nicht stemmen kann und wird. „Es geht um Mehrnutzung“, sagt Nußbaum. Dies betrifft nicht nur die oberen Stockwerke, sondern auch temporäre Nutzungen – eine deutlich größere Angebotsmischung als zurzeit. „Wir müssen den Menschen einen Grund geben, nicht trotz, sondern wegen der Hohe Straße in die Stadt zu kommen.“ Dass dazu auch die Aufenthaltsqualität zunehmen muss, ist allen Beteiligten bewusst. Auch der Neumarkt ist zwingend Teil der Betrachtung.
Das Ergebnis
Es war das Mantra aller Beteiligten: Der Handel wird weiter eine zentrale Rolle in der City spielen, aber nicht mehr die alleinige. Während einerseits versucht wird, die beiden Einkaufstraßen in kleinere, zusammenhängende Einheiten zu gliedern, muss andererseits der Nutzungsmix vorangetrieben werden. Kunst und Kultur vor allem, aber auch Gastronomie und der gesamte Freizeitbereich. Letztendlich soll auch der Gedanke an Wohnraum in der City wieder eine Chance bekommen.
Über allem thront der Gedanke an die Aufenthaltsqualität, die auch in den Abendstunden Menschen in die Innenstadt locken soll. Mit mehr Grün, aber auch dem vermeintlichen Rückgriff auf alte Zeiten: Ein Kino, selbst ein Theater könnte man sich unter diesen Vorzeichen wieder hier vorstellen. Auch regelmäßige Veranstaltungen auf dem Neumarkt.
Wie schnell wird es gehen?
Einige kleinere Schritte gibt es bereits, beispielsweise das Frühlingserwachen oder die Klangstraße. Deutlich erkennbar ist bereits der Weg, den der Wallrafplatz und die nördliche Hohe Straße nehmen soll: Ein Luxus-Entreé mit hochwertigem Einzelhandel. Neue Wege werden auch im ehemaligen Kämpgen-Gebäude gegangen. Dort wird im eine Boulder-Lounge zum Klettern zwischendurch oder abends eingerichtet. Viele Gebäude, die derzeit abgerissen oder umgebaut werden, sind anderen Bedürfnissen angepasst als noch vor wenigen Jahren: kleiner geschnittene Verkaufsräume, flexible Nutzungen. Im Herbst wird es eine Open Art Gallery geben, im Rahmen derer leer stehende Schaufenster bespielt werden. Irgendwo um das Jahr 2030, so die Hoffnung der Experten, werde die Transformation wenn nicht abgeschlossen, so doch deutlich erkennbar sein.
Die Rolle der Stadt
Erstmals soll eine eigene Zentren-Agentur die Bedeutung der City hervorheben. Möglicherweise unter Federführung von Kölnbusiness, aber unter Einbeziehung aller Akteure. „Ein Netzwerk, das auch umsetzen kann“, betont Kölnbusiness-Geschäftsführer Manfred Janssen. Wirtschaftsdezernent Andree Haack gibt unumwunden zu, dass auch die Stadt noch Hausaufgaben zu erledigen hat: „Das Planungsrecht muss deutlich flexibilisiert werden“, sagt er. Insbesondere, was Neu- und Umnutzungen angeht. Er sagt aber auch: „Dazu müssen ordentliche Anträge gestellt werden.“ Die Stadt ihrerseits bemüht sich derweil um Förderungen vom Land, insbesondere aus dem Programm „Zukunftsfähige Innenstädte“. „Wir sind da ganz zuversichtlich“, meint Haack.
Kommentar zum Wandel in Köln: Mehr als ein Anfang
Den größten Erfolg konnte das Team von Stadt und Handel vielleicht ganz am Anfang verbuchen: Möglichst viele Akteure ins Boot zu holen und beim Prozess mitzunehmen. Ohne Eigentümer geht genauso wenig wie ohne Handel, Stadt und Politik. Dass es relativ konkret wurde, an Visionen zwar nicht gespart, aber alles doch einigermaßen realistisch verpackt wurde, mag ein positiver Ausblick sein.
Dass genug zu tun bleibt, ist allen klar. Die Eigentümer werden einiges investieren müssen, bis die City wieder Aufenthaltsqualität hat. Dazu aber brauchen sie die Stadt. Die wird sich daran messen lassen müssen, ob Bauanträge, Um- oder Neunutzungen künftig wirklich flexibler gehandhabt werden. Und letztlich muss auch sie investieren: in ein angemessenes, modernes urbanes Umfeld. Zuschüsse vom Land sind da gerne gesehen.
Was man aber von heute auf morgen angehen kann: Den Gästen wie den Kölnerinnen und Kölnern wieder ein Gefühl von Sauberkeit und Sicherheit zu geben. Denn das ist in den letzten Jahren immer mehr verloren gegangen.