- Für eine Ausstellung im Kölner Wallraf-Richartz-Museum werden teure Rembrandt-Gemälde um die halbe Welt transportiert.
- Bis 2020 sind die Gemälde noch in Köln zu sehen.
- Dabei muss das Museum um jedes Ausstellungsstück ringen.
Köln – Wem auch immer er entgegen schaut, er interessiert sich nicht für ihn. „Der Gelehrte im Studierzimmer“ ist in Gedanken noch in das Buch vertieft, das aufgeschlagen vor ihm liegt. Er schaut durch sein Gegenüber hindurch. Ganz anders bei Anja Sevcik. Sie schaut dem Mann, der sich gerade an den Bart fasst, sehnsuchtsvoll entgegen. Seit nunmehr zwei Jahren steht er im Mittelpunkt ihres Denkens. Baut die Kuratorin des Wallraf-Richartz-Museums doch um sein Bildnis die im November startende Rembrandt-Ausstellungherum.
„Für mich ist das bisher die größte, die teuerste und die aufregendste Ausstellung“, sagt sie. Und dabei ist die Kunst nur ein Aspekt von vielen. Es geht um Versicherungen, Wanddicke, Polizeischutz und die Größe von Schrauben.
Die Ausstellung
„Inside Rembrandt“ ist vom Freitag an bis zum 1. März 2020 im Wallraf-Richartz-Museum zu sehen. 67 Werke Rembrandts werden in der Sonderausstellung präsentiert. 14 Gemälde des weltberühmten Barockmalers sind darunter. Zudem Radierungen und Zeichnungen.
Zu der Ausstellung tragen berühmte Häuser wie das Metropolitan Museum New York oder die Münchner Pinakothek bei. Aus Amsterdam kommt das Gemälde des Predigers Johannes Wtenbogaert. Kuratorin Anja Sevcik baut die Ausstellung wie ein Theaterstück in fünf Akten auf. So wird auch die Entwicklung des barocken Meisters ersichtlich. Der Eintritt kostet 13 Euro (ermäßigt 8 Euro).
„Rembrandts graphische Welt“ ist bereits seit dem 3. Oktober im Wallraf zu sehen. Diese Ausstellung umfasst rund 30 Radierungen des Künstlers.
Das Rembrandt-Gemälde „Der Gelehrte im Studierzimmer“ hing kürzlich noch in der Nationalgalerie Prag. Erstmals seit 70 Jahren hat es das Land verlassen. Gen Köln. Als Sevcik dafür die Zusage bekam, kippte der erste Dominostein. Von da an gaben andere Häuser und private Sammler ihr Okay. Werke kommen aus dem Metropolitan Museum New York, aus Ungarn, Schweden, England, Amerika und den Niederlanden. Die Fürstenfamilie zu Salm-Salm entleiht ihren einzigen Rembrandt aus der Wasserburg Anholt.
Schweres Ringen um jedes einzelne Gemälde
Doch bevor der Eindruck entsteht, die Besitzer der Rembrandts waren freigiebig, gar großherzig – um jedes Bild, um alle Bedingungen musste gerungen werden. „Eines der Werke wurde unter Polizeischutz bei uns angeliefert“, so Sevcik. Nur unter dieser Vorsichtsmaßnahme waren die Besitzer bereit, das Bild auf Reisen zu schicken. Welches? Verschwiegenheit.
Um eine weitere Forderung zu erfüllen, musste die Stärke der Ausstellungswände verdoppelt werden. Sorge um die Traglast. „Eine Dokumentation der Klimadaten ist obligatorisch, manche wollen auch Fotos der Ausstellungsräume sehen“, erläutert Sevcik.
Was in der Branche nicht unüblich ist, ist bei Rembrandt Pflicht. Die Gemälde werden in klimastabile Kisten verpackt. Für jedes Gemälde extra gebaut. Mit dicker Dämmung soll verhindert werden, dass es zu starken Temperaturschwankungen kommt. Die Werke aus Übersee kamen per Flugzeug, die aus Europa mit dem Lkw. Für alle gemeinsam galt, dass der Frachtraum klimatisiert sein musste.
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„Die Fahrzeuge haben eine Spezial-Federung“, erklärt die Kuratorin. Messgeräte überprüfen Schwankungen. Kein Schlagloch, keine Spitzkehre soll den „Gelehrten“ aus seinen Gedanken reißen. Natürlich zwei Fahrer. Einige Besitzer hatten sich ausbedungen, dass ihr Kunstwerk alleine im Laderaum steht. Kein Zwischenstopp mit Zuladung. Mag er auch auf dem Weg liegen. Keine Aufschrift verrät die Fracht. Bei den Gemälden ist stets ein Kurier zugegen. Und keines verlässt das Haus, wenn es nicht versichert ist.Versicherungssummen: ein heißes Eisen in der Branche. Erst kürzlich lehnte das Kölner Kulturamt den Antrag, kostenlosen Eintritt in allen Museen zu ermöglichen, ab.
Kosten für Ausstellung steigen in astronomische Höhen
„Die Kosten für Ausstellungen steigen ständig, insbesondere die Versicherungs- und die Transportkosten für die auszuleihenden Kunstobjekte“, heißt es in der Begründung. Um wie vieles mehr gilt das für Rembrandt. Die Versicherungssumme für ein Bild? Sevcik spricht in Andeutungen. „Gehen Sie mal von einem halben Jahresgehalt aus.“ Und wahrscheinlich bezieht sie sich nicht auf die Entlohnung eines Maurers. Richtet sich die Versicherungshöhe doch nach dem Marktwert des Bildes. Zur Einordnung: Kürzlich kauften der Louvre in Paris und das Rijksmuseum in Amsterdam gemeinsam die Porträts eines Ehepaars von Rembrandt – für 160 Millionen Euro.
Inzwischen sind die wertvollen Gemälde eingetroffen, fast alle jedenfalls. Ein Bild wird erst kurz vor der Pressekonferenz am Mittwoch ankommen. Vor dem Auspacken mussten die Bilder 24 Stunden in der Kiste ruhen – bis sichergestellt war, dass sich das Werk aufs Raumklima eingestellt hat. Das Auspacken geschah unter den Argusaugen des Kuriers. „Es wird unter anderem geprüft, ob sich irgendwo ein Splitter befindet, der Indiz für einen Stoß sein könnte“, so die Kuratorin. Auch die Schrauben, an denen die Bilder hängen, nehmen die Kuriere unter die Lupe. Werden sie für zu dünn befunden, kommen dickere rein. Wird eine Absperrung vor dem Bild verlangt, wird auch die nicht verweigert. „Was der Kurier sagt, ist Gesetz“, so Sevcik demütig.
Jede Ecke im Wallraf ist videoüberwacht. Modernste Sicherheitstechnik mit direktem Draht zur Polizei. Dennoch wird über die Ausstellungsdauer von vier Monaten sieben Tage in der Woche und 24 Stunden am Tag Wachpersonal im Ausstellungsraum zugegen sein. Während der Öffnungszeiten ist die Wachmannschaft aufgestockt.
„Das war ein wilder Ritt“, sagt Sevcik mit Blick auf die vergangenen zwei Jahre. Und wenn die Ausstellung zum März endet, wird sie nochmals aufsatteln müssen. Dann wird alles rückabgewickelt. „Wenn ich in ein Loch zu fallen drohe, dann sag ich mir immer: Was für eine Chance, was für eine Ehre, eine Rembrandt-Ausstellung.“ In ihren Augen blitzt es auf, sie ist ganz gegenwärtig – im Gegensatz zum Gelehrten im Studierzimmer.