Vom Fuchs bis zum EisvogelWie Köln zunehmend zum Lebensraum für Wildtiere wird
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Köln – Als „befriedeten Bezirk“ wird wohl nicht jeder die Kölner Innenstadt betrachten. Füchse aber schon. Die merken, dass sie hier nicht gejagt werden dürfen. Deshalb kommen sie gerne – und wagen sich überall dahin vor, wo sie etwas zu fressen finden. Immer häufiger werden sie auch mitten in der City, etwa am Waidmarkt, gesehen.
„Die bewohnten Bereiche von Städten gelten als ,befriedet’, hier dürfen laut Jagdrecht Wildtiere nicht dezimiert werden“, erklärt Joachim Bauer, stellvertretender Leiter des Grünflächenamts. „Keine Schüsse, keine toten Artgenossen. Füchse sind schlau, die merken sowas.“ Und pragmatisch. „Wenn’s keine Maus gibt, tut es auch schon mal ein weggeworfener Hamburger.“ „Kulturfolger“ nennt man Tiere, die als Wildtiere in menschlichen Siedlungen leben. Und hier oft ihr natürliches Verhalten zeigen. Offene Kirchtürme etwa sind für Wanderfalken Nistplätze, die einer Felswand zumindest nahe kommen. Nur ihr Speisezettel ist schlichter als anderswo. Tauben fressen sie, so Bauer, und das fast ausschließlich.
Kaninchen, Kraniche, Eichhörnchen, Milane, die eingewanderten grünen Halsbandsittiche, Kanada- und Nilgänse, die heimischen Weißstörche, Eisvögel – sie alle leben im Stadtgebiet. Für andere wie den Schwarzstorch oder den Kranich wäre das völlig unmöglich. „Ein Kranich würde nie am Aachener Weiher brüten“, ist sich Joachim Bauer sicher. „Er ist ein hoch spezialisiertes Tier, das große Wasserflächen und ungestörte Ruhebereiche benötigt.“ Anders als der Graureiher, der auf Bäumen nistet, baut der Kranich sein Nest am Boden – um es vor Feinden zu schützen, tut er das inmitten von Sumpfgebieten.
„Je spezifischer ihre Ansprüche an den Lebensraum, Nistplätze oder das Nahrungsangebot sind, desto schwerer er ist es für Tierarten, in einer anderen Umgebung zurecht zu kommen“, erläutert Bauer. Sie können auch dann nicht ausweichen, wenn ihr natürlicher Lebensraum bebaut oder zu monotonen Ackerflächen wird.
Andere Arten finden in den zahlreichen Grünflächen Kölns extrem gute Bedingungen vor und vermehren sich sichtlich: Die zahlreichen Kanada- und Nilgänse bevorzugen gemähte Wiesen. Deren Gras ist sehr nahrhaft und sie sehen ihre Feinde schon von Weitem. „Solche Wiesen gibt es in Köln jede Menge, hier wollen ja alle Fußball spielen“, konstatiert Bauer.
Wer gut zurecht kommt, der bleibt. So gab es vor 50 Jahren etwa noch keine Graureiher in Köln. „Heute kann man sie an vielen Wasserflächen in der Stadt beobachten, etwa am Rautenstrauch-Kanal“, weiß Sven Meurs, der sich als Fotograf auf Tiere in der Stadt spezialisiert hat. Weil es hier wärmer ist, frieren die Gewässer nicht zu – ein großer Vorteil für den Fischfresser.
Eber bleiben im Rechtsrheinischen
Andere wie etwa Wildschweine zieht es im Winter, wenn das Nahrungsangebot knapp wird, schon mal in die Gärten der rechtsrheinische Vororte. Das würden die linksrheinischen Sauen und Eber auch tun, gäbe es nicht Autobahn und Randkanal als unüberwindliche Hindernisse. „Deshalb haben wir links des Rheins keine Wildschweine auf Stadtgebiet“, so Bauer. Und auch der Wolf werde in Köln sicher nicht heimisch. „Er benötigt ein sehr großes Revier und ist sehr scheu“, sagt Meurs.
Anders als etwa Kolkraben, die erst seit einigen Jahren wieder in der Wahner Heide brüten. Über sie freut sich Markus Bouwman, Leiter der städtischen Forstverwaltung, genauso wie über Schwarzspechte, die im alten Baumbestand des Dünnwalder Forstes beste Bedingungen vorfinden. „Seit einigen Jahren gibt es Dachs und Siebenschläfer auf dem Stadtgebiet. Und Rotmilane werden immer häufiger gesichtet“ , so Bouwman. Auch der Kölner Naturschutzbund (Nabu) hat Neuzugänge dokumentiert: Bienenfresser und Wiedehopf wurden im Kölner Süden beobachtet. Verschwunden sei dagegen leider die Haubenlerche.
Kopfzerbrechen machen Joachim Bauer derzeit die Halsbandsittiche. Hunderte von ihnen tummeln sich in diesem Herbst auf den Platanen an der Deutzer Brücke – und hatten ihnen bereits im September sämtliche Blätter abgeknibbelt. „Ein- oder zweimal überlebt ein Baum sowas, aber dann könnte es kritisch werden.“ Aufs Stadtgebiet gesehen ist die Zahl der Sittiche nach Einschätzung des Nabu leicht rückläufig; derzeit gibt es rund 2700 der leuchtend grünen Papageien.
Anpassungsfähige Füchse
„Gefühlt mehr“ würden dagegen die Füchse. „Die trift man in jedem Park und in jeder Grünfläche an“, so Meurs. Extrem anpassungsfähig, nutzen sie Bahntrassen, um weite Entfernungen zurückzulegen. „Hier müssen sie keine Straßen überqueren und kommen schnell voran“, erzählt Bauer. Werden es zu viele, sorgen Infektionskrankheiten dafür, dass die Population von Kaninchen oder Füchsen schrumpft. Ungefährlich seien die Kölner Füchse zudem, sie hätten keine Tollwut, so Bauer. Und Gänse stehlen sie auch nicht, das Problem bleibt beim Grünflächenamt.
Buchtipp
Der Autor und Fotograf Sven Meurs hat das Leben von Tieren in der Großstadt in zwei Büchern dokumentiert.
Natürlich Köln: Wildnis in der Großstadt, Kiwi-Verlag, 19,99 Euro, ISBN-13: 978-3462038460
Großstadt Wildnis – Auf Tiersafari in unseren Städten, Knesebeck-Verlag, 30 Euro, ISBN 978-3-95728-233-0
Wenn es eins ist. Denn jetzt werden die Gänse, die heimische Entenarten auf den städtischen Weihern verdrängen, erstmal gezählt: Im Winterquartier der Gänse, dem Rheinpark. Und danach? „Wenn es zu viele sind, beantragen wir eine Ausnahme vom Artenschutzgesetz. Dann dürfen wir die Eier gegen Attrappen austauschen“, sagt Bauer.
Anderen Tieren wie den drei Großwildarten Rot-, Dam- und Rehwild baut man Brücken – über die A4 und eine Schnellstraße – um sie auf dem Stadtgebiet zu halten und Unfälle zu verhindern. Über diese Wildbrücken trippeln auch Wildschweine und Hasen. Und noch ein anderes, gänzlich unauffälliges Lebewesen würde die Querung der Autobahn sonst nicht überleben. Auf den Stein- und Holzhaufen der Brücke macht es kurz Rast, bevor es lautlos weiterfliegt: die Fledermaus.