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Vier-Tage-Woche in Kölner Betrieben?Der lange Weg zu kürzerer Arbeitszeit

Lesezeit 5 Minuten
Arbeitszeit Symbolbild.

Flexible Arbeitszeiten könnten ein Weg sein, dem Fachkräftemangel zu entgegnen.

Die Vier-Tage-Woche wird in Zeiten von Fachkräftemangel immer wieder diskutiert. Immer mehr Unternehmen führen zumindest flexible Arbeitszeiten ein. Wie Betriebe in Köln Mitarbeiter finden und halten.

Vier Tage arbeiten, fünf Tage Lohn? Einfach mal die Arbeitszeit um einen Tag nach unten setzen, dazu sind momentan noch die wenigsten Arbeitgeber bereit, speziell im produzierenden Gewerbe. Die Wochenarbeitszeit aber auf vier Tage zu verteilen, da sieht die Sache schon anders aus. Dies würde allerdings in vielen Fällen mit dem Arbeitsrecht kollidieren. Und dann gibt es noch Modelle, bei denen den Kollegen freie Hand gelassen wird – Hauptsache, der Job wird (gut) erledigt.

Heizungstechnik

Heizungstechniker Marcus Heinen hat knapp 20 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, und bislang zumindest hat er keine Probleme, den Betrieb in Höhenhaus auch personell am Laufen zu halten. Allerdings tut er auch einiges dafür. Teambuilding ist wichtig in der Firma, sei es beim Bowlen oder in der gemeinsamen Kaffeerunde. Wichtiger aber ist die freie Zeiteinteilung. Jeder Monteur hat ein Tablet, mit dem er Aufträge disponieren kann. Auch Absprachen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter untereinander sind kein Problem. Hauptsache, die Aufträge werden schnell und unkompliziert abgearbeitet. „Ich habe weit weniger Ausfälle als früher“, sagt Heinen. Was wiederum zu hoher Kundenzufriedenheit führe, geplatzte Termine seien eine seltene Ausnahme. Abgerechnet wird stundenweise, auch ein Arbeitszeitkonto hat Heinen eingerichtet. Die Monteurinnen und Monteure können selbst entscheiden, wie viel sie schaffen – und wie viel sie am Ende des Tages nach Hause bringen. „Ausgenutzt“ hat diese Freiheiten noch nie jemand, auch wenn sich das System nach der Einführung erst einmal zurechtruckeln musste. „Ich habe mir das ein wenig vom Homeoffice in anderen Bereichen abgeschaut“, erklärt Heinen.

Logistik und Produktion

Dass das aber eben nicht überall reibungslos ineinandergreifen kann, zeigt das Beispiel Unitechnik. Ein Betrieb mit 182 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, der sich auf Automatisierungslösungen für Logistik und Produktion spezialisiert hat. Die eigenen Softwarekonzepte sind ein zentraler Baustein. Während es in der IT ganz gut klappt mit Homeoffice und relativ flexiblen Arbeitszeiten, stößt man in der Produktion an natürliche Grenzen – den Maschinen ist eine Vier-Tage-Woche egal. Inhaber Rainer Poppek hat auch durchaus unterschiedliche Erfahrungen mit Homeoffice und eigener Arbeitseinteilung gemacht: „Das klappt bei vielen sehr gut“, sagt er. „Aber es gibt auch einige, bei denen die Effektivität spürbar gelitten hat.“ Letztlich bleibt ihm gar keine Wahl, als diesen Kurs weiterzufahren.

Wie Marcus Heinen setzt auch er auf ein gutes Betriebsklima, auch in der Hoffnung, dass sich das bei potenziellen Bewerbern herumspricht. „Der Lohn ist oft gar nicht mehr das Hauptargument. Vielmehr die Frage, wie die Arbeitszeit organisiert ist“, sagt er. Drei bis vier Stellen jeweils in der Fertigung wie im Bereich Projektleitung und Consulting könnte er aus dem Stand besetzten – wenn er denn qualifiziertes Personal hätte.

Tech-Unternehmen „bezahl.de“

Allein im vorigen Jahr ist „bezahl.de“ von 60 auf rund 100 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter angewachsen. Was für das Unternehmen – eine stark wachsende Plattform für digitales Zahlungsmanagement – eine Herausforderung nicht nur hinsichtlich der Rekrutierung neuer Mitarbeiter darstellt, erklärt Co-Gründer Ulrich Schmidt. Ebenso wichtig ist das Betriebsklima, der größte Teil neuer Mitarbeiter kommt auf Empfehlung aus dem Unternehmen selbst. „Wir haben uns bereits vor der ersten Einstellung einen ,Code of conduct’ gegeben, der für alle verbindlich ist.

Ein wesentlicher Teil davon ist es, auf die individuellen Bedürfnisse der Mitarbeiter soweit möglich Rücksicht zu nehmen. Das heißt nicht, dass jeder tun und lassen kann was er oder sie gerade will. Aber eine gewisse freie Zeiteinteilung bleibt den Teams überlassen – unter anderem auch im Hinblick auf junge Eltern. Eine Kernarbeitszeit ist grundsätzlich festgelegt, kann in Absprache aber flexibel gehandhabt werden. Auch eine externe Psychologin ist engagiert, an die man sich anonym wenden kann, wenn es klemmt. Die Kosten übernimmt der Betrieb.

Rewe-Gruppe

Der Vollversorger Auch bei Rewe ist man sich des Themas bewusst. Allerdings sieht man hier noch deutlichen Abstimmungsbedarf. „Wir versuchen, die Bedürfnisse der Mitarbeitenden in individuellen Arbeitszeitmodellen zu realisieren“, erklärt Thomas Bonrath, Sprecher der Rewe-Gruppe. Dazu gehörten auch Teilzeitmodelle mit einer unterschiedlichen Anzahl an Arbeitstagen. Aber: „Die Realisierung der vollen tariflichen Wochenarbeitszeit in einer Vier-Tage-Woche ist noch mal deutlich komplexer. So sind unter anderem die gesetzlichen Höchstarbeitszeiten je Arbeitstag einzuhalten, wobei in diesem Zusammenhang auch Faktoren des Gesundheitsschutzes zu berücksichtigen sind, wenn Mitarbeitende im Rahmen der Vier-Tage-Woche fast zehn Stunden je Tag arbeiten.“ Man beschäftige sich durchaus mit dem Modell, konkrete Entscheidungen seien in dieser Richtung bislang aber noch nicht getroffen worden.

Industrie-und Handelskammer und Handwerkskammer

Die Kammern Die beiden Kölner Kammern, die Industrie- und Handelskammer (IHK) und die Handwerkskammer (HWK) gehen das Thema sehr unterschiedlich an. Während man bei der IHK kurz und bündig auf die Tarifparteien verweist, klingt das bei der Handwerkskammer anders. „Die Vier-Tage-Woche ist ein Modell, das bisher nur in wenigen Einzelbeispielen praktiziert wird“, sagt Hauptgeschäftsführer Garrelt Duin. Wenn sich die Arbeitszeit von fünf Tagen auf vier Tage reduziere, müsse darauf geachtet werden, dass die tägliche Arbeitszeit nicht überschritten werde. Von ihrer familiären Struktur her seien Handwerksbetriebe zwar grundsätzlich geeignet, die Vier-Tage-Woche anzuwenden. Hier sei aber der erhöhte Organisationsaufwand zu beachten. In Zeiten des Fachkräftemangels könne es eine Maßnahme sein, Arbeitsabläufe anzupassen – „aber es muss immer die Kundennachfrage und die Auftragslage berücksichtigt werden“.