Köln – Der tragische Unfall an der A3 bei Köln-Dellbrück, bei dem eine 66-jährige Autofahrerin durch ein herabstürzendes Schallschutzelement erschlagen wurde, nimmt immer größere Dimensionen an. Nachdem bereits feststand, dass sieben Schallschutzplatten in dem Autobahnabschnitt mit improvisierten Halterungen befestigt waren, gibt die zuständige Landesbehörde nun bekannt, dass diese Befestigungen nach Fertigstellung von der Bauaufsicht sogar eine Abnahme erhielten. Zwar gab es die Auflage für die Baufirmen, dafür nachträglich einen statischen Nachweis zu erbringen, jedoch ist das nie erfolgt.
NRW-Verkehrsminister Hendrick Wüst hat jetzt einen unabhängigen Gutachter damit beauftragt, die bisherige Praxis der Überwachung und Abnahme sowie die Bauwerksprüfung bei Straßen.NRW zu untersuchen und zu bewerten. Darüber hinaus steht nun fest, dass landesweit an weiteren 25 Straßenabschnitten vergleichbare Schallschutzelemente verbaut wurden.
Versagen auf breiter Front
Das Versagen an der A3 fand offensichtlich auf breiter Front statt. Sieben Platten wurden mit zusammengeschweißten Winkeln anstatt mit den dafür vorgesehenen massiven Halterungen befestigt. Doch damit nicht genug. Nun gibt Straßen.NRW bekannt, dass an weiteren Platten unsauber gearbeitet wurde. Zwar kamen die vorgeschrieben Befestigungselemente zum Einsatz. Doch wurden einbetonierte Schrauben zur Seite geschlagen und weggebogen, um daneben neue setzen zu können.
Wie viele Platten von dieser Art Pfusch am Bau betroffen sind, beantwortete die Behörde nicht. Dennoch wird immer mehr deutlich, dass es beim Bau der Schallschutzwand bei Köln-Dellbrück enorme Probleme mit den Maßen gegeben haben muss. Vieles passte nicht wie vorgesehen.
Behörde bleibt Antworten schuldig
Das Problem war wohl so groß, dass auch die Bauaufsicht keine andere Lösung sah, als Improvisation zuzulassen. Die zusammengeschweißten Winkel wurden von den Prüfingenieuren abgenommen. Unter dem Vorbehalt, eine Berechnung nachzuliefern, dass diese Winkel in der Lage sind, die Platten dauerhaft zu halten. Ein fataler Fehler. Die Firmen erbrachten den Nachweis nie. Straßen.NRW behauptet, trotz mehrfacher Ermahnung nicht. Wie oft wurde gemahnt? Über welchen Zeitraum hinweg? Die Behörde bleibt die Antworten schuldig. Genauso wie auf die Frage, wer damals die Schallschutzwand abnahm. Schließlich verlief die statische Nachprüfung endgültig im Sande, als die Baufirmen mehrere Jahre nach der Abnahme Insolvenz anmeldeten. Aber hätte Straßen.NRW dann zur Gewährleistung der Sicherheit nicht selbst für den statischen Nachweis sorgen müssen? Wiederum keine Antwort.
Letzte Prüfung im Jahre 2013
Dieser Fehler wirkte sich anscheinend bis auf die alle sechs Jahre durchzuführende Hauptuntersuchung aus. Die Schallschutzwand an der A3 wurde zuletzt 2013 auf Herz und Nieren geprüft - und erhielt die Zustandsbewertung „sehr gut“. Im Falle der improvisierten Befestigungswinkel lässt sich das durchaus mit dem Abnahmeprotokoll erklären. Warum grundsätzlich in Frage stellen, was bei der Abnahme den Segen erhalten hatte. Dennoch sind wohl auch die Bauwerksprüfer nicht aus dem Schneider. Wie Straßen.NRW einräumt, waren die zur Seite geschlagenen Schrauben an den anderen Platten ohne großen Aufwand von außen einzusehen. Offensichtlicher Pfusch also. Wie konnte es da zu einer Bestnote kommen? Diese Antwort muss nun der von Verkehrsminister Wüst beauftragte Gutachter beantworten.
Zurzeit werden von Straßen.NRW die 25 Straßenabschnitte untersucht, an denen vergleichbare Schallschutzelement als Vorsatzschale verbaut wurden. Bisher seien dabei keine Fehler entdeckt worden.