Das Projekt „Rahab“ des Sozialdienstes katholischer Frauen vermittelt seit zehn Jahren Hilfsangebote an Prostituierte in Köln. Streetworker besuchen die Frauen regelmäßig an ihren Arbeitsorten.
Streetworker des SkF„Rahab“-Projekt unterstützt Sexarbeiterinnen
Jana ist Anfang 20, sie kommt aus Bulgarien. Sie ist jung Mutter geworden, das Geld ist knapp. Aufgrund der Situation im Heimatland hat sie ihr Kind zu ihrer Mutter gegeben und sich auf den Weg nach Deutschland gemacht. Doch ohne Schulabschluss und Deutschkenntnisse ist es schwer, etwas auf dem Arbeitsmarkt zu bekommen. In Köln wird Jana Prostituierte auf dem Straßenstrich. Nun verdient sie Geld und schickt einen Teil davon zu ihrer Familie nach Hause – doch auch viele neue Probleme sind hinzugekommen: Wohnungslosigkeit, mangelnde Krankenversorgung und ein psychisch und physisch sehr belastender Job.
Wege in die Sexarbeit gibt es viele und der Fall von Jana ist nur ein Beispiel, wie eine junge Frau in dieses Umfeld kommen kann. Um die Frauen, die im Kölner Süden oder am Eigelstein der Prostitution nachgehen, die in Clubs, Bordellen, Wohnungen oder Wohnwagen arbeiten, kümmern sich die Streetworker des Projektes „Rahab“ des Sozialdienstes katholischer Frauen (SkF). Benedikt Schmitz und Larissa Armbruster fahren mindestens einmal in der Woche gemeinsam zum Eifeltor, an die Brühler Straße und den Kölnberg, verteilen Kaffee und Kondome, bieten Hilfe und Gespräche an. Jeden Donnerstag bieten die Sozialarbeiter zudem in der Geschäftsstelle des SkF eine offene Sprechstunde für Prostituierte an.
Seit mehr als 120 Jahren in der Prostitutionshilfe aktiv
Der Sozialdienst kümmert sich seit seiner Gründung im Jahr 1900 um Frauen in der Prostitution. Lange war diese illegal, in den 80er Jahren wurde dann das „Mäc Up“ als Anlaufstelle gegründet, später ein Kontaktbus am Ebertplatz etabliert. Vor mehr als 20 Jahren wurde an der Geestemünder Straße schließlich ein bis heute genutztes Gelände eingerichtet, auf dem sich der vom SkF und vom Gesundheitsamt der Stadt Köln betreute Straßenstrich befindet.
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Rahab ist seit zehn Jahren im gesamten Stadtgebiet aktiv. „Die Aufgabe von Rahab ist zum einen aufsuchende Arbeit, sprich Streetwork, überall, wo Sexarbeit stattfindet, mit einem besonderen Fokus auf die prekärsten Orte“, sagt Sozialarbeiter Benedikt Schmitz. Etwa im Kölner Süden, wo die Frauen direkt auf der Straße stehen oder auf Parkplätzen in Kleinbussen arbeiten. „Knapp 40 Prozent der von uns begleiteten Prostituierten dort sagen, dass sie unsicher wohnen oder sogar wohnungslos sind.“ Ihre Arbeit führt ihn und Larissa Armbruster regelmäßig auch nach Meschenich: Am Kölnberg wohnen und arbeiten vornehmlich Drogen gebrauchende Frauen, die der Sexarbeit nachgehen, so Schmitz.
Beratung beim Ausstieg und der Jobsuche
„Uns geht es primär um einen Vertrauensaufbau und das Bekanntmachen unseres Angebotes“, sagt Benedikt Schmitz. Frauen, die aussteigen wollen, können seit 2020 auch die Jobvermittlung „Rahab+“ des SkF in Anspruch nehmen. Voraussetzung dafür ist, dass die Frauen nachweisen, dass sie in Köln wohnen und dass sie aus der Prostitution ausgestiegen sind. Die Förderung für das Projekt, ursprünglich mit dem Jobcenter zusammen, ist jedoch in diesem Jahr ausgelaufen, ebenso wie die Förderung aus dem Stärkungspakt NRW. Um eine weitere Finanzierung bemühe man sich, sagt Anne Rossenbach, Sprecherin des SkF, denn es sei ein wichtiger Baustein in der Prostituiertenhilfe. „Die Frauen kommen ja nicht aus der Langzeitarbeitslosigkeit, sie haben ja lange gearbeitet, und bringen daher auch gewisse Kompetenzen für neue potenzielle Arbeitgeber mit, etwa Pünktlichkeit oder ein gepflegtes Auftreten.“
In der Corona-Pandemie habe man beobachten können, was ein Berufsverbot für die Szene bedeuten würde, so die Sozialarbeiter. An den bekannten Plätzen waren kaum noch Frauen anzutreffen, Kontakte mit Freiern wurde in private Wohnungen verlegt - für viele Frauen bedeutete das auch eine größere Gefahr für Übergriffe. „Tatsächlich sind die Zahlen der Prostituierten nach Corona gesunken“, sagt Schmitz. Das liege aber eher an der allgemeinen wirtschaftlichen Situation.
Ein Sammelsurium aus Problemlagen
Daran, dass Prostitution nach wie vor in der Gesellschaft kritisch gesehen wird, hat sich kaum etwas geändert. Die Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter des SkF haben einen anderen Ansatz. „Wir akzeptieren die Frauen in ihrem Lebens- und Arbeitsalltag, wie sie sind. Bei uns werden sie nicht verurteilt, wie von vielen Teilen der Gesamtgesellschaft, keine muss sich rechtfertigen“, sagt Schmitz. „Auch wenn eine Frau sich dafür entscheidet, in der Prostitution weiterzuarbeiten, kriegt sie von uns eine Beratung. Wir öffnen natürlich alle Möglichkeiten. Aber wir gucken zusammen: Was will die Frau und wie kann man das gemeinsam erreichen?“
Schulden, Sprachbarrieren, gesundheitliche Probleme, Substanzkonsum - was auf ihrem Tisch beim SkF lande, sei oft ein Sammelsurium aus Problemlagen. „Ein Großteil der Frauen ist nicht krankenversichert, für stationäre Aufenthalte reisen viele wieder ins Herkunftsland, wenn es dann da ein bisschen günstiger ist“, berichtet Schmitz. Angebote von der Stadt, wie der anonyme Krankenschein, helfen in der Hinsicht, seien aber auch nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Den Erfolg ihrer Beratung messen sie hier nicht an einer Ausstiegsgeschichte wie aus dem Bilderbuch. „Für uns ist es schon ein Erfolg, wenn sie überhaupt Vertrauen zu uns fassen oder mit uns zum Gesundheitsamt gehen“, sagt Schmitz. „Die Frauen zu begleiten und ihnen ein selbstbestimmtes Leben zu ermöglichen, das ist für mich auch ein Erfolg“, sagt Kollegin Larissa Armbruster.
Prostitution in Köln in Zahlen
23 Frauen haben im Jahr 2022/2023 an dem Ausstiegsprogramm Rahab+ des SkF teilgenommen. 2021/2022 waren es ebenfalls 23.
67 Frauen arbeiten regelmäßig auf dem Gelände an der Geestemünder Straße (Stand 2022).
313 Prostituierte wurden 2022 durch Rahab erreicht, über die Angebote informiert, wurden beraten und begleitet. Ungefähr die Hälfte wurde vor Ort aufgesucht.
20 Jahre alt war die jüngste Sexarbeiterin, 63 Jahre alt war die älteste.
Weitere Hilfsangebote in Köln
Das Gesundheitsamt der Stadt Köln bietet gesundheitliche Versorgung in anonymen und kostenlosen medizinischen Sprechstunden sowie anonyme psychosoziale Beratung am Neumarkt an. Anmeldungen nach dem Prostituiertenschutzgesetz finden im Stadthaus Deutz statt.
Die Anlauf-und Beratungsstelle Looks e.V. bietet Beratung und psychosozialer Unterstützung für Menschen der männlichen und transidenten Prostitutionsszene an. Dazu gehören basismedizinische Angebote sowie Unterstützung bei der Wohnungssuche oder der Suche nach alternativen Arbeitsmöglichkeiten.
Der Verein agisra unterstützt insbesondere Migrantinnen und Migranten, die sich in Gewaltverhältnissen befinden und von Sexismus, Rassismus und anderen Unterdrückungsformen betroffen sind. Der Verein ist mit aufsuchender Arbeit an verschiedenen Sexarbeitsorten in Köln unterwegs.