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Prozess um entführte TherapeutinElf Jahre Haft für eine bizarre Freiheitsberaubung in Köln

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Gerichtsakten im Kölner Landgericht

Gerichtsakten im Kölner Landgericht

Nach 16 Verhandlungstagen verurteilt das Landgericht in Köln zwei Männer zu elf beziehungsweise acht Jahren und sechs Monaten Haft für die brutale Entführung einer Therapeutin.

Es war wie am ersten Verhandlungstag: Mit über die Köpfe gezogenen Jacken betraten die beiden Entführer (40 und 55) den Verhandlungssaal. Als Fotografen und Kameraleute den Saal verlassen hatten, bekamen die beiden Männer dann die Quittung für die Entführung einer Therapeutin im Oktober 2023: Das Landgericht verurteilte den 40-jährigen Drahtzieher der brutalen Freiheitsberaubung und ehemaligen Patienten des Opfers zu elf Jahren Haft. Sein 55 Jahre alter Verlobter, den der Vorsitzende in der Urteilsbegründung als „Mann fürs Grobe“ bei der Entführung bezeichnete, kam mit acht Jahren und sechs Monaten Haft davon. Die Verurteilungen ergingen jeweils wegen erpresserischen Menschenraubs in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung.

„Wir haben uns hier an 16 Verhandlungstagen mit einem sehr ungewöhnlichen, bizarr anmutenden Fall beschäftigt“, sagte der Vorsitzende Dr. Thomas Stollenwerk eingangs der Urteilsbegründung. Am 13. Oktober 2023 hatte sich der 55-Jährige unter einem Vorwand einen Termin bei der Therapeutin geben lassen.

Mit Sackkarre und Kiste angerückt

Kurz nach seinem Eintreffen in der Praxis des Opfers sei dann auch der 40-Jährige „mit Sackkarre und Kiste“ in der Praxis aufgetaucht. Anschließend überwältigten die Männer die Frau, betäubten sie mit Chloroform, fesselten sie und zwängten sie in die mitgebrachte Kiste. Weil die Frau heftigen Widerstand leistet, drohte einer der Entführer: „Wenn Sie jetzt nicht Ruhe geben, schmeißen wir Sie in den Rhein.“

Mit einem angemieteten Transporter schafften die beiden Männer ihr Opfer dann in die gemeinsam bezogene Wohnung in Niehl, wo sie in einem zur Schallunterdrückung mit Malervlies ausgekleideten Badezimmer bis zum frühen Nachmittag des Folgetages festgehalten wurde. Währenddessen wurde ihr von dem 55-Jährigen, der eine Ausbildung als Krankenpfleger für Anästhesie hat, ein Venenkatheter gelegt und ihr Beruhigungsmittel verabreicht. Von dem 40-Jährigen wurde ihr angedroht, sie müsse seinen Kot essen, was man mit Kamera aufnehmen werde. Auch wurde ihr angedroht, dass man Pornos mit ihr drehen und die Aufnahmen im Internet veröffentlichen würde.

Nachdem die Therapeutin sich schriftlich verpflichtete, 1,5 Millionen Euro an den 40-Jährigen wegen angeblicher Behandlungsfehler zu überweisen und eine Schweigeerklärung unterzeichnet hatte, mit der sie versicherte, nicht zur Polizei zu gehen, sei sich schließlich von dem 40-Jährigen freigelassen worden.

Dem Opfer noch das Handy nachgetragen

„Das war in der Rückschau natürlich blauäugig“, sagte der Vorsitzende, denn die Nebenklägerin habe sich nicht an das Versprechen gebunden gefühlt und umgehend die Polizei verständigt. Ein weiteres bizarres Detail: Weil das Opfer sein Handy in der Wohnung vergessen hatte, rannte der 40-Jährige der Frau noch auf der Straße hinterher, um ihr das Gerät zu übergeben.

Grund für die Entführung sei vor allem die narzisstische Persönlichkeitsstörung des 40-Jährigen gewesen. Er habe es als Demütigung und Kränkung empfunden, dass die Frau die mehrjährige Therapie im Sommer 2023 beendet hatte. Hierfür habe der 40-Jährige einerseits Rache nehmen, aber auch finanziell profitieren wollen. Der 55-jährige Mittäter habe „aus Liebe“ zu seinem Verlobten mitgemacht, wie der er selbst in seinem Geständnis gesagt hatte. Er hatte im Laufe des Gerichtsprozesses auch mehrfach bekräftigt, dass er den 40-Jährigen auch jetzt noch heiraten wolle.