Köln – Ausgehend von der alttestamentarischen Erzählung von der befohlen Opferung Isaaks durch die Hand seines Vaters Abraham geht das Buch „Ungehorsam“ von Schwester Emmanuela, Priorin der Benediktinerinnengemeinschaft Köln, und Priester Thomas Frings der Frage nach: Welchen Gehorsam verlangt Kirche und welchen brauchen wir? Wer ist heute der Isaak und was wird für ihn getan?
Vorgestellt haben der Priester und die Priorin ihr Buch am Montag in der Karl-Rahner-Akademie. Gäste auf dem Podium waren Tim Kurzbach, Vorsitzender des Diözesanrates Köln, und Hannelore Bartscherer, langjährige Vorsitzende des Katholikenausschusses Köln.
Katholische Kirche hat viele faule Stellen
Sie schälte sich einst einen Apfel, erinnert sich Schwester Emmanuela. Da entdeckte sie eine faule Stelle und wollte sie rausschneiden. „Doch die Fäulnis war schon überall.“ Das habe sie an ihre Kirche erinnert, sagt die Priorin der Benediktinerinnengemeinschaft Köln. Und sie stellt sich die Frage: „Gehorchen wir noch dem Auftrag Jesu?“
Er erinnere sich noch gut an diesen Schauer, der seinen ganzen Körper durchfahren habe. Erhaben sei sie gewesen, seine Priesterweihe, sagt Thomas Frings. Noch heute laufe ihm in der Rückschau ein Schauer über seinen Rücken. Ein ganz anderer. Erschreckend finde er nunmehr das Versprechen des unbedingten Gehorsams, das er dem Bischof und allen seinen Nachfolgern gegeben habe.
Eine Predigt führte die beiden später zusammen. Über den Befehl Gottes an Abraham, seinen einzigen Sohn Isaak zu opfern. Der Start ihres Buchprojektes „Ungehorsam“.
Katholische Kirche: So kann es nicht mehr bleiben
Wenn ein Priester, eine Ordensfrau und Laienvertreter zu dem Schluss kommen: So kann es nicht mehr bleiben, dann wackelt die katholische Kirche wohl in ihren Grundfesten. Aber was kann so nicht mehr bleiben? Das Machtmonopol.
„Wenn beim Synodalen Weg der Deutschen Bischofskonferenz mehr Bischöfe abstimmen dürfen als Nicht-Bischöfe, was ist das dann für ein System“, fragt Frings. „Es kann doch nicht sein, dass in einer Synode in Rom über Familien entschieden wird und Familien sind gar nicht dabei“, sagt Bartscherer.
Wechsel
Die Katholische Hochschulgemeinde (KHG) Köln bekommt zum 1. Juli eine neue Leitung: Diakon Johannes Schmitz übernimmt die Aufgaben von Peter Krawczack, der zeitgleich als Leiter ins Maxhaus Düsseldorf wechselt.
Die Personalie ist Folge einer Auseinandersetzung um ein Positionspapier, das die KHG auf ihrer Internetseite veröffentlichte . Weil kaum noch junge Menschen eine spirituelle Heimat in der Kirche fänden, wurden darin Reformen gefordert.
Die Bistumsleitung deaktivierte die Seite. Der damalige Leiter ging, wurde kommissarisch durch Peter Krawczack ersetzt, dem nun Schmitz folgt. Der werde fortan seine geistlichen Aufgaben mit Diözesanjugendseelsorger Pfarrer Dr. Tobias Schwaderlapp koordinieren, heißt es in einer Mitteilung des Bistums. (ngo)
Als Oberbürgermeister von Solingen erwarte er, dass seine Mitarbeiter Ideen an ihn herantragen. „Wenn da einer eine bessere hat als ich, dann machen wir das“, und so erwarte er das auch von der Kirche, sagt Kurzbach. „Kirche und Demokratie, das geht nicht? Wo ist denn da bitte das Problem?“, fragt Schwester Emmanuela.
Kardinal Woelki und Maria 2.0: Werden Sie doch evangelisch
Wer so fragt, ist vielleicht gar nicht mehr katholisch genug, sollte gar austreten? Bis der „Heilige Rest“ über ist, der es ernst meint, so nannte das einst Kardinal Meisner. Einer Delegation der Reformbewegung Maria 2.0 soll Kardinal Woelki empfohlen haben, evangelisch zu werden, wollten sie an ihren Forderungen festhalten.
„Jetzt gehen gerade die, die glauben“, erwidert Bartscherer. „Es gibt eine geballte Wut in einer übergroßen Mehrheit. Alle sind sich sehr einig“, so Kurzbach. „Da bricht etwas auseinander“, beschreibt Frings die Austrittswelle.
Sie habe es sehr „außergewöhnlich“ gefunden, dass auf dem Höhepunkt des Missbrauchsskandals der Ruf nach christlichen Werten gerade nicht beim heiligen Rest laut wurde, „sondern in Pressestimmen“, so die Priorin.
Katholische Kirche muss Menschen wieder tatsächlich beteiligen
Weg von der „Simulationsbeteiligung, sagt Schwester Emmanuela. „Ich kann mir sehr wohl gewählte Bischöfe vorstellen. Das wäre gesund für die Kirche.“ Und auch möglich, versichert Bartscherer. „Wir müssen uns nur rückbesinnen“, sagt sie mit Verweis auf Sankt Martin, den Bischof von Tours.
Es gehe dabei nicht gegen Woelki, sondern um die Zukunft der Kirche, so Kurzbach. Das jetzige System des Klerus bezeichnet Frings als, „verschworene Gemeinschaft“, von der er ein Teil gewesen sei und die sich auch bei der laufenden Apostolischen Visitation Woelkis den Vorwurf gefallen lassen müsse: „Da hackt eine Krähe der anderen doch kein Auge aus.“
Forderung nach einem Gehorsam 2.0
Einen Gehorsam 2.0 fordern Frings und Schwester Emmanuela in ihrem Buch. „Gehorsam braucht es“, sagt Bartscherer. „Aber keinen Kadavergehorsam.“
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Die Priorin mahnt: „Ihr sollt Gott mehr gehorchen als den Menschen.“ Darum ruft sie auf zu der Frage: „Wie passt Jesus mit dem Machtsystem Kirche zusammen?“ Kurzbach antwortet: „Was ich mitbekomme widerspricht dem Evangelium zutiefst.“
Er will das nicht mehr weiter widerstandslos hinnehmen: „Ich habe das mit meinem Gott ausgemacht.“ Frings: „Gehorsam ist die Stütze des katholischen Systems. Und je länger ich Teil dieses Systems bin, desto mehr erkenne ich, wie ich zu seiner Stabilisierung beitrage.“
„Ungehorsam – Eine Zerreißprobe“, Verlag Herder, gebunden, 272 Seiten, ISBN: 978-3-451-38798-2, 22 Euro.