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Das Wort zum SonntagDie Kirche scheint nicht mehr von dieser Welt zu sein

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Menschen stellen Schuhe in Erinnerung an die Entdeckung der Überreste von mehr als 200 Kindern auf dem Gelände einer ehemaligen Internatsschule in Kamloops ab. 

Hartmut Kriege von der Gemeinde St. Nikolaus, Bonn zum Genozid in Kanada

Herr, die Not ist groß! Die ich rief, die Geister werd’ ich nun nicht los, formuliert Goethe in seiner Ballade vom Zauberlehrling. Zunächst ist dieser stolz auf sein Können, muss aber schließlich einsehen, dass er der Situation nicht mehr gewachsen ist.

Die weltweit operierende Katholische Kirche schlittert offenbar in die gleiche Rolle. Die jüngsten Erkenntnisse über ihr vorbehaltloses Mitmachen beim kulturellen Genozid (sagen die UN) in den 130 „Residential Schools“ Kanadas, korrespondieren in auffälliger Weise mit dem Anfang Januar in Irland veröffentlichten Untersuchungsbericht über das Verschwinden von rund 9000 Kindern unverheirateter Frauen in kirchlichen Einrichtungen in den Jahren 1922 bis 1998.

Während die Katholische Kirche Irlands ihre Mit-Schuld eingesteht, verweigert die Kirche in Kanada bislang jegliche Mitarbeit bei der Aufklärung der Vorkommnisse. Trotz eines päpstlichen Appells.

Ähnlich der Aussage des Evangeliums über das „Reich Gottes“ scheint offenbar auch die Kirche nicht (mehr) von dieser Welt zu sein. Positioniert sie sich in einigen Ländern derzeit doch unverhohlen außerhalb der Gesellschaft (fuori storia). In Ländern vor allem, die sich ihrer einst mühsam erworbenen demokratisch-politischen Spielregeln und ethisch-rechtlichen Fundierungen erneut bewusst werden.

In der Vergangenheit standen verständlicherweise autoritäre Regime der Kirche immer näher als Abstimmungen mit Mehrheitsvoten.

Die Folgen der Absage des Papstes an das Rücktrittsangebot von Kardinal Marx sind noch gar nicht abschätzbar. Auch nicht, ob jene wieder Oberwasser bekommen, denen die Reputation der Kirche wichtiger ist als das Auffangen menschlicher Tragödien (auf beiden Seiten). Das Erbe von Jahrzehnten Missbrauch wird wohl Jahrzehnte an Aufarbeitung und Versöhnung einfordern. Aber noch steigen die Austrittszahlen.

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